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nomad
Anmeldedatum: 09.01.2009 Beiträge: 117
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Verfasst am: 13.08.2010, 10:41 Titel: |
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Benni hat Folgendes geschrieben: |
langsam kommen wir der Sache schon näher. (Stringtheoretiker betreten keine Labore. |
Wirklich nicht??? Oh, lassen Sie mich kurz mal nach nebenan zu unseren Stringtheoretikern gehen. Ich bin gespannt, wie die heute morgen in ihr Büro gekommen sind, wenn Sie Labore nicht betreten. Vielleicht können sie ja schweben? Ist mir allerdings noch nicht aufgefallen....
FYI: Es gibt Teilchenphysiklabore mit Stringtheoriegruppen. Überrascht? Dann haben Sie noch nicht viele Ihrer Kollegen getroffen. Also sind Sie doch Student?
Nein, leider nicht. Sie wissen das, aber dieses Forum hat nur sehr wenige Experten als Leser.
Zitat: |
Übrigens: Neutrinomassen kann man leicht in das Standardmodell einbauen
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Das habe ich auch nicht bestritten. Ich habe nur gesagt, dass das SM nicht die ganze Wahrheit sein kann. Sie bestätigen das ja sehr schön.
Zitat: | Ach? Es macht also Sinn, Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter auszuschreiben, um die präzisen experimentellen Signaturen von Theorien zu prüfen, von denen kaum ein ernsthafter Theoretiker glaubt, dass man sie findet, weil dese Theorien enorme intrinsische Probleme haben?
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Natürlich macht das Sinn. Die experimentellen Signaturen sind bei jeder exotischen Physik die gleichen: fehlende Energie und Impuls, viele Jets, hohe Multiplizitäten. Wenn ich das experimentell beherrsche, dann kann ich SUSY oder alles andere nicht bekannte messen. SUSY ist ein test case solange es keinen besseren gibt.
Nehmen wir mal an, der von Ihnen bedauerte "Exi" findet also eine Signatur im Detektor, die nicht vom Monte Carlo beschrieben wird und sich durch Systematiken nicht erklären lässt. Am Ende eines strengen QA-Prozesses wird die Kollaboration dann vielleicht ein Papier veröffentlichen, in dem der Effekt beschrieben wird. Natürlich wird man sicher auch Tests machen, inwieweit der Effekt von marktüblichen Modellen beschrieben werden könnte. Aber die Interpretation was da denn wirklich gesehen wurde, wird in einer breiten Diskussion weltweit zwischen Theoretikern und Experimentatoren geführt werden. Ich verspreche Ihnen, sobald das erste "Evidence" Papier von einem LHC-Experiment kommen wird, gibt es in der nächsten Woche mindestens 100 arXiv preprints von Theoretikern, die diesen Effekt mit genau ihrer Lieblingstheorie erklären können. Das endgültige Verständnis kommt sehr viel später.
Aber für Sie als Stringtheoretiker(anwärter) ist das sowieso ohne Belang, denn bis jetzt gibt es ja überhaupt keine experimentelle Signatur, die Ihnen weiterhelfen würde, nicht wahr?
Zitat: |
Was ein Theoretiker vom Cern sieht, das sind die Seminarräume an der Oberfläche. Definitiv keine Labore, sondern mit Tafel ausgestattete Zimmer. Und in die Theorieseminare trauen sich die Exis leider auch kaum rein, leider. Die Exis sollten da viel mehr machen.... |
Sie haben mich nicht verstanden: Labor bedeutet nicht Beschleunigertunnel; der gesamte CERN ist das Labor. Inklusive seiner Theorieabteilung. Und die ist nicht nur für deren Bewohner strategisch günstig zur Coop-Kantine gelegen. Sondern auch für alle anderen, denn spätestens beim Kaffee sitzt man zusammen und bespricht sich.
nomad. |
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Barney
Anmeldedatum: 19.10.2008 Beiträge: 1538
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Verfasst am: 13.08.2010, 12:28 Titel: |
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Benni hat Folgendes geschrieben: | John Ellis hat mal gesagt: "We don't believe in mini Blackholes". Und an sowas glaubt auch kein ernsthafter Theoretiker (ausser ein paar Spinnern) |
vielleicht läßt sich dieser Prozess irgendwann auch durch astronomische Beobachtungen ausschließen (s.a. http://astronews.com/forum/showthread.php?t=3502).
Gruß |
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ralfkannenberg
Anmeldedatum: 22.02.2006 Beiträge: 4788
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Verfasst am: 13.08.2010, 12:37 Titel: |
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Barney hat Folgendes geschrieben: | Benni hat Folgendes geschrieben: | John Ellis hat mal gesagt: "We don't believe in mini Blackholes". Und an sowas glaubt auch kein ernsthafter Theoretiker (ausser ein paar Spinnern) |
vielleicht läßt sich dieser Prozess irgendwann auch durch astronomische Beobachtungen ausschließen (s.a. http://astronews.com/forum/showthread.php?t=3502). |
Hallo Barney,
ich vermute, dass das schwierig sein wird, da gemäss der derzeitigen Lehrmeinung solche mBH schon nach rund 10^(-26) Sekunden per Hawkingstrahlung zerfallen.
Zwar liefern die LHC-Sicherheitsanalysen gewisse Abschätzungen zum Akkretionsverhalten, aber natürlich nur für den Fall, dass potentielle mBH's eine genügend hohe Lebensdauer aufweisen.
Freundliche Grüsse, Ralf
@mitlesende LHC-Widerstands-Vertreter: Wenn Sie aus meiner obigen Äusserung eine Sicherheitslücke ableiten, so empfehle ich Ihnen, sich mit elementarer Logik zu beschäftigen. |
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Barney
Anmeldedatum: 19.10.2008 Beiträge: 1538
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Verfasst am: 13.08.2010, 12:55 Titel: |
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ralfkannenberg hat Folgendes geschrieben: | ich vermute, dass das schwierig sein wird, da gemäss der derzeitigen Lehrmeinung solche mBH schon nach rund 10^(-26) Sekunden per Hawkingstrahlung zerfallen. |
Hallo Ralf,
ich meinte natürlich stabile mBHs . Trotzdem Danke für den Hinweis.
Gruß |
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Benni
Anmeldedatum: 26.06.2010 Beiträge: 205
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Verfasst am: 13.08.2010, 18:50 Titel: |
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Zitat: | Wirklich nicht??? Oh, lassen Sie mich kurz mal nach nebenan zu unseren Stringtheoretikern gehen. Ich bin gespannt, wie die heute morgen in ihr Büro gekommen sind, wenn Sie Labore nicht betreten. Vielleicht können sie ja schweben? Ist mir allerdings noch nicht aufgefallen....
FYI: Es gibt Teilchenphysiklabore mit Stringtheoriegruppen. Überrascht? Dann haben Sie noch nicht viele Ihrer Kollegen getroffen. Also sind Sie doch Student?
| Wir unterscheiden uns hier in der Definition des Wortes Labor.
Für mich ist ein Labor ein Raum, in dem ein Apparat steht, mit dem man Messungen vornehmen kann. Ein Seminarraum am Cern (die machen da natürlich auch Stringtheorie) ist kein Labor. Sonst müssten sie auch Hörsäle, oder eine ganze Fakultät als Labore bezeichnen.
Zitat: | Natürlich macht das Sinn. Die experimentellen Signaturen sind bei jeder exotischen Physik die gleichen: fehlende Energie und Impuls, viele Jets, hohe Multiplizitäten. Wenn ich das experimentell beherrsche, dann kann ich SUSY Zitat: | oder alles andere nicht bekannte messen | . SUSY ist ein test case solange es keinen besseren gibt. |
In dem von ihnen zitierten Dokument steht aber nichts davon, dass diese Modelle lediglich ein "Testszenario" darstellen würden.
Wenn ein Großexperiment hergeht, und solche abseitigen Modelle dadurch "adelt", dass es sie in offiziellen Proposals für das Experiment verwendet, und erklärt, es möchte diese Dinge nachmessen, dann darf man sich auch nicht wundern, wenn dies irgendwelche Spinner und Cranks auf den Plan ruft, die dann besorgt sind, ob da irgendwelche Gefahren draus entstehen könnten.
Wie sie wissen, können Atome und Elektronen tunneln. Da die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens oft nur an wenigen Stellen exakt null ist, besteht auch eine Wahrscheinlichkeit, dass im nächsten Moment einige Atome an bestimmte Positionen tunneln und sich zu einem Engel auf der Nadelspitze vereinigen.
Wenn nun ein Consortium einen Detektor baut, und (neben dem eigentlichen Zweck der Klärung der spontanen Elektroschwachen Symmetriebrechung), behauptet, es wolle die Effekte von Engeln auf der Nadelspitze nachmessen, dann ist das zunächst mal nicht sonderlich seriös. Ausserdem muss man sich dann nicht wundern, wenn irgendwelche Laien die keine Ahnung haben dann hergehen und Fragen, ob die Engel auf den Nadelspitzen durch die Messung nicht irgendwie aggressiv werden würden und dies gefährlich sein könnte...
Das Thema in diesem Thread ist der ILC. LHC Daten kommen ja in den nächsten 5 bis spätestens 10 Jahren. Man weiss, das die für die Brechung der elektroschwachen Symmetrie verantwortliche Physik sich im Energiebereich des LHC befinden muss.
Nur weiss man eigentlich überhaupt nicht, was man da sehen wird. Es macht also Sinn, die Detektoren des ILC erst dann detailliert zu planen, wenn man ein paar LHC Daten hat. Denn dann weiss man, was die Maschine besonders genau messen können muss.
Es macht wenig Sinn, und ist auch nicht sonderlich seriös, anhand von Abseitigen theoretischen Modellen wie grossen oder gewarpten Extradimensionen, oder Supersymmetrie den Bau eines Kolliders zu planen. Die 5 Jahre sollte man noch mit der Planung warten. Dann hat man auch etwas Handfestes vom LHC
Zitat: | Inklusive seiner Theorieabteilung. Und die ist nicht nur für deren Bewohner strategisch günstig zur Coop-Kantine gelegen. Sondern auch für alle anderen, denn spätestens beim Kaffee sitzt man zusammen und bespricht sich. | Wie gesagt, Exis sieht man in Stringtheorieseminaren praktisch nie. Würde auch keinen Sinn machen
An dem Begriff Exi sollten sie sich übrigens nicht stören. Den verwenden Theoretiker eigentlich überall in Deutschland. Teilchenphysik wird beispielsweise auch an der GSI in Darmstadt betrieben. Gibt man in google groups die Begriffe Exi und gsi ein, so findet man laufend theoretiker, die den Begriff exi als Abkürzung für Experimentalphysiker verwenden:
http://groups.google.de/group/de.sci.physik/search?hl=de&group=de.sci.physik&q=exi+gsi&qt_g=Diese+Gruppe+durchsuchen
Zitat: | Nehmen wir mal an, der von Ihnen bedauerte "Exi" findet also eine Signatur im Detektor, die nicht vom Monte Carlo beschrieben wird und sich durch Systematiken nicht erklären lässt. Am Ende eines strengen QA-Prozesses wird die Kollaboration dann vielleicht ein Papier veröffentlichen, in dem der Effekt beschrieben wird. Natürlich wird man sicher auch Tests machen, inwieweit der Effekt von marktüblichen Modellen beschrieben werden könnte. Aber die Interpretation was da denn wirklich gesehen wurde, wird in einer breiten Diskussion weltweit zwischen Theoretikern und Experimentatoren geführt werden. Ich verspreche Ihnen, sobald das erste "Evidence" Papier von einem LHC-Experiment kommen wird, gibt es in der nächsten Woche mindestens 100 arXiv preprints von Theoretikern, die diesen Effekt mit genau ihrer Lieblingstheorie erklären können. Das endgültige Verständnis kommt sehr viel später. | Es mag sein, dass die Realität so aussieht. Aber dann sollte man der Ehrlichkeit halber in dem von ihnen angegebenen Dokument: http://ilcdoc.linearcollider.org/record/6321/files/ILC_RDR_Volume_2-Physics_at_the_ILC.pdf
Die Kapitel 2.3, 2.4, 5, 6.2, 6.3.3, 6.4.3, 6.4.4, 7.1.2, 7.1.3, 7.2.1 streichen, und sich auf das konzentrieren, was noch realistisch erscheint.
Ausserdem sollte man, wie gesagt, warten mit der detailierteren Planung des ILC.
Was man ja sicher hat, sind die Kapitel 3 und 4, wo gesagt wird, dass man bei der bisher bekannten Physik noch etwas genauer nachmessen sollte. Vermutlich wird eine noch unbekannte Physik dazukommen über die man bisher aber nichts weiss. Deswegen sollte man zunächst warten, damit man den zukünftigen Collider auf dieses weitere Modell hin optimieren kann. |
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ralfkannenberg
Anmeldedatum: 22.02.2006 Beiträge: 4788
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Verfasst am: 14.08.2010, 11:17 Titel: |
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Benni hat Folgendes geschrieben: | Was man ja sicher hat, sind die Kapitel 3 und 4, wo gesagt wird, dass man bei der bisher bekannten Physik noch etwas genauer nachmessen sollte. Vermutlich wird eine noch unbekannte Physik dazukommen über die man bisher aber nichts weiss. Deswegen sollte man zunächst warten, damit man den zukünftigen Collider auf dieses weitere Modell hin optimieren kann. |
Hallo Benni,
nimm es mir bitte nicht übel, aber dieses Argument tönt für mich nach einer Wissenschaftsverweigerung mit der Strategie, möglichst viel Zeit zu verzögern. Selbstverständlich gehe ich davon aus, dass Du das so nicht meinst; dennoch sei darauf hingewiesen, dass bereits zu Beginn der Diskussion - also vor Eurem "Theoretiker/Exi-Streit" - begründet wurde, warum es einen Beschleuniger vom Typ des ILC beraucht.
Ein von Dir o.g. "Zuwarten" würde also kostbare Zeit unnötig verschwenden.
Freundliche Grüsse, Ralf |
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Benni
Anmeldedatum: 26.06.2010 Beiträge: 205
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Verfasst am: 14.08.2010, 17:34 Titel: |
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Zitat: | Ein von Dir o.g. "Zuwarten" würde also kostbare Zeit unnötig verschwenden.
| Nein. Es würde die Begründung für den ILC seriöser machen. Immerhin tritt man ja bei einem solchen Projekt an Steuerzahler heran. In einem Design Report für ein Milliardenprojekt dutzendfach zu sagen man wolle Extradimensionen überprüfen ist anhand der unplausibilität dieser Dinge einfach Unseriös. Wenn man dem Steuerzahler sagt, er soll mal bitte Milliarden für etwas ausgeben, dann hat dieser auch das Recht, eine ehrliche Begründung zu bekommen wofür denn nun Geld ausgegeben werden soll. Und die kann man momentan nicht so richtig geben. Zitat: | ; dennoch sei darauf hingewiesen, dass bereits zu Beginn der Diskussion - also vor Eurem "Theoretiker/Exi-Streit" - begründet wurde, warum es einen Beschleuniger vom Typ des ILC beraucht. | Es ist nicht gesagt, dass der Higgsmechanismus in dieser Form existiert. Auch dieses Modell hat genügend intrinsische Probleme. Bevor man an den Steuerzahler herantritt, sollte man den ILC wenigstens seriös begründen können. Zitat: | Ein von Dir o.g. "Zuwarten" würde also kostbare Zeit unnötig verschwenden. | Fünf Jahre sind bei den langen Zeiträumen die es braucht einen solchen Kollider zu planen und zu bauen keine sonderlich lange Zeit.
Ausserdem bringt es nichts, Detektoren auf Modelle und Theorien hin zu optimieren, die unplausibel sind. In dem von nomad angegebenen report betrifft dies auch "nur" die Kapitel l 2.3, 2.4, 5, 6.2, 6.3.3, 6.4.3, 6.4.4, 7.1.2, 7.1.3, 7.2.1. Das ein Milliardenprojekt wie der ILC mit so vielen völlig abwegigen Hypothesen begründet werden soll, ist aus meiner Sicht ein Novum und nicht seriös. Das sollten Physiker schon sinnvoller hinbekommen.
Dazu muss man aber auf die LHC Ergebnisse warten, die ja praktisch direkt vor der Tür stehen. Da noch etwas abzuwarten sollte kein Problem sein. |
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973
Anmeldedatum: 01.05.2010 Beiträge: 502 Wohnort: 973
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Verfasst am: 14.08.2010, 18:59 Titel: |
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Benni: Geräte sind immer gut. Und wenn du nichts gezieltes hast, was dir jemand vorgibt, arbeitest du halt 'zweckfrei', eigene Projekte.
Als ich in Siegen anfing zu studieren, war da eine Sternwarte, nur ewig nicht benutzt. Ich hab dann oft kleine Planeten beobachtet. Viel kann man in Europa nicht machen, aber Astrometrie zBsp geht. Später in Gôttingen dasselbe, dort war sogar ein guter Astrograph vorhanden, der aber nur fürs Praktikum benutzt wird, hab' ich dann auch oft benutzt.
Auch da, was man am wenigsten gebrauchen könnte, aber zum Glück noch nicht aufkreuzten, sind Leute die gegen Teleskope demonstrieren. Denkbare Gefahren bestehen ja überall, zBsp könnte das gegengewicht abbrechen und dir auf den Kopf fallen, und Leute wie Rösler berechnen dafür sicherlich auch eine Wahrscheinlichkeit.
Also, irgendwelche Ideen zum noch im Rahmen der Situation sinnvollem beobachten gibt es immer. Und wenn andere keine haben, gut und mehr Zeit für dich um für deine Ideen das Gerät zu benutzen. Laß die mal alle geplanten Geräte bauen. |
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Benni
Anmeldedatum: 26.06.2010 Beiträge: 205
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Verfasst am: 14.08.2010, 19:31 Titel: |
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Zitat: | Benni: Geräte sind immer gut. Und wenn du nichts gezieltes hast, was dir jemand vorgibt, arbeitest du halt 'zweckfrei', eigene Projekte. | Geräte werden aus Steuergeld finanziert. Und wenn jemand ein Teleskop bauen will, und in seiner Begründung angibt, er will damit mehrheitlich Marsmännchen beobachten, oder sonst etwas unplausibles, was man kaum finden wird, dann ist dies nicht seriös. Und es entspricht auch nicht den normalen Regeln, die eigentlich gelten sollten, wenn Anträge auf Großgeräte gestellt werden. Großforschungsanlagen sind kein nutzloses Spielzeug. Wenn der Staat dafür Steuergeld ausgeben soll, dann hat er auch ein recht, dass man ihm erklärt, wofür man dieses Geld ausgeben wird. Hypothetische Phantasiebegründungen (z.B. die häufige Erwähnung von Extradimensionen oder Parallelwelten) schaden da nur. Die Suche nach grossen Extradimensionen ist nämlich Verschwendung von Steuergeld und nichts weiter.
Ausserdem bringt es nichts, einen Detektor detailliert zu planen, wenn man keine Ahnung von der Physik hat, die für die Brechung der elektroschwachen Symmetrie verantwortlich ist. Und dies ist hier leider der Fall. Wenn man also erst auf die LHC Daten wartet, so wird die Begründung für einen eventuellen ILC nur seriöser und stichhaltiger. Ausserdem kann man die Detektoren dann auf genau das hin optimieren, wofür man die Präzisionsmessungen durchführen muss. |
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ralfkannenberg
Anmeldedatum: 22.02.2006 Beiträge: 4788
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Verfasst am: 14.08.2010, 21:09 Titel: |
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Benni hat Folgendes geschrieben: | Die Suche nach grossen Extradimensionen ist nämlich Verschwendung von Steuergeld und nichts weiter. |
Hallo Benni,
letztlich ist jede Forschung eine Verwendung und schlimmstenfalls Verschwendung von Steuergeldern.
Und wenn Du siehst, was 973 mit den Mitteln, die er vorfand, beachtliches erreicht hat - teils auch mit der Idee, gezielt nach rückläufigen Planetoiden zu suchen, lohnt sich ein solcher Ansatz.
Benni hat Folgendes geschrieben: | Wenn man also erst auf die LHC Daten wartet, so wird die Begründung für einen eventuellen ILC nur seriöser und stichhaltiger. |
Das klingt danach, dass es Dir primär um die Begründbarkeit geht. Dann aber kann man jetzt schon mit der Planung anfangen und die Begründung "nachliefern".
Benni hat Folgendes geschrieben: | Ausserdem kann man die Detektoren dann auf genau das hin optimieren, wofür man die Präzisionsmessungen durchführen muss. |
Na ja, aber dieses Argument ist irgendwie pauschal, das kann man immer vorbringen ...
Freundliche Grüsse, Ralf |
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973
Anmeldedatum: 01.05.2010 Beiträge: 502 Wohnort: 973
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Verfasst am: 15.08.2010, 02:38 Titel: |
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Benni hat Folgendes geschrieben: | Geräte werden aus Steuergeld finanziert. |
Genau. Wenn sie einmal da sind, ist es besser, sie 'irgendwie' zu nutzen als überhaupt nicht.
Ich versteh gar nicht, warum du dich da aufregst ... Laß sie doch Geräte für Marsmännchen oder sonstwas was es nicht gibt beantragen. Die Benutzung wird dann schnell nachlassen, und du bekommst Beobachtungszeit für dein Projekt.
Du siehst das alles zu pessimistisch. Ich meine ja auch, daß viel der Theorie Müll ist. Aber das spricht nicht dagegen, allgemein immer bessere Geräte zu bauen. Im "un"günstigsten Fall: wenn die ganze Theorie zusammenbricht, einfach drauf losbeobachten. Irgend was wird dann schon gefunden werden.
A.Mrkos in Klet hatte eine Assistentin, Z.Vavrova. Einmal hat sie mir gesagt, sie hat Agronomie studiert und abgeschlossen, hat das dann mit Astronomie verwechselt und so die Stelle angenommen. Sie hat sich dort gut eingelebt, viele kleine Planeten entdeckt und viele astrometrische Beobachtungen produziert. Er selbst war übrigens auch sehr flexibel, hat an geophysikalischen Expeditionen teilgenommen, u.a. lange in der Antarktis, usw.
Sollten keine Higgs-Teilchen gefunden werden, aber irgendwas anderes unverhofftes, gut für die Forschung, und freuen sich auch alle, inkl. der Entdecker; um die gestorbene Theorie wird dann kaum jemand trauern. Es kommt oft vor in den Wissenschaften, daß oft ganz andere Sachen gefunden werden als gesucht. Na und ?? Das Risiko überhaupt nichts zu finden, ist nahezu Null. Und so findet man wenigstens gleich realistische Sachen.
Wenn man zBsp im Sonnensystem Planetoiden nur da sucht, wo man der Theorie nach am meisten finden sollte, findet man nur ganz ärmliche schwache
Womit man vorsichtig sein sollte und abwartend, sind mit Theorien über Theorien über Theorien. Aber beim Beobachten kann eigentlich wenig schiefgehen; was man sicher beobachtet, gibt es meist auch.
Und noch eine Warnung: das wenigste was man beim Beobachten gebrauchen kann, ist, pessimistische Leute dabeizuhaben. Da geht schnell jede Animation kaputt, und dann nur alles schief. In der Amateur-Zeit, als wir oft rausfuhren um streifende Sternbedeckungen zu beobachten, hatten wir einen der sagte oft: "Da hinten kommen Wolken". Das frustriert unheimlich. Den haben wir bald garnicht mehr mitgenommen. |
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Benni
Anmeldedatum: 26.06.2010 Beiträge: 205
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Verfasst am: 15.08.2010, 19:08 Titel: |
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Zitat: | Ich versteh gar nicht, warum du dich da aufregst ... Laß sie doch Geräte für Marsmännchen oder sonstwas was es nicht gibt beantragen. Die Benutzung wird dann schnell nachlassen, und du bekommst Beobachtungszeit für dein Projekt. Irgend was wird dann schon gefunden werden. | Das gilt vielleicht in der Astronomie (und auch da gilt es nicht richtig. Kleine Teleskope, wie sie dutzendfach in deutschen Sternwarten stehen, sind für die Wissenschaft inzwischen auch nicht mehr nutzbar, und sollten dementsprechend auch nicht mit Steuergeldern gebaut werden).
In der Teilchenphysik gibt es aber nur recht wenige Teilchen. Zitat: | Sollten keine Higgs-Teilchen gefunden werden, aber irgendwas anderes unverhofftes, gut für die Forschung, und freuen sich auch alle, inkl. der Entdecker; um die gestorbene Theorie wird dann kaum jemand trauern. | Man merkt, dass sie kein Teilchenphysiker sind.
Die Physik, welche für die Elektroschwache Symmetriebrechung verantwortlich ist, wird ja wohl schon vom LHC gefunden werden. Der ILC ist eine Maschiene, die diese Physik vor allem präziser nachmessen kann. Findet der LHC aber zum Beispiel gar nichts, braucht man auch nicht präziser nachmessen.
Ausserdem ist es ratsam, die neue Physik erst im Groben zu kennen, bevor man einen neuen Detektor plant, der die Messungen des LHC präzisieren soll
Zitat: | Sollten keine Higgs-Teilchen gefunden werden, aber irgendwas anderes unverhofftes, gut für die Forschung, | Ganz genau. Aber für diesen Job reicht der LHC aus. Der ILC ist vor allem als Präzisionsgerät gedacht, welches die Messungen des LHC verbessern soll.
Zitat: | Womit man vorsichtig sein sollte und abwartend, sind mit Theorien über Theorien über Theorien. |
Richtig. Aber in dem von nomad verlinkten pdf wird der ILC leider zum großen Teil mit nachweislich abseitigen Theorien begründet, die enorme intrinsische Probleme haben, weswegen sie nicht wahrscheinlich sind.
Zitat: | Aber beim Beobachten kann eigentlich wenig schiefgehen; was man sicher beobachtet, gibt es meist auch. | Mag sein, aber wenn man mit einem Teleskop mit 150 millimeter Öffnung gar nichts sieht, dann lohnt es sich auch nicht, mit einem 200 Millimeter Teleskop die selbe Region zu betrachten. So in etwa ist der Vergleich LHC und ILC.
Und dann, wenn man mit dem 150 millimeter Teleskop etwas interessantes sieht, das besser erforscht werden sollte, so sind diese Beobachtungen in der Regel sinnvoll um das Zubehör für das 200 Milimeter Teleskop gut zu planen (Nebelfilter, etc).
Aus diesem Grunde sollte man erst abwarten, ob man mit dem kleinen Teleskop überhaupt irgendwas in dieser Region sieht, und man sollte dann schauen, was man damit sieht, bevor man ein Gerät anschafft, welches die Entdeckungen präziser vermessen soll.
So ist die Sache mit dem ILC. Man sollte erst auf den LHC und seine Ergebnisse warten, und den ILC dann anhand dieser Daten konstruieren. Erst so kann man auch eine seriöse Bauempfehlung machen, die nicht auf abseitigen theoretischen hypothesen wie grossen Extradimensionen beruht.
Die LHC Ergebnisse kommen ja in den nächsten 5 Jahren. Bei einer Bauzeit von 20 Jahren kann man diese 5 Jahre auch noch warten.
Zitat: | Und noch eine Warnung: das wenigste was man beim Beobachten gebrauchen kann, ist, pessimistische Leute dabeizuhaben. | Beschläuniger sind keine Amateurteleskope, die man mal so aus spass an der Freude betreibt. Es handelt sich um Milliardenprojekte, die entsprechend gut begründet sein müssen.
Wie gesagt, Astronomische Objekte gibt es viele, Teilchensorten gibt es viel weniger. Die Regel "irgend etwas wird schon gefunden werden" gilt für Beschläuniger nicht mit dem Automatismus wie bei einem Teleskop. |
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973
Anmeldedatum: 01.05.2010 Beiträge: 502 Wohnort: 973
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Verfasst am: 15.08.2010, 20:14 Titel: |
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Du beklagst iW, daß Geräte teuer sind, daher solle man möglichst zurückhaltend welche bauen. Ich argumentiere dagegen, daß sowieso relativ schnell (verglichen mit Planung, Durchführung) erstens sich die physikalischen und technischen Möglichkeiten ändern (technischer Fortschritt), ferner daß sich ebenfalls schnell die wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten (inkl. Prestige, Situation bis 1990) und Interessen (sowohl national als weltweit) ändern, aber daß dies ein allgemeines Problem der Forschung (leider auch der -finanzierung) ist, ebenso das Risiko daß eine Theorie falsch ist (es wohlmöglich gar kein Higges-Teilchen gibt) aber überprüft werden muß, und daß man deshalb immer flexibel sein muß -- insbesondere Geräte ggf. auch anders als anfangs geplant benutzen muß, übrigens auch ganz in deinem Sinne, Steuern sinnvoll einzusetzen. Das spricht auch für die zweckfreie Forschung, einschließlich vorhandene Instrumente dann 'irgendwie' zu nutzen, notfalls drauflosbeobachten.
Es ist allgemein in der Menschheitsgeschichte so, das irgendwas wegen Interesse oder Situation X gemacht (meist auch zweckgebunden finanziert) wurde, danach aber zum Zweck Y weiterbenutzt wird. Solche kurzzeitigen Interessen sorgen aber dafür, daß überhaupt was gemacht wird. Daher meine Anmerkung, laß sie doch Geräte zum Finden von Marsmännchen, Higges-Teilchen usw bauen, die dann für andere Projekte vorhanden sind; laß doch viel Geld zBsp für Forschung und Technik ins militärische gehen, danach findet aber doch kein Krieg statt bzw. ganz andersartig als erwartet oder die weltweiten Konstellationen ändern sich und alles wird von zivilem Nutzen; usw.
Mit den wenigen Mitteln, die ich damals hatte, habe ich nicht wahrlos kleine Planeten beobachtet, sondern soweit der Umstände möglich, solche, die etwa für Berechnung von Massen, oder zur Verbesserung des Fundamentalsystemes verwendet wurden, und dann auch selbst solche Rechnungen gemacht. Das sind eher helle Planetoiden, die aber außer allgemein an Stellen beobachtet werden sollten (etwa an Seiten oder Kreuzpunkten der Oppositionsschleifen), die die Trennung der dabei auftretender Unbekannten verbessern. Das ist ein Beispiel für sinnvolle Arbeiten, die uneingeschränkt auch in Europa gemacht werden konnten.
In den letzten 10 Jahren wurden relativ viele alte Teleskope mit CCD ausgerüstet, und sind dadurch wieder in Europa Arbeiten möglich, die es zwischenzeitlich nicht waren. Unabhängig davon wurde der GPO-Astrograph in Chile abgebaut. Dies war während Jahrzehnten ein Gerät, mit dem billig relativ genaue sekundäre Astrometrie gemacht und Kleinkörper des Sonnensystemes entdeckt und verfolgt wurden. Solche Beobachtungen sind teuer und beschränkt von Satelliten aus, billig dagegen durch aufgerüstete Instrumente in Europa machbar.
Genau in deinem nächsten Punkt habe ich eben eine andere Einstellung. Wird von einem Gerät nichts gefunden, findet dieses oder ein besseres Gerät oft irgendwas anderes. Oder schließt durch Nichtfinden Theorien aus. Wenn der LHC kein Higges-Teilchen findet, muß man noch mal mit dem ILC genauer nachsehen, ob auch wirklich keins da ist.
Es ist klar, daß man manchmal ein Gerät zunächst für eine bestimmte Arbeit spezialisieren muß, das soll man auch, will man effektiv Mittel einsetzen und arbeiten. Aber daneben oder danach läßt es sich auch noch für andere Arbeiten einsetzen, ggf. mit zusätzlicher Ausrüstung, oder nach Modifizierung.
Man könnte auch umgedreht fragen: wenn der LHC kein Higges-Teilchen findet, willst du dann garnichts mehr bauen, und die Physik ruhen lassen ? Es gibt sicherlich noch mehr zu tun, als nur das Higges-Teilchen zu suchen. |
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ralfkannenberg
Anmeldedatum: 22.02.2006 Beiträge: 4788
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Verfasst am: 16.08.2010, 09:14 Titel: |
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Benni hat Folgendes geschrieben: | Mag sein, aber wenn man mit einem Teleskop mit 150 millimeter Öffnung gar nichts sieht, dann lohnt es sich auch nicht, mit einem 200 Millimeter Teleskop die selbe Region zu betrachten. So in etwa ist der Vergleich LHC und ILC. |
Hallo Benni,
nicht unbedingt - nehmen wir doch beispielhaft folgendes Projekt: Hier wurde versucht, Sedna-ähnliche Körper aufzufinden. Ok, ein Stück weit war schon zu erwarten, dass man da nicht allzuviel finden würde und die Ressourcen waren leider auch sehr beschränkt.
Und tatsächlich:
Zitat: | No additional Sedna-like bodies with perihelia beyond 70 AU were found despite a sensitivity to motions out to ∼1000 AU. We place constraints on the size and distribution of objects on Sedna orbits.
(...)
We have limited our model population to bodies residing specifically on orbits similar to Sedna’s. Any realistic Sedna population likely occupies amuch larger region of orbital space, possibly including objects with sufficiently high perihelia that they would never or rarely become bright enough to see. Our results represent a lower limit on the size distribution of bodies in the regions beyond ∼100 AU. |
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, denn:
Zitat: | A total number of 53 Kuiper Belt objects and Centaurs have been detected, 25 of which were discovered in this survey.
(...)
2007 OR10 was detected moving at 1."4 hr^(−1) at a barycentric distance of 85.369 ± 0.004. With an R magnitude of 21.4, this object is almost a full magnitude fainter than Sedna (R = 20.7). |
Mit 2007 OR10 ist denen noch mal so ein richtig schöner grosser Brocken der 1000 km-Klasse (Top 10 !!) ins Netz gegangen, der mit der systematischen Durchmusterung aufgrund seiner geringfügig zu schwachen Helligkeit nicht entdeckt werden konnte. Allein dessen Entdeckung dürfte den Aufwand gerechtfertigt haben.
Freundliche Grüsse, Ralf |
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973
Anmeldedatum: 01.05.2010 Beiträge: 502 Wohnort: 973
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Verfasst am: 16.08.2010, 18:23 Titel: |
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Viele relativ helle neue Objekte werden in der letzten Zeit auch entdeckt, indem man unlogischerweise weit von der Ekliptik entfernt beobachtet.
Die Stellen die ich fotografierte, sind im Mt. Palomar und ESO Sky Atlas enthalten. Dabei wurden dort keine hellen Planetoiden gefunden. Als ich mit einem kleineren Gerät dorthin fotografiert habe, waren da welche ... Also, die Zeiten ändern sich. Und die Experimente lassen sich sicherlich leicht modifizieren.
ZBsp das Material was man benutzt. Beim Beschießen von Kernen mit Neutronen wurden schwerere Kerne erzeugt - ab einer bestimmten Größe geschah aber was unerwartetes nämlich sie brachen auseinander.
Da sollte etwas Einfallsreichtum herrschen, Versuche etwas zu variieren.
So wie ich das sehe, können die Teilchenphysiker von den Astronomen lernen, mal mehr einfach drauf los zu beobachten ... |
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