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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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Verfasst am: 24.01.2015, 14:17 Titel: Gravitationswellen - noch eine Verständnisfrage |
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Hallo nochmal,
ich finde die Suche nach Gravitationswellen richtig spannend, besonders da da so viel Aufwand getrieben wird, z.B. 4 km lange Kanäle, in denen man Abstandsschwankungen um einiges kleiner als der Durchmesser eines Atoms feststellen kann, Messungen in der eisigen Antarktis... ist das eigentlich sicher, daß die da nur Staub gesehen haben und keine Gravitationswellen? Schade, daß der LISA Satellit gecancelt wurde...
nun, meine Frage ist, wenn Licht sich den Raumzeitkrümmungen durch Gravitationsfelder "beugt", sind dann Gravitationswellen überhaupt messbar? Weil wenn sozusagen alles - wie bei Teilchen auf einer Wasserwelle - der Bewegung (den Auslenkungen) der Gravitationswelle folgt, inklusive der Photonen / Lichtwellen, dann vielleicht auch die Messgeräte und die Atome aus denen sie zusammengesetzt sind auch und ein Unterschied wäre nicht erkennbar? An welcher Stelle wird der Unterschied also sichtbar?
ich vergleiche das (z. Zt. noch) mit einem 2-d Wesen was sich auf einer (unendlich dünnen) Geraden bewegt, die sich zu einem Kreis gebogen hat. Die Länge der Geraden ändert sich dabei ja nicht (oder?) und da es oben und unten nicht kennt wundert es sich nur, daß es irgendwann wieder am Startpunkt ankommt. Daß die Gerade gekrümmt wurde hat es nicht "bemerkt" bzw. konnte es mit seinen 2-d Messgeräten nicht messen. _________________ Mit freundlichem Gruße
das photon |
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Herr Senf
Anmeldedatum: 12.05.2012 Beiträge: 249
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Verfasst am: 24.01.2015, 15:14 Titel: |
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Hallo photon, so geht's
wenn man sich einen großen Kreis z.B. aus Testmassen vorstellt, so wird der durch eine Gravitationswelle zur Ellipse verformt.
Nun braucht man in diesem Kreis nur zwei senkrechte Interferometer-Arme, die werden unterschiedlich gestaucht oder gestreckt.
Im Ergebnis wertet man die Phasenverschiebung zwischen den beiden Längen zB 4km(+) und 4km(-) aus wie beim Michelson-Interferometer.
Grüße Senf _________________ ich muß auch mal was dazu sagen |
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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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Verfasst am: 24.01.2015, 15:28 Titel: |
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Hallo Herr Senf,
eine simple, sehr einleuchtende Erklärkung, danke! Doch da würde ich gerne nochmal nachhaken. Diese Stauchung / Streckung, genau darauf beziehe ich mich. Wenn sozusagen 1 m 1m bleibt, obwohl die Gravitationswelle die Raumzeit gestaucht / gestreckt hat, dann ist zwar real die Raumzeit auf dem einen Arm länger bzw. kürzer als auf dem anderen, doch da die Gravitationswelle gleichzeitig alle Objekte und Lichtwellen in ihr, also auch die Interferometer mit gestaucht / gestreckt hat (so der mglw. irrige Gedanke) würde man die Phasenverschiebung nicht messen - obwohl die Gravitationswelle passiert war.
Plakativ ausgedrückt: das Lineal wurde zwar verbogen doch für uns erschien es trotzdem grade, da wir selbst und das Lineal "Teil" der Raumzeit sind / wären. _________________ Mit freundlichem Gruße
das photon |
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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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Verfasst am: 25.01.2015, 15:48 Titel: |
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weiß jemand eine Antwort? Also gibt es für meine Überlegung (bzgl. der Möglichkeit der Nicht-Messbarkeit von Gravitationswellen (Annahme: Gravitationswellen sind existent)) überhaupt eine physikalische Grundlage oder bin ich da auf dem Holzweg. Wenn unbekannt bitte auch antworten, dann mache ich mir noch ein paar Gedanken dazu _________________ Mit freundlichem Gruße
das photon |
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Herr Senf
Anmeldedatum: 12.05.2012 Beiträge: 249
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Verfasst am: 25.01.2015, 17:38 Titel: kompliziert unverständlich wie die Fragen |
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Hallo photon, die Antwort geht so
in der Frage versteckt sich die Vermutung, daß sich die Koordinaten freier Testteilchen im Gravitationsfeld nicht ändern - das ist so.
Der "Testkreis" von Teilchen schwingt aber trotzdem senkrecht zur Ausbreitung von Gravitationswellen, Teilchen werden beschleunigt.
Das liegt an der Zeitabhängigkeit des "metrischen Tensors", es ändern sich die relativen Abstände der Teilchen - ist auch so.
Man kann es anders so sagen:
das Koordinatenintervall (Δx)² zwischen den Teilchen bleibt konstant, der physikalische Abstand ist aber das räumliche Linienelement (Δl)².
Der lineare Ansatz in der Minkowski-Metrik kommt dann zum Ergebnis Δl = (1-h11) * Δx , Komponenten des Krümmungstensors R sind ≠0.
Noch einfacher, wir haben in der Gravitationswelle ganz schwache Felder, deshalb bleiben Längenmaßstäbe und Uhren konstant.
Ich denke, jetzt sind alle Klarheiten beseitigt - Grüße Senf _________________ ich muß auch mal was dazu sagen |
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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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Verfasst am: 25.01.2015, 19:26 Titel: |
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Hallo Herr Senf,
wenn mit Linienelement die Raumkrümmung (Biegung entlang der Linie zwischen den Teilchen) gemeint ist, die "uns" gerade erscheint denke ich, habe ich in etwa verstanden was du meinst. Was dann gemessen wird ist also die Krümmung dieses Linienelements, richtig? Und wenn ja, wie wird das dann gemessen. Du meintest eingangs, daß der Phasenunterschied gemessen wird, wird dieser durch die Krümmung geändert bzw. wandert die Lichtwelle entlang der Krümmung und legt daher einen etwas längeren/ kürzeren Weg zurück als die interferierende Welle deren Weg durch die Gravitationswelle nicht geändert wurde? _________________ Mit freundlichem Gruße
das photon |
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Herr Senf
Anmeldedatum: 12.05.2012 Beiträge: 249
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Verfasst am: 25.01.2015, 22:59 Titel: so umständlich auch wieder nicht |
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Hallo photon,
die Gravitationswelle bewirkt eine Oszillation des Krümmungstensors, was zur periodischen Beschleunigung und Auslenkung der Testteilchen im gedachten Kreis führt.
Zur Messung nimmst du zwei frei bewegliche Spiegel X+Y um 90° versetzt auf einem möglichst großen Kreisumfang, im Mittelpunkt O ist der halbdurchlässige Spiegel für die Interferenz.
Wichtig ist, daß die Spiegel "mit dem Raum wackeln können", sie dürfen also untereinander nicht starr verbunden sein, der Radius O-X bzw O-Y sollte auch größer als 1 km sein.
Wenn Y in Richtung O gestaucht wird, wird X gestreckt und umgekehrt, wir bekommen anstelle des Kreises eine rotierende Ellipse mit der Frequenz der Gravitationswelle.
Wenn die Detektoren hoffentlich bald die erforderliche Empfindlichkeit haben, würden wir ein sich periodisch veränderndes Interferenzmuster beim Durchgang einer Welle sehen.
Grüße Senf _________________ ich muß auch mal was dazu sagen |
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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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Verfasst am: 26.01.2015, 14:14 Titel: |
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Hallo Herr Senf und alle,
habe noch ein paar kleinere Fragen bzgl. des Interferometer Experiments.
1. habe mal gehört, daß Gravitationswellen nur messbar sind wenn das sie auslösende Ereignis nicht symmetrisch (oder zentralsymmetrisch) ist. Was heißt das: werden im symmetrischen Fall keine Grav.wellen erzeugt oder sind die dann nur nicht messbar weil beide Testmassen im gleichen Maße ausgelenkt würden?
und daran anschließend:
2. spielt die Ausrichtung des Interferometers gegenüber der eintreffenden Gravitationswelle keine Rolle und wenn dem so ist, wieso nicht?
3. ab welcher Energie / Masse (z.B. bei einem Stoß zweier Objekte wie im Teilchenbeschleuniger) wäre bei idealer Nähe zum (künstlich erzeugten) Ereignis eine Gravitationswelle - mit heutigen Mitteln - überhaupt messbar. Wäre also mein Vorschlag mit dem LHC theoretisch durchführbar oder läge die Wirkung dabei ettliche Größenordnungen unter dem was messbar wäre?
bitte nur so ausführlich antworten wie dir / euch zeitlich möglich ist (ich erwarte keine formalen Begründungen wie z.B. in Barney's Thread). Bei einigen Fragen reichen ja sicherlich auch reine Zahlenwerte bzw. ein ja oder nein mit vielleicht kurzer Begründung. Evtl. auch (nicht zu theoretische) Links zum lesen _________________ Mit freundlichem Gruße
das photon |
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Barney
Anmeldedatum: 19.10.2008 Beiträge: 1538
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Verfasst am: 29.01.2015, 09:35 Titel: |
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Hallo Photon,
photon hat Folgendes geschrieben: | Messungen in der eisigen Antarktis... |
da tummeln sich doch eher die Neutrino-Experten? Gravitationswellenforscher wäre da meines Wissens nach neu und vermutlich eher fehl am Platz.
Zitat: | Schade, daß der LISA Satellit gecancelt wurde... |
Nicht ganz. In Europa gibt es ja relativ langfristige Pläne für die Weiterführung dieses Projektes: http://www.einstein-online.info/vertiefung/eLISA
MfG |
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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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Verfasst am: 29.01.2015, 12:02 Titel: |
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Hallo Barney,
das im physicsworld Artikel erwähnte BICEP2 Experiment:
http://de.wikipedia.org/wiki/Background_Imaging_of_Cosmic_Extragalactic_Polarization
ist (war) am Südpol lokalisiert.
Zitat: | Die Anlagen wurden speziell dafür ausgelegt, die sogenannte B-Mode in der CMB zu entdecken, den „Nachhall“ von Gravitationswellen-Signalen im Cosmic Gravitational Wave Background (CGB) aus der frühen inflationären Phase des Universums, die ihre Spuren im Verteilungsmuster der Polarisation der CMB als spezielle „Verwirbelungskomponente“ hinterließen. |
BICEP2 ist allerdings nicht mehr aktuell. BICEP3 läuft wohl dieses Jahr und arbeitet in einem anderen Frequenzbereich (100 GHz).
Von diesem Bild:
http://images.nationalgeographic.com/wpf/media-content/photos/000/809/cache/80992_990x742-cb1403297684.jpg
wurde angenommen, daß es ziemlich genau das wäre was man bei den inflationären Gravitationswellen erwarten würde.
Leider hat sich das wohl nicht bestätigt und die Suche geht weiter.
Über die "Fortsetzung" des LISA Projekts habe ich auch gelesen, allerdings ist das Budget dort nicht so groß, die Satelliten sollen nicht so weit auseinander positioniert werden und es dauert noch bis nach 2030 statt wie ursprünglich geplant viel früher. _________________ Mit freundlichem Gruße
das photon |
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ralfkannenberg
Anmeldedatum: 22.02.2006 Beiträge: 4788
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Verfasst am: 29.01.2015, 16:23 Titel: |
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photon hat Folgendes geschrieben: | das im physicsworld Artikel erwähnte BICEP2 |
Hallo photon,
es ist mir neu, dass man beim BICEP2-Experiment Gravitationswellen gemessen hätte. Man hat "B-Moden" gemessen !
Konkret: es ist gelungen, eine wichtige Komponente der Polarisierung der Hintergrundstrahlung präzise zu messen, und zwar die sogenannten primordialen B-Moden. Damit ist erstmals ein direkter Nachweis der kosmologischen Inflation gelungen. Zudem dient dieses Ergebnis auch als weiterer indirekter Nachweis von Gravitationswellen.
Mittlerweile sind überdies Zweifel an der Interpretation der Daten aufgekommen, aber das ist hier nicht der Punkt: Du referenzierst auf ein Experiment, welches gar keine Gravitationswellen gemessen hat.
Freundliche Grüsse, Ralf |
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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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Verfasst am: 29.01.2015, 17:17 Titel: |
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dann eben der indirekte Nachweis von Gravitationswellen
Zitat: | den „Nachhall“ von Gravitationswellen-Signalen |
bei diesem Thread ist das Thema Gravitationswellen und auch wenn die Wellen indirekt gemessen werden wäre es ja ein Beweis für ihre Existenz gewesen. Es ging sich mir nicht um die B-Moden, für die ich mich noch nicht interessiert habe. Ich bin auf dieses Experiment gestoßen weil Lawrence Krauss es im Bezug auf Gravitationswellen genannt hat und als ziemlich sicheren Beweis für ihre Existenz angab (zumindest solange es noch nicht genauer unter die Lupe genommen war). Ich habe das mit den B-Moden also glatt "überlesen". _________________ Mit freundlichem Gruße
das photon |
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ralfkannenberg
Anmeldedatum: 22.02.2006 Beiträge: 4788
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Verfasst am: 29.01.2015, 20:15 Titel: |
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photon hat Folgendes geschrieben: | dann eben der indirekte Nachweis von Gravitationswellen |
Hallo photon,
das ist ein enorm wichtiger Unterschied, denn der indirekte Nachweis von Gravitationswellen ist schon im Zusammenhang mit Doppel-Pulsaren und meines Wissens auch bei Neutronenstern/Weisse Zwerg-Paaren und Doppel-Weissen Zwergen gelungen.
Freundliche Grüsse, Ralf |
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photon
Anmeldedatum: 11.12.2012 Beiträge: 192
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Verfasst am: 29.01.2015, 21:05 Titel: |
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danke für den Hinweis Ralf, siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/PSR_1913%2B16
Zitat: | Für diesen indirekten Nachweis von Gravitationswellen wurden Hulse und Taylor 1993 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. |
das auf Wiki abgebildete Diagramm
http://de.wikipedia.org/wiki/PSR_1913%2B16#mediaviewer/File:Psr1913%2B16-weisberg.png
würde mir - als Nicht-Physiker - eigentlich schon ausreichen für die Richtigkeit der RT in punkto Abstrahlung von Gravitationsenergie. Wenn diese Gravitationsenerige nur über Gravitationswellen abgestrahlt werden kann wären die G-Wellen für mich faktisch existent _________________ Mit freundlichem Gruße
das photon |
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