„Wissensbuch des Jahres 2011“ – Korrektur einer strukturellen Fehlentwicklung?
Das Wissenschaftsbuch des Jahres ist eine etablierte Auszeichnung, die durch den Verlag und die Redaktion des populären deutschsprachigen Wissenschaftsmagazins „bild der wissenschaft“ ausgelobt wird. Seit 1992 vergibt das Magazin das von den Verlagen begehrte und verkaufsfördernde Label „Wissenschaftsbuch des Jahres“. Im Jahr 2011 hat „bild der wissenschaft“ die Modalitäten für die Preisvergabe geändert. Erstmals waren die von ausgewählten Wissenschaftsjournalisten auf die „long list“ gesetzten Titel vorab bekannt. Dieses Jahr sollte abweichend zu den vergangenen Veranstaltungen zusätzlich zu den von Verlag und Redaktion fest gesetzten elf Juroren auch der Schwarm der Leserinnen und Leser eine „zwölfte Stimme“ erhalten. Verschafft sich bdw damit einen Frühwarnmechanismus, um strukturelle Fehlentwicklungen, die im letzten Jahr zu einer völlig unsinnigen Preisvergabe geführt haben, in Zukunft zu vermeiden?
In der August-Ausgabe 2011 kündigte der Chefredakteur von „bdw“, Wolfgang Hess, eine sichtbare Neuausrichtung des verlageigenen Wettbewerbs an. Neben einem neuen Logo erhielt die Auszeichnung auch einen neuen Namen. Mit dem neuen Label „Wissensbuch des Jahres“ strebt „bild der wissenschaft“ ein Alleinstellungsmerkmal an, das in der Namensgemeinschaft mit der doch seit einigen Jahren gleichlautenden Wortmarke des österreichischen Wettbewerbs „Wissenschaftsbuch des Jahres“ bisweilen nicht erreichbar war. Beide Auslobungen sind von der begrüssenswerten Idee getragen, die populäre Verankerung der Wissenschaften über die Förderung des wissenschaftlichen Sachbuchs zu stärken.
Beide Wettbewerbe funktionieren dabei nach ähnlichen Prinzipien. Aus einer „long list“ von Verlagsveröffentlichungen wählt eine jeweils hochkarätig besetzte Jury eine Auswahl in die abschliessend zu bewertende „short list“ der zu prämierenden Bücher. Während der vom österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und Partnern aus dem Buchhandel getragene Preis die Entscheidung der Leserinnen und Leser zum finalen Entscheider erhob, hatte sich „bild der wissenschaft“ bis zu diesem Jahr auf das abschliessende Urteil seiner aus bekannten Wissenschaftjournalistinnen und -journalisten besetzten Bank verlassen.
Gegenüber 2010 ist die von bdw bestellte Jury personell unverändert. Urs Willmann (Die Zeit), Reto U. Schneider (Neue Zürcher Zeitung), Jürgen Nakott (National Geographic), Joachim Müller-Jung (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Dr. Reinhard Breuer (Spektrum der Wissenschaft), Dr. Uta Altmann (bild der wissenschaft), Dr. Markus Bohn (SWR), Peter Ehmer (WDR), Dr. Joachim Bublath (Wissenschaftspublizist), Dr. Dr. Jens Simon (PTB), Barbara Ritzert (freie Journalistin) sind die von der Redaktion gesetzten ersten „elf Stimmen“. Wir erinnern uns daher nur ungern daran, dass im bdw-Wettbewerb in der Kategorie „Zündstoff“ letztes Jahr das in allen Belangen durchgefallene Pamphlet „Vom Urknall zum Durchknall“ des Münchner Physiklehrers Alexander Unzicker zum „Wissenschaftsbuch des Jahres 2010“ bestimmt wurde. Jürgen Nakott, Diplom-Biologe und Wissenschaftsredakteur bei „National Geographic Deutschland“, hatte es seinerzeit übernommen, die Begründung für die Wahl des Buches „Vom Urknall zum Durchknall“ von Alexander Unzicker zu formulieren. Das erfreute nicht nur den Verlag, sondern auch den Autor, der die Auszeichnung konsequent in sein Selbstmarketing übernahm. Wie die Entscheidung über Unzickers seichte „Beschimpfungsorgie“ (Freistetter) ausgefallen wäre, wenn bereits 2010 die Leserschaft ihre „zwölfte Stimme“ abgegeben hätte, bleibt zwangsläufig spekulativ. Angesichts des Meinungsbilds in der Web Community wäre es aber vermutlich sehr spannend geworden.
Die diesjährige „long list“ der bdw-Jury, aus der die Leserinnen und Leser 2011 direkt ihre Favoriten wählen konnten, umfasst insgesamt 54 Publikationen, verteilt über die im Wettbewerb traditionellen sechs Kategorien. Es sind sehr interessante Bücher darunter und auch in diesem Jahr ist sicherlich der ein oder andere kontrovers zu bewertende Titel in der Abstimmung. Ihre „zwölfte Stimme“, aufgesplittet in jeweils eine Teilstimme pro Kategorie, konnte die Leserschaft bis zum 16. August abgeben.
Die Konkurrenz aus Österreich hat ihre Wahl zum „Wissenschaftsbuch des Jahres“ bereits abgeschlossen und ihre Preisträger präsentiert. Wie die Entscheidung im bdw-Wettbewerb letztendlich ausgegangen ist, veröffentlicht „bild der wissenschaft“ wie immer in der Dezemberausgabe des Magazins. Wir sind neugierig.
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