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JENAM 2010 – Wackelt die Feinstrukturkonstante?

von Redaktion am 9. September 2010

Die Feinstrukturkonstante ist eine der fundamentalen Konstanten innerhalb der Physik. Von Arnold Sommerfeld eingeführt ist sie mit dafür verantwortlich, dass die Welt im Innersten zusammenhält. Als fundamentale Naturkonstanten gelten physikalische Grössen, deren Wert sich weder räumlich noch zeitlich verändert. Für die theoretische Physik sind diese Konstanten an sich ein Tabu. Dennoch wird ihre Unveränderlichkeit von den Wissenschaftlern immer wieder in Frage gestellt und experimentell überprüft. Als wichtigster Kandidat ist neben der Gravitationskonstanten immer wieder die Feinstrukturkonstante auf den Prüfstand gestellt worden. Ein Vortrag von John K. Webb auf der gerade laufenden „European Week of Astronony and Space Science“ befeuert die Debatte.

Feinstrukturkonstante alpha - Büste und Gedenktafel für Arnold Sommerfeld an der LMU München

Feinstrukturkonstante alpha - Büste und Gedenktafel für Arnold Sommerfeld an der LMU München

Die Feinstrukturkonstante ist eine dimensionslose Grösse, die Arnold Sommerfeld im Jahr 1916 in die relativistische Interpretation des damals gültigen Bohrschen Atommodell eingeführt hatte. Der Münchner Physiker bildete diese Naturkonstante aus der Betrachtung der Umlaufgeschwindigkeit eines Elektrons in einem elliptischen Orbit um das Proton eines Wasserstoffatoms und gruppierte dafür die Konstanten der Lichtgeschwindigkeit, des Planckschen Wirkungsquantum und der Elementarladung. Ihr Zahlenwert entspricht etwa 1/137. In der modernen theoretischen Physik steht die Fundamentalkonstante α = e^2 (ħc)^-1 heute als determinierende Kopplungskonstante für die elektromagnetische Kraft und ist vergleichbar mit denen der anderen drei fundamentalen Kräfte bzw. Wechselwirkungen: Gravitation, schwache und starke Wechselwirkung.

Die Unveränderlichkeit der Naturkonstanten wurde bereits in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts durch Sir Arthur Eddington und Paul Dirac in Frage gestellt. Es dauerte aber bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts, bis die experimentelle Schärfe gegeben war, um diese Hypothesen auch mit Daten nähren zu können. John K. Webb zeigte mit seinem Team anhand der Messung von Absorptionsspektren von Quasarstrahlung in Wasserstoffwolken zunächst eine zeitliche Variabilität der Feinstrukturkonstante. Diese Messungen waren aufgrund ihrer Fallzahl und Fehlertoleranzen umstritten und wurden Anfang des neuen Jahrtausends von anderen Gruppen, die am „Very Large Telescope (VLT)“ der ESO diese Messungen nachvollzogen, nicht bestätigt. Auch Laborversuche mit Atomuhren deuteten seitdem auf die bequeme Konstanz der Feinstrukturkonstante hin.

Mit den neuesten astrophysikalischen Untersuchungen von Webb, denen ein sample von Spektralmessungen an 60 Quasaren zugrunde liegt, bringt der Astrophysiker seine These aber erneut gestärkt ins Feld. Die Auswertung von Messdaten des „Keck-Teleskops“ und des „VLT“ deuten nicht nur auf eine zeitliche Veränderung der Feinstrukturkonstanten hin, sie zeigen auch eine räumliche Varianz in Form eines Dipols. Sollten sich diese Daten erhärten, steht die theoretische Physik vor einem fundamentalen Problem. Eine Variabilität der Elementarladung oder der Lichtgeschwindigkeit bringt etablierte und gut überprüfte physikalische Theorien in Schwierigkeiten. Der erneute Paukenschlag von Lissabon hält jedenfalls nicht nur Webb et al. im Gespräch, sondern auch den ewigen Kampf um die Konstanz der Naturkonstanten. Das paper wird in den Physical Review Letters veröffentlicht werden. Die Variabilität der Feinstrukturkonstante, sofern sie über die bisher als gemessen vermuteten Werte hinausgeht, würde den dauerhaften Zusammenhalt der Materie in Frage stellen. Das ist spannende Physik. Und so soll es auch sein.

  • Diskutiere über die Feinstrukturkonstante und die jüngsten experimentellen Ergebnisse im Forum Alpha Centauri!

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1 Kommentar | Kommentar schreiben
 
  1. #1 | Dr Mabuse | 19. Oktober 2011, 18:33

    Das Thema ist zwar jetzt schon alt, aber der Fehler ist gravierend:
    die Feinstrukturkonstante ist keine fundamentale Konstante. Das zeigt sogar ihr ausgewähltes Bild auf dem man ganz klar sieht, dass alpha aus den wirklich fundamentalen Konstanten – der Elementarladung, des Planck’schen Wirkungsquantums und der Lichtgeschwindigkeit – zusammengesetzt. Sie wurde lediglich eingeführt um bei spektroskopischen Versuchen nicht alle genannten Konstanten in den Rechnungen ständig mitziehen zu müssen.

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