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Egbert Scheunemann – Der Bock als Gärtner

von Redaktion am 31. Juli 2010

Vom Urknall zum Durchknall – Die absurde Jagd nach der Weltformel“ titelt plakativ das im Frühjahr 2010 im Springer Verlag erschienene Buch des Münchner Physikers und Gymnasiallehrers OStR Dr. Alexander Unzicker. Dem frechen Stil des Erstlingswerkes verdankt Unzicker bereits einen Auftritt bei der TV-Diskussion Talk im Hangar 7. Immerhin mit Größen der Physik und Astronomie wie Prof. Dr. Heinz Oberhummer, Prof. Dr. Dieter B. Herrmann, Prof. Dr. Bernulf Kanitscheider und dem wohl bekanntesten noch lebenden Urgestein der Kritik am kosmologischen Standardmodell, Halton Arp. Jetzt hat sich auch „Spektrum der Wissenschaft“ des Buches angenommen und veröffentlicht in der Augustausgabe eine Rezension „Die theoretische Physik – kompletter Blödsinn?“. Doch hier soll nicht Unzicker und sein Buch das Thema sein, sondern der Rezensent Egbert Scheunemann.

Alexander Unzicker - Vom Urknall zum Durchknall

Vom Urknall zum Durchknall - Alexander Unzickers Buch erregt Aufmerksamkeit

Gemeinhin erwartet ein Leser von einer Rezension über den Inhalt, den Aufbau und die Zielsetzung eines Buches zu erfahren. Wie die Qualität und der Stil des Textes sich präsentieren. Über den Inhalt erfährt man von Scheunemann wenig, vom Aufbau gar nichts. Na gut, die Zielsetzung verrät der Titel und der Untertitel des Buches. Dem Stil des Buches widmet Scheunemann weit mehr Raum, erschöpft sich jedoch an dessen frechen und bissigen Statements. Diese kann man gewiss ob ihrer Frische und ob ihrer provokanten Art bewundern – wenn man so etwas mag. Scheunemann mag.

Auch über die Qualität des Buches schreibt Scheunemann. „Was Unzicker schreibt, hat Hand und Fuß, ist fundiert, informiert und zeugt von großer Belesenheit.“ ist sein nicht weiter begründetes Urteil. Dem möchte man als Leser gerne Glauben schenken, doch wie fundiert ist Scheunemanns Urteilsfähigkeit? Ein schneller Blick an das Ende der Rezension offenbart:

Der Rezensent ist freier Publizist in Hamburg, hat Politik und Philosophie studiert und beschäftigt sich seit langer Zeit mit Erkenntnistheorie und Naturphilosophie“

Ein Politologe und Philosoph rezensiert im „Spektrum der Wissenschaft“ ein kritisches Buch zur modernen Physik? Ein wenig ermutigender Befähigungsnachweis.

Wenn es um moderne Physik geht, vor allem in populärwissenschaftlicher Literatur, darf einer nicht fehlen. Richtig, Albert Einstein. Auch in Unzickers Buch fehlt er nicht und kommt als positive Ausnahme der absurden Jagd nach der Weltformel der modernen Physik ganz gut weg. Bei Scheunemann darf Einstein erst recht nicht leer ausgehen. „Einstein ist nun mal eine Ikone …, die fast magisch pinkelnde Hunde anzieht.“ zitiert er abgekürzt und widmet den zweiten Teil seiner Rezension dem Kapitel 5 aus Unzickers Buch. Seltsam nur, dass dieses Einsteinkapitel gerade einmal 17 Seiten von insgesamt 332 umfasst. Doch eben diesem Teil gilt Scheunemanns einzige kritische Anmerkung, die auch seine Rezension abschließt:

Aber auch etwas Unbehagen bleibt nach der Lektüre zurück. Ich hätte mir beispielsweise gewünscht, etwas mehr zu erfahren zu den drei genannten Problemen der ART. Und unbefriedigend ist auch, dass Unzicker Einstein zunächst expressis verbis zur »Ikone« stilisiert und SRT wie ART für sakrosankt erklärt – und damit dem grundlegenden wissenschaftlichen Falsifikationsprinzip enthebt. Einstein, diesem kritischen Geist, wären darob ganz sicher die Haare noch mehr zu Berge gestanden als so und so schon. Und womöglich hätte er dem Unzicker für diese Zicke sogar die Zunge herausgestreckt.

Das irritiert und erzeugt etwas Ratlosigkeit beim Leser. Offenbar ist Scheunemann zum Thema Einstein voreingenommen.

Egbert Scheunemann - Irrte Einstein?

Irrte Einstein? - Egbert Scheunemanns Buch bleibt unbeachtet

Ein Blick auf seine Homepage bestätigt das. Der Hamburger Rezensent hat eine Vorgeschichte. Er hat bereits mit einer eigenen kritischen Veröffentlichung „Irrte Einstein? Skeptische Gedanken zur Relativitätstheorie – (fast immer) allgemeinverständlich formuliert“, erschienen 2008 im Verlag „Books on demand“, seine Dispositionen getroffen. Damit sind wir wieder beim Befähigungsnachweis gelandet. Es scheint ausreichend gewesen zu sein, dass Scheunemann, obwohl weder Physiker noch Wissenschaftshistoriker, irgendwelche Arbeiten zum Thema Einstein als Referenz vorweisen konnte, um im „Spektrum der Wissenschaft“ als Rezensent zum Zuge zu kommen. Ein etwas kritischerer Blick auf die Qualifikation von Scheunemann hätte der Redaktion von „Spektrum der Wissenschaft“ gut zu Gesicht gestanden. Denn beim Eignungstest, dem „experimentum crucis“ sozusagen, für das Verständnis der Einsteinschen Relativitätstheorie, hat Scheunemann komplett versagt. Es gelingt ihm nicht, die Grenzen seiner durch Alltagserfahrung geprägten engen Denkgewohnheiten zu überschreiten und zu verstehen, was in der Relativitätstheorie relativ ist und was nicht. Scheunemann schreibt in seinem Buch „Irrte Einstein?“ in der Zusammenfassung unter Punkt 3:

Alles bewegt sich permanent relativ zu irgend etwas anderem. Jede Uhr, egal, wo man sie hinstellt, geht so ‚langsamer’ relativ zu einer anderen Uhr irgendwo im Universum – und umgekehrt, da jedes Bezugssystem völlig gleichberechtigt, weil willkürlich gesetzt ist. Alles wäre ‚zeitdilatiert’ – und ‚längenkontrahiert’. Also ist faktisch nichts ‚zeitdilatiert’ und ‚längenkontrahiert’.

Dieses Argument bildet die Grundlage von Scheunemanns Kritik. Nun sind in der Relativitätstheorie Längen und Zeiten genau so vom Bewegungszustand des Beobachters abhängig, wie in der klassischen Mechanik etwa die Relativgeschwindigkeit, der Impuls oder die kinetische Energie. Scheunemanns Argument müsste sich also z.B. genau so auf die Relativgeschwindigkeit anwenden lassen:

Alles bewegt sich permanent relativ zu irgend etwas anderem. Jeder Körper, egal, wo man ihn hinstellt, bewegt sich so ‚langsamer’ oder ‚schneller’ relativ zu einem anderen Körper irgendwo im Universum – und umgekehrt, da jedes Bezugssystem völlig gleichberechtigt, weil willkürlich gesetzt ist. Alles wäre unterschiedlich ‚bewegt’. Also ist faktisch nichts ‚bewegt’.

So formuliert wird die Absurdität dieses Arguments sofort offensichtlich. Wohlgemerkt geht es hier noch gar nicht darum, ob die Relativitätstheorie wahr oder falsch ist, sondern darum, ob sie von Scheunemann überhaupt verstanden wird und das wird sie eben nicht. Scheunemann ist und bleibt unerschütterlich seiner Vorstellung eines absoluten Raumes und einer absoluten Zeit verhaftet. Längen und Zeiten müssen absolut sein und bleiben, was ihn zur Überzeugung bringt, dass die Relativitätstheorie falsch sein muss. Scheunemann besteht den Eignungstest nicht.

Um sein Werk zu promoten verschickte Scheunemann am 7. Dezember 2009 eine E-Mail an einen größeren Adressatenkreis, in dem er zwei als PDF auf seiner Homepage veröffentlichte Kapitel seines Buches zum Lesen empfahl. Einer der Empfänger war der Physiker Meno Hochschild, der als Administrator der Webseite http://marxismus-online.eu auch gleich seine Kritik an Scheunemanns Buch „Irrte sich Einstein – wirklich???“ dort veröffentlichte (sehr lesenswert, da Hochschild kompetent und fundiert die Argumente Scheunemanns analysiert und kritisiert). Daraus entwickelte sich ein Disput, in dem Scheunemann rasch die Sachargumente ausgingen und er sich in Beschimpfungen flüchtete (Denunziant, … mit seinem Harnstrahl geschrieben …, etc.)

Wer im endgültigen Besitz der Wahrheit ist, kann nicht mehr mit dem anderen richtig reden, – er bricht die echte Kommunikation ab zugunsten seines geglaubten Inhalts.
– Karl Jaspers Lesebuch, S. 198

Damit offenbart sich Scheunemann als Stereotyp des Cranks, wie man ihn aus vielen anderen Situationen kennt und seine bei Spektrum lancierte Rezension nachvollziehbar macht. Dass Scheunemann gerade zu jenen „pinkelnden Hunden“ gesellt, die, nach Unzickers Verdikt, von der „Ikone Einstein magisch angezogen werden“, erklärt seine kritischen Haltung. In einer Rezension hat eine solche Befindlichkeit jedoch keinen Platz. „Spektrum der Wissenschaft“ hat mit Egbert Scheunemann, wie mit Wolfgang Herrig als Blogger in den verlagseigenen ChronoLogs einige Monate zuvor, einen weiteren Bock zum Gärtner gemacht. Bei einem der führenden populärwissenschaftlichen Wissenschaftsmagazine im deutschsprachigen Raum sind solche Patzer nicht hinnehmbar und scheinen auf ein strukturelles Problem hinzudeuten, das schnellstens abgestellt werden sollte.

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15 Kommentare | Kommentar schreiben
 
  1. #1 | Redaktion | 9. August 2010, 01:13

    Die Affäre um spektrum.de/ Egbert Scheuneman jetzt auch bei Thilo Kuessner auf den ScienceBlogs
    http://www.scienceblogs.de/mathlog/2010/08/comme-cest-curieux-et-quelle-coincidence-bizarre.php

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  2. #2 | Redaktion | 12. August 2010, 18:45

    spektrum.de hat jetzt einen ersten Leserbrief zu Scheunemanns Rezension veröffentlicht. Christian Gapps Anmerkungen bringen die anhaltende Kritik an der Auswahl des Rezensenten auf den Punkt.

    Was mich hier viel mehr interessiert ist, wieso das SPEKTRUM das Buch eines berufsnotorischen Besserwissers (Lehrer) durch einen zweiten (Philosoph) rezensieren lässt, der selbst keine physikalische Meriten hat und ein erklärter Gegner Einsteins ist.

    Was die spektrum-Redaktion da getrieben hat, bleibt eine offene Frage, die so mancher treuer Leser sicherlich gerne aus erster Hand beantwortet haben möchte.

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  3. #3 | Max Feierabend | 12. August 2010, 20:27

    hallo, bereits am 31. Juli hatte ich einen Leserbrief geschrieben. Mir ist klar, auch Spektrum entscheidet selbst, was sie veröffentlichen wollen. Vielleicht wollt Ihr das hier übernehmen.

    Den Bock zum Gärtner gemacht

    Mit großem Interesse habe ich die Rezension zu Alexander Unzickers Buch, das ich selbst gelesen habe, zur Kenntnis genommen. Stutzig wurde ich nicht nur, als mir klar wurde, dass der Rezensent offenbar eine andere Ausgabe von „Vom Urknall zum Durchknall“ vor sich gehabt haben muss, als er seinen Artikel geschrieben hat. Es war schließlich der folgende Absatz, der mich an der Qualität dieser Buchbesprechung zweifeln ließ:

    „Er glaubt jedoch, dass die Naturgesetze von der »kosmologischen Evolution« nicht ausgenommen sind – und damit die Gravitationskonstante auch nicht. Das ist auch meine Überzeugung. Alles andere würde einen platonischen Naturgesetzeshimmel voraussetzen, der schon immer und ewig existierte und existieren wird.“

    Herr Scheunemann, der als Rezensent benannt ist, präsentiert sich im folgenden als bekennender Einsteingegner. Und so gestaltet sich auch der Rest seines Textes, der in einem renommierten Wissenschaftsmagazin wie Spektrum der Wissenschaft mehr als fehl am Platze ist. Die klammheimliche Freude, die Herr Scheunemann mit seinen falschen Deutungen des CMB als „absolutes Bezugssystem“ mit vielen „unorthodoxen Kritikern“ der Relativitätstheorien teilt, weist weiter darauf hin, dass man die Besprechung solcher Bücher nur ausgewiesenen Experten überlassen sollte. Und keinen Außenseitern, die selbst Bücher wie „Irrte Einstein? Skeptische Gedanken zur Relativitätstheorie – (fast immer) allgemeinverständlich formuliert“ verbrochen haben.

    Was die Redaktion von Spektrum der Wissenschaft geritten haben mag? Wie sie in Zukunft mit der Qualitätssicherung für ihre Leser verfahren wird, darauf darf man gespannt sein.

    Beste Grüße aus Berlin
    Max Feierabend

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  4. […] Peter Rösch und Alexander Unzicker präsentiert sich die Schweizerin als eine weitere Pädagogin auf Abwegen. Das schürt das […]

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  5. #5 | Quentin | 10. September 2010, 09:49

    Eine weitere Rezension von Unzickers Buch findet sich jetzt auch bei Florian Freistetter:

    http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/09/durchgefallen-vom-urknall-zum-durchknall.php

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  6. […] Juli hatte RelativKritisch über eine Rezension zu Alexander Unzickers Buch „Vom Urknall zum Durchknall“ berichtet, die ein physikalisch wenig begabter, aber bekennender Einstein-Gegner in der […]

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  7. […] absoluten Fehlgriff berichtet, den sich die Spektrum-Redaktion bei der Auswahl des Einsteingegners Egbert Scheunemann als Rezensenten geleistet hatte und Konsequenzen gefordert. Wer nach der begründeten Kritik am […]

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  8. […] Collage: Alexander Unzicker – RezensionenAlexander Unzicker ist stets am Puls der Zeit. Selbst prekäre Empfehlungen von Einstein-Gegnern, wie von Egbert Scheunemann, schreibt sich der Pädagoge auf seiner Website zugute. Einer gefakten […]

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  9. #9 | Hans | 27. März 2011, 13:09
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  10. #10 | Max Feierabend | 27. März 2011, 17:37

    Selten einen so schlechten Verlierer erlebt. Wenn er sich mit Gewalt lächerlich machen will …

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  11. #11 | Hans | 27. März 2011, 18:18

    Besonders peinlich ist ja seine obsessive Beschäftigung mit der Rechtschreibung in ihm wenig genehmen, weil ungeschminkten, Kommentaren.

    Viel Wind, viel Blabla, wenigs Substanz, nicht fokussiert auf den Punkt. Und so einer will die SRT widerlegen. 😀

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  12. #12 | Manuel Krüger | 27. März 2011, 18:55

    Das ist echt nur armselig, der Text ist kaum lesbar, wegen den ganzen [] und das Herumgeheule megapeinlich. Na wenn er es nötig hat. 😀

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  13. #13 | Philip | 28. Juli 2011, 20:56

    Dieses Argument bildet die Grundlage von Scheunemanns Kritik. Nun sind in der Relativitätstheorie Längen und Zeiten genau so vom Bewegungszustand des Beobachters abhängig, wie in der klassischen Mechanik etwa die Relativgeschwindigkeit, der Impuls oder die kinetische Energie. Scheunemanns Argument müsste sich also z.B. genau so auf die Relativgeschwindigkeit anwenden lassen:

    Ich denke nicht, dass das Argument schon auf den ersten Blick absurd ist. Bei Relativgeschwindigkeiten wäre es schon absonderlich, wenn man von zwei Systemen behauptet, sie bewegten sich beide relativ zueinander in dieselbe Richtung.
    Dass Scheunemann Probleme mit der Aussage der SRT hat, dass die Zeitdilatation wechselseitig ist, ist zunächst einmal verständlich, es ist nur nicht sauber durchdacht.

    Ich habe daher (nicht in der Diskussion mit ihm, sondern mit einem Hartwig Thim, der ebenfalls Kritiker der RT’s ist) am Beispiel zweier zunächst parallel und mit derselben Geschwindigkeit fahrender Autos auf einer Ebene erläutert, dass, wenn mindestens eines der Autos die Richtung leicht variiert, sodass sie sich voneinander entfernen, aus der Perspektive jedes Wagens der jeweils andere zurückbleibt. Ändert nun einer, sagen wir, der linke Wagen erneut seine Richtung und steuert wieder auf den anderen Wagen zu und lenkt ihn bei einem geringen Abstand schließlich parallel, so ist er insgesamt hinter dem anderen zurückgeblieben, im umgekehrten Fall bleibt der rechte zurück.
    Auch wenn die Raumzeit eine andere Metrik hat, so ist das m.E. ein gutes Bild dafür, dass die Wechselseitigkeit des Nachgehens keinen Widerspruch erzeugt. Häufig wird man leider in der Frage des „Zwillingsparadoxons“ mit dem Hinweis abgespeist, der „Zurückbleibende“ sei inertial, der andere nicht, weil er umkehre und also beschleunige.
    Ich halte es für nützlich, mehr ins Detail zu gehen und darauf hinzuweisen, dass der „Zurückbleibende“ sich die ganze Zeit über als ruhend betrachten kann, der „Reisende“ aber nur entweder auf dem Hin- oder auf dem Rückweg, und dass er, falls er den Hinweg als Ruhezustand interpretiert, anschließend schneller sein muss als sein Bruder, um ihn einzuholen, wobei seine stärkere Zeitdilatation die seines Bruders überkompensiert.

    Leider beschränkt sich übrigens mangelndes Verständnis der SRT nicht auf deren Gegner. Manche ihrer Verfechter beweisen beim Versuch, ihre Aussagen zu beschreiben, dass sie sie auch nicht wirklich verstanden haben.

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  14. #14 | Karl | 28. Juli 2011, 22:01

    @Philip: Ziert wird mit <blockquote>Text</blockquote>

    Leider beschränkt sich übrigens mangelndes Verständnis der SRT nicht auf deren Gegner. Manche ihrer Verfechter beweisen beim Versuch, ihre Aussagen zu beschreiben, dass sie sie auch nicht wirklich verstanden haben.

    Leider kommt das vor. Auch in sonst guten Büchern zum Thema.

    Meine Erfahrung nach entsteht das Missverständnis vieler Kritker durch die alltägliche Erfahrung mit der „absoluten“ Zeit. Einer Zeit, die immer und überall gleich ist. Damit verbunden ist die Alltagserfahrung mit der Grösse und damit mit der Längemessung. Es ist zwar für uns selbstverständlich, dass die gesehene (erfahrene) Grösse eines Gegenstandes nicht immer gleich ist. Ist sie aber kleiner als die gemessene Grösse (die dem Gegenstand eigentliche Grösse), interpretieren wir das als „Entfernung“. Die Abstraktion von diesen Erfahrungen ist für viele nicht möglich und sie lösen dann den Widerspruch auf, indem sie die SRT für falsch erkären.

    Diesen Kommentar: Zitieren
  15. #15 | Philip | 28. Juli 2011, 22:30

    @Philip: Ziert wird mit

    Text

    Vielen Dank für den Tip.:-)

    Es ist zwar für uns selbstverständlich, dass die gesehene (erfahrene) Grösse eines Gegenstandes nicht immer gleich ist. Ist sie aber kleiner als die gemessene Grösse (die dem Gegenstand eigentliche Grösse), interpretieren wir das als “Entfernung”.

    Ja gut. Was aber in der SRT vom Bezugssystem abhängt, ist aber nicht die gesehene, sondern eben die gemessene Größe bzw. Länge eines Gegenstandes. Ein auf uns zukommender Gegenstand wird durch Retardierungseffekte sogar optisch gestreckt, wenn auch nicht so extrem, wie das ohne LF-Kontraktion der Fall wäre. Im Übrigen scheint die Zeit auf einem sich schnell nähernden Raumschiff aus demselben Grund nicht langsamer, sondern schneller zu laufen als „normal“ – wenn eben auch wieder nicht so extrem wie es ohne Zeitdilatation der Fall wäre.

    Was mangelndes Verständnis für die SRT bei deren Anhängern betrifft, kann ich als Beispiel Hoimar von Ditfurths sonst m.E. gutes Buch „am Anfang war der Wasserstoff“ nennen: Zum Thema „Relativität der Gleichzeitigkeit“ beschreibt er ein Szenario, in der jemand mit einem Raumschiff schnell an einem Planeten oder einer Raumstation vorübergleitet und der dortige Beobachter in dem Augenblick, in dem der Raumfahrer ihn passiert, zwei auf gleich weit entfernten , in enetgegengesetzten Richtungen gelegenen Planeten stattfindende Vulkanausbrüche sieht. Er behauptet, der Raumfahrer sehe den vor ihm stattfindenden Ausbruch aufgrund seiner Geschwindigkeit eher als der „ruhende“ Beobachter und erst recht eher als den hinter ihm stattfindenden Ausbruch, was natürlich Unfug ist, denn wenn sich 4 Geraden in einem Punkt schneiden, tun sie das unabhängig davon, wie schief man das Blatt hält. Der Punkt ist der, dass der vor ihm liegende Planet auf ihn zukommt und daher zum Zeitpunkt des Ausbruchs weiter entfernt gewesen sein muss, während für den anderen das Gegenteil gilt.
    Ditfurth fährt damit fort, dieser Befund widerspreche zwar unserer Logik und edm gesunden Menschenverstand, dieser sei aber eben am Alltag orientiert, wo so große Geschwindigkeiten nicht auftreten. Für den gesunden Menschenverstand mag dies stimmen, für die Logik ist das völlig falsch.
    Im Gegenteil, die SRT ist streng logisch aus einigen einfachen Prämissen hergeleitet und stürzt m.E. die klassische Physik nicht um, sondern setzt deren Weg fort. Sie steht geradezu in der progressiven Tradition eines Galileo Galilei, eines Johannes Kepler und eines Sir Isaac Newton, indem sie etwas verschwommene naturphilosophische Überlegungen durch einfache und präzise formulierte Prinzipien ersetzt. Nicht ein einziges echtes Prinzip der klassischen Mechanik ist ihr zum Opfer gefallen, vielleicht abgesehen von der Gleichung F=ma.

    Newtons „absolute mathematische Zeit“ ist eine Hypothese, die für seine Physik völlig entbehrlich ist; zudem widerspricht ihr Postulat Newtons Behauptung, er erfinde keine Hypothesen.

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