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Knut Hacker
Anmeldedatum: 11.09.2011 Beiträge: 28
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Verfasst am: 12.09.2011, 13:01 Titel: Das Denken in seiner Selbstbezüglichkeit |
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Das Denken in seiner Selbstbezüglichkeit
Das Denken ist selbstbezüglich und führt daher letztlich immer zu Zirkeln oder Iterationen.
I Einige dieser logischen Aporien seien hier aufgeführt:
1) Was ist an Wahrheit wahr? Wieso soll Wahrheit wahr und Unwahrheit unwahr sein?
Hier drängt sich das alte Lügnerparadox in seiner Reinform auf:
Ein Zeuge sagt: “Ich lüge.“ Lügt er? Wenn er lügt, dann ist die Aussage „Ich lüge“ gelogen, so dass er die Wahrheit spricht Wenn er aber die Wahrheit spricht, dann ist die Aussage „Ich lüge“ wahr, so dass er lügt.
2) Was ist an Ggegensätzen gegensätzlich? Gäbe es das eine der beiden Gegenteile nicht, wäre das andere bei absoluten Gegensätzen (wie Sein/Nichtsein; Bejahung/Verneinung) ausgeschlossen und bei relativen Gegensätzen (wie Positiv/Negativ; Gut/Schlecht) eine bloße Entität.
3) Was ist denn das, dass etwas ist oder nicht ist?
Das Nichtseiende ist nicht, aber sein Nichtsein ist.
Dass Sein kann nicht sein, ohne sich selbst vorauszusetzen.
Das Nichts kann es nicht geben, ohne doch etwas zu sein.
Das Sein umfasst alles, also auch das Nichts, und das Nichts umfasst alles, also auch das Sein.
Dass Sein kann nicht beschrieben , geschweige denn bewiesen werden, da Beschreibung und Beweis das Sein bereits voraussetzen.
Das Sein kann keinen Grund haben, da Gründe das Sein bereits voraussetzen.
Das Sein kann keinen Zweck (Ziel) verfolgen, da Zweck als etwas bereits Seiendes das Sein bereits voraussetzt.
Außerdem setzt die Verfolgung eines Ziels die Zeit voraus, die ebenfalls als etwas Seiendes das Sein bereits voraussetzt.
Schließlich müsste gefragt werden, warum nicht gleich ist, was erst werden soll!
4) Jedes Ganze ist in Bezug auf das, von dem es umfasst wird, Teil, und jedes Teil ist in Bezug auf seine Teile Ganzes.
Die Grenzen eines jeden Ganzen und eines jeden Teils sind unendlich teilbar. Was sind sie?
4) Was ist Raum, was ist Zeit?
Die Zeit kann keinen Anfang und kein Ende haben, da Anfang bereits und Ende noch etwas Zeitliches sind.
Der Raum kann keine Grenzen haben, da Grenzen eines Raumes räumliche Trennungen sind, also Raum auf beiden Seiten voraussetzen.
5) Welchen Sinn hat Sinn?
6) Welchen Grund haben Gründe?
7) Wie beweist man Beweise?
8) Das Ich kann nicht bewiesen werden, da der Beweis das Ich bereits voraussetzt. „Ich denke, daher bin ich“ (Descartes), aber wie beweise ich, dass ich denke?
II Das Problem ist in der Philosophiegeschichte insbesondere wie folgt thematisiert worden:
1) Die Unmöglichkeit von Letztbegründungen beschreibt Hans Albert (geboren 1921) als „Münchhausen-Trilemma“ wie folgt:
Wenn man „für alles eine Begründung verlangt, muss man auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweils die zu begründende Auffassung … zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangen.“ Das führt zur „Wahl zwischen
1)einem infiniten Regress, der durch die Notwendigkeit gegeben erscheint, in der Suche nach Gründen immer weiter zurückzugehen, der aber praktisch nicht durchzuführen ist und daher keine sichere Grundlage liefert;
2)einem logischen Zirkel in der Deduktion, der dadurch entsteht, dass man im Begründungsverfahren auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, und der ebenfalls zu keiner sicheren Grundlage führt; und schließlich:
3)einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchführbar erscheint, aber eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung involvieren würde.“
2) Der französische Philosoph Gilles Deleuze hat das zentrale Problem des Denkens, die Selbstbezogenheit der Logik, wie folgt charakterisiert:
„ Wenn wir.... einen Satz als Ergebnis einer Schlussfolgerung betrachten, machen wir ihn zum Gegenstand einer Behauptung..., das heißt, wir lassen die Prämissen beiseite und bejahen ihn in voller Unabhängigkeit als solchen.....Dafür aber sind zwei Bedingungen erforderlich. Zunächst müssen die Prämissen als wirklich wahre gesetzt sein; was uns bereits zwingt, die reine Implikationsordnung zu verlassen, um die Prämissen selbst auf einen bezeichneten Dingzustand zu beziehen, den man voraussetzt.Doch selbst wenn wir unterstellen, dass die Prämissen A und B wahr seien, können wir den fraglichen Satz Z daraus nur dann schließen, können wir ihn von seinen Prämissen nur dann ablösen und ihn unabhängig von der Implikation für sich bejahen, wenn wir gelten lassen, dass er seinerseits wahr ist, wenn A und B. wahr sind: Was einen Satz C konstituiert, der in der Ordnung der Implikation bleibt, der diese nicht verlassen kann, da er auf einen Satz D verweist, der besagt, dass Z wahr ist, wenn A, B und C wahr sind... bis ins Unendliche.“
3) „Alles muss durch etwas anderes bewiesen werden, und jede Beweisführung wird sich entweder im Kreise bewegen oder als endlose Kette in der Luft hängen. In keinem Falle lässt sich etwas beweisen.“ ( Timon von Phlieus, 320-230 v. Chr., Schüler des Pyrrhon von Elis )
4) „Wenn nämlich das, aus dem etwas erkannt wird, immer aus etwas anderem erkannt werden muss, so gerät man in die Diallele oder den unendlichen Regress.Möchte man aber etwas, aus dem etwas anderes erkannt wird, als aus sich selbst erkannt annehmen, so widersteht dem, dass … nichts aus sich selbst erkannt wird. Wie jedoch das Widersprüchliche entweder aus sich selbst oder aus etwas anderem erkannt werden könnte, sehen wir keinen Weg, solange sich das Kriterium der Wahrheit oder der Erkenntnis nicht zeigt.“ (Sextus Empiricus, 2. Jh. )
5) „Entweder also muss man alles als wahr oder alles als falsch bezeichnen. Ist aber einiges wahr (einiges gegebenfalls), durch welches Unterscheidungsmerkmal soll man das erkennen?“ ( Pyrrhon von Elis, ca. 360 – 270 v. Chr.; DL IX 92 )
6) Gödels Unvollständigkeitssätze beziehen sich zwar unmittelbar auf mathematische Systeme.Sie lassen sich aber verallgemeinern und – wie in der Systemtheorie – auf alle Systeme beziehen.Das ergibt sich aus der Begründung, dass Aussagen „über“ etwas einer „Über“ - Ebene (Meta-Ebene) bedürfen. Auch das Denken ist ein System und kann sich daher aus sich heraus nicht verstehen. _________________ Welchen Sinn sollte denn Sinn haben? |
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Knut Hacker
Anmeldedatum: 11.09.2011 Beiträge: 28
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Verfasst am: 14.09.2011, 17:19 Titel: |
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Ergänzung zur Selbstbezüglichkeit des Seins-Begriffes ( abstrakteste Form der Selbstbezüglichkeit ):
Das Sein kann nicht anders sein, da die Möglichkeit des Andersseins etwas Seiendes ist und daher nur für Seiendes, nicht für das Sein selbst gelten kann.
Selbst wenn es ein anderes Sein geben könnte, könnte dieses nicht besser sein, da diese Bewertung als etwas Seiendes das Sein bereits voraussetzen würde.
Selbst wenn es ein Sein mit Lebewesen ohne Leid gäbe, wären die Lebewesen dort nicht glücklicher als wir in unserem Sein,weil sie ja das Leid nicht kennen würden und daher keine Vergleichsmöglichkeit mit unserem Sein hätten.Nur Freude wäre nicht positiv sondern normal, Freude oder bloße Abwesenheit von Freude wäre eine bloße Alternative, noch kein Bewertungsverhältnis. _________________ Welchen Sinn sollte denn Sinn haben? |
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pauli
Anmeldedatum: 13.06.2007 Beiträge: 1551
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Verfasst am: 15.09.2011, 01:06 Titel: |
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hm, und ist das alles jetzt gut oder schlecht? |
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Knut Hacker
Anmeldedatum: 11.09.2011 Beiträge: 28
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Verfasst am: 15.09.2011, 17:37 Titel: |
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Ich wollte nahe bringen, dass das, was in der spekulativen Philosophie (und im meditativen Buddhismus ) über Jahrtausende hinweg Ansichtssache ( beziehungsweise spirituelle Erfahrung) war, seit einem Jahrhundert naturwissenschaftlich-experimentelle Unumständlichkeit ist ( „ Das wichtigste philosophische Ereignis unseres Jahrhunderts ist die moderne Physik.“ Werner Heisenberg ):
Das begriffliche Denken, insbesondere das Denken in Gegensätzen ist nicht geeignet, die Natur in ihrer Elementarität zu erfassen.
Dies ist evolutionsbiologisch gut zu erklären: Dieses in der durch den Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften überholte Denken hat sich als Überlebensvorteil zur Orientierung und Behauptung im Alltag entwickelt, für Bereiche außerhalb der unmittelbaren Sinneserfahrung fehlte für eine Weiterentwicklung die Möglichkeit der Adaption und Selektion.
Ich habe dies deshalb zur Diskussion gestellt, weil heute in den Naturwissenschaften wieder eine positivistische Tendenz im Vordringen ist – siehe insbesondere Wigner und Deutsch, wonach die klassische Newtonsche Physik nicht ein Grenzfall der Quantenphysik sei ( wovon deren „Kopenhagener Deutung“ ausgeht), sondern diese in jene zurückgeführt werden könne. _________________ Welchen Sinn sollte denn Sinn haben? |
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galileo2609 Site Admin
Anmeldedatum: 20.02.2006 Beiträge: 6115
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Verfasst am: 15.09.2011, 22:28 Titel: |
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Hallo Knut,
ich finde das wirklich gut, dass wir darüber diskutiert haben.
Grüsse galileo2609 |
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bertram
Anmeldedatum: 14.05.2009 Beiträge: 64
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Verfasst am: 16.09.2011, 06:29 Titel: Nicht verzagen ... |
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Nachts, n den ganz tiefen Gesprächen bei Wein und Bier, ja da kommen sie hoch, die Fragen nach dem Sinn und dem Warum .
Ich hole mich dann mit einem Gedankenspiel zurück in mein naives Hier und Jetzt :
Angenommen , wir Menschlein sind jetzt 2 Mio Jahre alt und haben noch 5000 Mio Jahre vor uns. Im Schulbetrieb wären wir dann bestenfalls gerade mal im Vorschulalter.
Das kleine 1x1 und das große ABC hätten wir vielleicht schon intus.
Und dann stellen wir uns hin und fragen unsere Erzieher : Wie funktioniert Differentialgeometrie und erklären Sie uns doch mal eben die gekrümmte vierdimensionale Raumzeit.
Dann bin ich schlagartig wieder ganz nüchtern und bescheiden und kümmere mich ums Große 1x1 und das Kleine ABC.
Nix für ungut,
bertram |
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Knut Hacker
Anmeldedatum: 11.09.2011 Beiträge: 28
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Verfasst am: 16.09.2011, 19:47 Titel: Re: Nicht verzagen ... |
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bertram hat Folgendes geschrieben: |
Dann bin ich schlagartig wieder ganz nüchtern und bescheiden und kümmere mich ums Große 1x1 und das Kleine ABC.
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Das große Einmaleins und das kleine ABC sind halt heute für die "kleinen" Wissenschaftler wie schon früher für die "kleinen" Philosophen die Paradoxien der Quantenphysik beziehungsweise der aristotelischen Logik!
"Klein" in dem Sinn, dass man spätestens seit dem Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften die Untauglichkeit unseres selbstbezüglichen Denkens als Erkenntnismittel für philosophisch letzte oder naturwissenschaftlich elementare Fragen eingesehen hat. Möglicherweise beschert den Menschen die Evolution noch in einigen Milliarden Jahren ein über sich hinaus weisendes Gehirn. Aber beim gegenwärtigen Evolutionsstand sind wir eben nur kleine Schulbuben, die mit den Gödelschen Unvollständigkeitssätzen leben müssen. _________________ Welchen Sinn sollte denn Sinn haben? |
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Nathan5111
Anmeldedatum: 27.01.2008 Beiträge: 190 Wohnort: Varus-Schlacht
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Verfasst am: 16.09.2011, 22:21 Titel: |
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Ich prophezeie den Philosophen im Bereich der Naturwissenschaften, speziell in der Physik, das gleiche Schicksal wie den Göttern: Sie werden peu à peu zurückgedrängt, wenn nicht gar überflüssig gemacht.
Nur später!
Oder hat jemand in der letzten Zeit etwas von Mechanik-, Optik- oder Halbleiterphilosophen gehört? |
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bertram
Anmeldedatum: 14.05.2009 Beiträge: 64
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Verfasst am: 17.09.2011, 06:11 Titel: |
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Zitat: | ...Aber beim gegenwärtigen Evolutionsstand sind wir eben nur kleine Schulbuben, die mit den Gödelschen Unvollständigkeitssätzen leben müssen.
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Mit dieser Rolle hab ich kein Problem. Weiß ich mich doch in bester Gesellschaft .
R.Feynman in „QED...“ : „...Die Natur, wie sie die QED beschreibt, erscheint dem gesunden Menschenverstand absurd. Dennoch decken sich Theorie und Experiment. Und so hoffe ich, dass Sie die Natur akzeptieren können, wie sie ist – absurd....“
An anderer Stelle schreibt er auch noch was über die Philosophen, speziell die „Party-Philosophers“, aber das lassen wir jetzt lieber.
Grüße, b. |
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Knut Hacker
Anmeldedatum: 11.09.2011 Beiträge: 28
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Verfasst am: 17.09.2011, 11:44 Titel: |
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Nathan5111 hat Folgendes geschrieben: | Ich prophezeie den Philosophen im Bereich der Naturwissenschaften, speziell in der Physik, das gleiche Schicksal wie den Göttern: Sie werden peu à peu zurückgedrängt, wenn nicht gar überflüssig gemacht.
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Genau! Werner Heisenberg hat dies wie folgt zum Ausdruck gebracht
„ Das wichtigste philosophische Ereignis unseres Jahrhunderts ist die moderne Physik.“
Die Philosophie ist noch den alten Denkstrukturen der aristotelischen Logik verhaftet. Die Quantenphysik hat sie durch die mehrwöchige Logik abgelöst. _________________ Welchen Sinn sollte denn Sinn haben? |
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Knut Hacker
Anmeldedatum: 11.09.2011 Beiträge: 28
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Verfasst am: 17.09.2011, 11:52 Titel: |
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bertram hat Folgendes geschrieben: |
R.Feynman in „QED...“ : „...Die Natur, wie sie die QED beschreibt, erscheint dem gesunden Menschenverstand absurd. Dennoch decken sich Theorie und Experiment. Und so hoffe ich, dass Sie die Natur akzeptieren können, wie sie ist – absurd....“
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Genau! Vielen Dank für das Zitat, ich kannte es noch nicht. Hier noch weitere Zitate in diesem Sinne:
Niels Bohr :
„Wer von der Quantentheorie nicht schockiert ist, hat sie nicht verstanden!“
Dr. Richard Feynmann:
„Wenn jemand glaubt, er habe die Quantenmechanik verstanden, dann hat er sie nicht verstanden!“
Eberhard Zeidler. Director (retired) Max Planck Institute for Mathematics in the Sciences, schreibt im Taschenbuch der Mathematik:
"Es ist eine wesentliche Erkenntnis der Physik und der Mathematik des 20. Jahrhunderts, dass der sogenannte gesunde Menschenverstand versagt, sobald wir in Erkenntnisbereiche vorstoßen, die weit von unserer täglichen Erfahrungswelt entfernt sind. Das betrifft die Quantentheorie (atomare Dimensionen), die Relativitätstheorie ( hohe Geschwindigkeiten und kosmische Maßstäbe) sowie die Mengentheorie (der Begriff des Unendlichen). "
„Alles, was nicht größer ist als ein kleines Molekül, existiert nicht in einem definierten Zustand, sondern in mehreren zugleich. Zu jedem Zeitpunkt ist ein Atom zugleich hier und dort, ein Photon zugleich horizontal und vertikal polarisiert, das magnetische Moment eines Elektrons zugleich auf-und abwärts gerichtet und so weiter. Während ein klassisches Datenbit entweder im Zustand 1 oder im Zustand 0 ist, kann sich sein quantenmechanisches Gegenstück (ein „ Qubi“) in einer Überlagerung beider Zustände finden.“
Seth Lloyd „Spektrum der Wissenschaft“ 5/10) _________________ Welchen Sinn sollte denn Sinn haben? |
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Solkar
Anmeldedatum: 29.05.2009 Beiträge: 293
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Verfasst am: 19.09.2011, 14:55 Titel: |
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galileo2609 hat Folgendes geschrieben: | Hallo Knut,
ich finde das wirklich gut, dass wir darüber diskutiert haben.
Grüsse galileo2609 |
Find ich auch.
Es ist nämlich ganz wichtig, dass man über all das auch mal in der Gruppe spricht!
Aber auch sooooo wichtig...
Knuts Weltschau sollte auch dringend mal sachgerecht quantifiziert werden; ich mach' mal einen Ansatz:
Dafür
Knut Hacker hat Folgendes geschrieben: | [...]Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften[...] |
gibt's nach Baez, item 19 schonmal wohlverdiente 10 Punkte. |
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Knut Hacker
Anmeldedatum: 11.09.2011 Beiträge: 28
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Verfasst am: 19.09.2011, 15:31 Titel: |
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Hi ihr,
ich hatte mir einmal die Mühe gemacht, die wichtigsten der im Thread angeführten Paradoxien, wenn nicht zu lösen, so doch näher zu untersuchen und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Da Ihr euch erfreulicherweise für dieses Thema interessiert, hier meine geistigen Exkremente:
Aporien des Denkens
I „Denksportaufgaben“:
1) Alles Seiende und das Nichtsein des Nichtseienden sind im Sein.
Ist dieses Sein selbst etwas Seiendes?
2) Das Nichts kann nicht sein, da es sonst ja etwas Seiendes wäre. Es kann aber auch nicht nicht
sein, da es auch dann seiend wäre (doppelte Verneinung).
Ist es möglich oder nicht?
3) Das Sein ist alles. Das Nichts „ist“ alles nicht.
a) Umfasst das Alles – und daher auch das Sein – das Nichts, obwohl das Nichts alles – und
daher auch das Sein – umfasst?
b) Das Sein hätte ohne das Nichts und das Nichts ohne das Sein jeweils mangels
Unterscheidbarkeit von etwas anderem keine Identität (Sie bedingen sich gegenseitig als
privative und kontradiktorische Gegensätze):
Kann es dann überhaupt das Sein ohne das Nichts geben und umgekehrt?
Wenn nicht: Gibt es dann weder das Nichts (weil ein seiendes Nichts ein Selbstwiderspruch
wäre) noch das Sein (weil es ohne das Nichts nicht wäre)?(So zum Beispiel: Gorgias, Heraklit,
Pyrrhon, Parmenides, Hegel, Fichte, Santavana ,Blondel, Berkeley , Meister Eckhart,
Quantenphysik )
4) Vor der Zeit kann nichts gewesen sein, da ein „Vor“ die Zeit bereits voraussetzt. Die Zeit kann
auch keinen Anfang gehabt haben, da ein Anfang die Zeit bereits voraussetzt. Entsprechendes gilt
für ein Ende.
a) Ist die Zeit also zeitlos? Was ist sie?
b) Ist sie, obwohl es die Vergangenheit nicht mehr, die Zukunft noch nicht und die Gegenwart
überhaupt nicht gibt, weil sie zwischen Vergangenheit und Zukunft nicht von irgendeiner Dauer
sein kann, die nicht der Vergangenheit oder der Zukunft angehört?
c)Kann das Universum einen Anfang gehabt haben (zum Beispiel durch einen „Urknall“
entstanden sein), obwohl ein solcher die Zeit bereits voraussetzt, die mit ihm erst geschaffen
worden ist?
5) Außerhalb des Raumes kann es nichts geben, da ein „Außerhalb“ Raum bereits voraussetzt. Der
Raum besteht aus unendlich vielen Raumpunkten ohne räumliche Ausdehnung.
Was ist der Raum?
6) Jede Wahrheit kann von der Unwahrheit nur durch eine höhere Wahrheit unterschieden werden.
a) Kann es dann eine letzte Wahrheit und Unwahrheit geben?
b) Worin unterscheidet sich eine letzte Wahrheit von der letzten Unwahrheit?
c) Wie kann man eine Wahrheit finden, ohne sie bereits zu kennen?
d) Was ist an der Wahrheit wahr?
7) Es gibt Gegensätze des Vergleiches, die voneinander abgegrenzt sind ( z. B. Freude von Leid
durch Zufriedenheit), und solche der Kehrseitigkeit, die sich gegenseitig ausgrenzen ( z. B. Sein,
Nichtsein).
a) Bedingen sich die letzteren gegenseitig oder schließen sie sich gegenseitig aus?
b) Speziell zum Gegensatz Positiv – Negativ:
Kann das Positive ohne das Negative positiv sein und umgekehrt?
Warum ist die Verneinung der Verneinung Bejahung ,aber die Bejahung der Bejahung nicht
Verneinung? Beherrscht also das Positive das Negative, und ist dieses abhängig von jenem und
dessen Gegenstand?
8) Das Ganze besteht aus Teilen. Jedes Teil ist selbst Ganzes im Hinblick auf seine Teile.
a) Ist jedes Ganze/Teil also unendlich teilbar, so dass zum Beispiel Bewegung über unendlich viele
Teilstrecken paradox erscheint (Zenon), oder gibt es lediglich unbegrenzt viele Teilungen, aber
immer in endlich viele Teile, wie es unbegrenzt viele Zahlen, aber immer von endliche Größe
gibt (Aristoteles)?
b) Wieso ist jedes Ganzes (qualitativ) etwas anderes als die Summe seiner Teile?
9) Grenzen sind unendlich klein in Richtung auf das Angrenzende.
Gehört daher zum Beispiel die Grenze zwischen den Teilstrecken A und B zu A, zu B, zu beiden,
zu beidem nicht? (In den ersten drei Fällen wäre sie keine Grenze, im letzteren Fall nicht
unendlich klein).
10) Ursachen/Gründe setzen die Zeit voraus: Sie sind ein Ereignis, das regelmäßig ein anderes,
späteres zur Folge hat, es „bewirkt“.
Gleiches gilt für Sinn/Zweck: Etwas soll etwas Späteres zur Folge haben.
a) Welchen Grund haben Gründe? Ist der letzte Grund der Zufall als grundloses Ereignis?
b)Welchen Sinn hat Sinn? Warum wird etwas erst, statt gleich zu sein?
c) Warum ist etwas und nicht nichts?
Kann das Sein selbst einen Grund/Sinn haben, obwohl Grund/Sinn (und die dazu erforderliche
Zeit) bereits etwas Seiendes sind?
d) Grund und Sinn schaffen Notwendigkeit. Alles andere nennen wir Zufall.
aa) Wenn es keinen Zufall gäbe, wäre dann die Zeit nicht überflüssig, weil jede Entwicklung ja
schon von vorneherein festgelegt wäre?
Da es aber Zufall gibt, der keine Entwicklung sicher erscheinen lässt: Kann dann überhaupt
ein „letzter“ Sinn verwirklicht werden?
bb) Wie ist Willensfreiheit möglich ohne die Notwendigkeit der Willensbildung oder die
„Willkür“ des Zufalls?
Wovon soll der Wille denn frei sein?(„Man kann zwar etwas tun wollen, aber nicht etwas
wollen wollen“, vergleiche Schopenhauer)
cc) Da der Wille auf die Zukunft gerichtet ist, hätte er (und seine Freiheit) keinen Sinn, wenn
diese nicht gestaltet werden könnte. Ist also nicht der Wille, sondern die Zukunft frei und
damit auch ohne Sinn?
e) Warum fragen wir, statt die Antworten gleich zu wissen? Kann es einen Grund/Sinn dafür
geben, dass wir nach Grund/Sinn fragen?
II Lösung der „Denksportaufgaben“:
Jede Frage stellt sich aus unserem Begriffssystem, und ist die Suche, Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken (auch vor-, über- und nichtbegriffliche, sogenannte Intuitionen) in unser Begriffssystem einzuordnen (Begriffen zuzuordnen oder von ihnen abzugrenzen).
Ordnungsprinzip sind die Begriffsstrukturen ( Kontradiktion, Abstraktion, Reduktion, Generalisierung, Komparation, Logik usw.) und die diesen zugrundeliegenden Wahrnehmungsstrukturen („Anschauungen“ wie Raum, Zeit, Pluralität, Kausalität usw.).Antworten werden nur dann akzeptiert als Fragelösung („etwas verstanden haben“), wenn sie in die Fragestruktur (Erwartungssystem) und damit auch in die Begriffs-und Wahrnehmungsstrukturen passen.
Je allgemeiner und damit abstrakter eine Frage – insbesondere in ihren Prämissen - strukturiert ist, desto weniger Raum läßt sie für eine Antwort auf höherer Abstraktionsebene (induktive Fragen), und desto weiter entfernt sie sich vom niedrigeren Abstraktionsbereich konkreter Antworten (deduktive Fragen). In beiden Richtungen verringert sich also die Möglichkeit, Antworten zu finden, die noch geeignet sind, in die Fragestruktur – überhaupt oder adäquat – eingeordnet werden zu können.
Fragen, die auf eine allgemeinere, gar letzte Antwort abzielen, vereinnahmen eine solche schließlich mit ihrem ausgeweiteten Substrat.
Fragen in Richtung auf eine niedrigere Abstraktionsebene (zum Beispiel nach Einordnungen und Abgrenzungen; ab wievielen Bäumen beginnt ein Wald?) führen zu verschwommenen Antworten, da das Abstrakte ja gerade eine Vergröberung des Konkreten ist .
Allgemeinfragen intendieren also Allgemeinantworten, die in den Grenzbereichen in ihren Strukturen entweder mit denen der Allgemeinenfragen deckungsgleich oder ihnen gegenüber indifferent sind. So kommt es zur Blockade, zur Rückkoppelung in Form von Paradoxien (Zirkel oder unendlicher Regress) oder Aporien.
III Zu den bekanntesten Paradoxien:
1) Descartes : cogito, ergo sum – Ich denke, daher bin ich.
Das eigene Sein kann nicht durch das Denken bewiesen werden, da dieses das zu beweisende Sein voraussetzt (Zirkelschluss).
Die Frage nach dem eigenen Sein hat mit diesem einen so allgemeinen Gegenstand, dass die Antwortmöglichkeiten auf die Metaebene über den Gegensatz Sein – Nichtsein, dem der Fragesteller verhaftet ist, verlagert werden.Da der Fragesteller aus der Gegensatzebene nicht in die Metaebene ausbrechen kann, sondern in ihr verstrickt bleibt (Gödel), kann er alle Argumente zur Bestätigung oder Widerlegung seines Seins nur aus der Gegensatzebene herholen, der er mit seiner Frage selbst angehört ( als seiend oder nichtseind ).Frage und Antwort beißen sich daher sozusagen in den Schwanz (geschlossener Selbstbezug).
(In der Quantenphysik wird die Gegensatzebene aufgegeben: Sein und Nichtsein schließen sich nicht aus. Die Descart´sche Frage wird zum Scheinproblem).
2) Gleiches gilt für die noch abstraktere , die abstrakteste Frage nach dem Sein und dem Nichts. Sie hat schon Gorgias ad absurdum geführt: Da es das Sein nur als Gegensatz zum Nichts geben kann, das es aber nicht geben kann, weil es sonst seiend wäre, gibt es weder Sein noch Nichts, sondern ist nichts.
Die fragegegenständlichen Begriffe (Sein, Nichts) sind so abstrakt, dass sie jeweils nur durch ihr ebenso abstraktes Gegenteil hinterfragt werden können, das wiederum nur durch sein Gegenteil hinterfragt werden kann. Der Fragegegenstand soll also durch die Verneinung oder Bejahung seines Gegenteils – und damit letztlich durch sich selbst – verneint oder bestätigt werden.
Der Zirkel verengt sich noch dadurch, dass das Sein (im allgemeinen Sinn) und sein Gegenteil, das schon in der bloßen Verneinung liegt, sich gegenseitig umfassen. Denn das Sein ist alles und muss daher, um wirklich alles zu sein, auch sein Gegenteil, das Nichts (in seiner Selbstwidersprüchlichkeit, doch etwas zu sein, wenn es „ist“), mit beinhalten. Dieses wiederum muss als absolute Negation alles einschließen.Sowohl das allgemeine Sein als auch das absolute Nichts weisen daher mangels Unterscheidbarkeit keine eigene Identität auf und sind somit insoweit – und, da es außerhalb eines Identitätsvergleiches keine andere Unterscheidung gibt, überhaupt – identisch (vergleiche auch Hegel).
Das (allgemeine) Sein ist auch deshalb paradox, da es nicht sein kann, ohne sich selbst vorauszusetzen. Auch das Nichtsein des (konkret) Seienden, also eines bestimmten Seinsgegenstandes, ist selbstwidersprüchlich, da es im (allgemeinen) Sein genauso „real“ und damit „seiend“ ist wie „Daseindes“ ( Die Abwesenheit.das Fehlen eines Stuhles vor den Füßen zum Beispiel ermöglicht das ungehinderte Weitergehen und macht das Daraufsetzen unmöglich, ist also genauso eine Erscheinung des Soseins wie ein Stuhl vor den Füßen, der ein Hindernis für den Weitergehenden und eine Sitzgelegenheit für den Ruhewilligen darstellt ).
Dieser Selbstwiderspruch taucht zum Beispiel auch bei dem Allgemeinbegriffspaar Ganzes – Teil auf: So wie das Alles sein Gegenteil, das Nichts, umfasst, so beinhaltet auch das Ganze sein Gegenteil, das Teil. Und so wie das Nichts Gegensatz zum und zugleich Bestandteil des Alles ist, ist das Teil ebenfalls zugleich Gegenteil vom und Gegenstand des Ganzen.
.Die Verneinung von Gegensätzlichkeiten wegen Widersprüchlichkeit (Das Alles kann nicht sein, da es auch das Nichts umfasst und daher durch dieses gegenstandslos wird. Das Nichts kann nicht „sein“. Das endliche Ganze und jedes endliche Teil müssen, aber können nicht aus unendlich vielen Teilen bestehen, so dass es weder das Ganze noch das Teil gibt) lässt allerdings die Denkmöglichkeit einer Zugehörigkeit oder Unzugehörigkeit zu beiden Gegensatzpolen außer acht (vergleiche auch Pyrrhon aus Elis). Aus dieser Perspektive wird die Frageprämisse, dass es etwas nur geben oder nicht geben kann, dass also alles von Gegensätzen – in letzter Abstraktion von der Ja-Nein-Kontradiktion – beherrscht wird (Aristoteles´ „tertium non datur“), überlagert, der Fragehorizont für eine Antwort in mehrwertiger Logik (Quantenphysik) erweitert: Sein und Nichts schließen sich nicht aus und bedingen sich nicht gegenseitig, sondern ergänzen sich als Erscheinungsformen eines verborgenen Dritten.
Im übrigen ist auch folgende Logik möglich: Das Sein kann es nicht nicht geben, da es sonst das Nichts gäbe, das es aber nicht geben kann, da es sonst etwas Seiendes wäre. Dass das Sein ist, ist dann eine Tautologie, die von der Selbstwidersprüchlichkeit eines seienden Nichtseins nicht infrage gestellt, sondern bestätigt wird.
3) Ist die Menge aller Mengen, die nicht in sich selbst enthalten sind (wie zum Beispiel die Menge aller Teelöffel nicht selbst ein Teelöffel ist), in sich selbst enthalten?
Sie kann es nicht sein, weil sie ja nur alle nicht in sich selbst enthaltenen Mengen umfasst. Zugleich muss sie sich jedoch enthalten, weil sie sonst nicht alle Mengen umfasst, die nicht in sich selbst enthalten sind.
Dieses Russel´sche Mengenparadoxon ist ebenfalls in der Allgemeinheit der Fragestellung begründet, die die Antwort in sich selbst zurückverweist (Zirkel), da für sie außerhalb kein Raum mehr bleibt. Die Menge aller Mengen lässt eine Übermenge, in der sie enthalten ist, nicht zu, ebenso wenig wie ihren eigenen Einschluss.
Von der gleichen Struktur ist das Russel´sche Barbier- Paradoxon: Der Barbier von Sevilla rasiert die und nur die männlichen Einwohner von Sevilla, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich selbst oder nicht?
4) Eubulides´ Lügnerparadoxon: Epimenides, der Kreter, sagt, dass alle Kreter Lügner sind. Lügt er selbst?
Wenn nicht, sagt er die Wahrheit, nämlich, dass auch er lügt, so dass er doch nicht die Wahrheit sagt, also lügt. Dann aber sind die Kreter nicht Lügner, so dass er die Wahrheit sagt, dass auch er lügt usw...
Der Zirkel ergibt sich aber hier nicht zwangsläufig. Denn wenn Epimenides als Kreter lügt, dann heißt das nur, dass entgegen seiner Aussage nicht „alle“ Kreter Lügner sind, er selbst also möglicherweise die Wahrheit spricht (dann kommt es zum Paradoxon), möglicherweise aber nur in dem Punkt lügt, dass auch er lügt. Dann heißt die Wahrheit: „Alle Kreter außer mir sind Lügner.“ Die Lüge in der Aussage umfasst dann nicht auch die Aussage selbst.
Dies wäre der Fall, wenn jemand sagte: „Ich sage die Unwahrheit.“ Hier ist die Aussage so allgemein, dass sie sich auch selbst beinhaltet.
Ebenso: „Es gibt keine Wahrheit.“ „Welchen Sinn sollte ein Sinn haben?“ „Welchen Grund hat die Kausalität?“ „Was ist das, dass etwas ist?“ „Dieser Satz ist falsch.“ „Warum fragt der Mensch immer: warum?“ „Welche Antwort auf die Frage nach der Wahrheit ist wahr?“ „Wenn Gott allmächtig ist, kann er dann auch nicht allmächtig oder gar nicht sein?“ „Befolge dieses Gebot!“ „Auch wenn alles erklärbar wäre, bliebe die Frage, warum“ „Es ist nicht möglich, zu sagen, was man gerade tut: man müsste sagen, dass man gerade sagt, dass man gerade sagt....“ „Was ist 'außerhalb' von Raum, 'vor' und 'nach' der Zeit?“ „Man kann nicht wollen wollen“ (vergleiche Schopenhauer zur Widerlegung der Willensfreiheit).
Wandelt man das selbstbezügliche Lügenparadoxon in die Allgemeinaussage eines Nicht – Kreters um, dass alle Kreter Lügner seien, zeigt sich, dass Allgemeinaussagen, insbesondere „Alles“- und „Nichts“- Sätze (einschließlich der naturwissenschaftlichen, durch Abstraktion gewonnenen Erkenntnisse), mangels verbleibender Überebene nicht verifizierbar, sondern nur im konkreten Fall falsifizierbar sind (vergleiche Popper).Denn selbst wenn die Überprüfung aller lebenden Kreter ergeben würde, dass sie lügen, und man dies auch bezüglich aller verstorbenen herausfände, müsste man noch alle künftig geborenen überprüfen. Ein einziger, der nicht lügt, genügt jedoch, um den abstrakten Lügnersatz zu widerlegen, das heißt der Abstraktion die konkrete Basis zu entziehen.
Analoges gilt für den „Nichts“-Satz, dass kein Kreter lüge.
5) Gott kann man nicht beweisen, weil er so definiert ist, dass er nicht definiert werden kann. Wegen seiner Transzendenz fehlt die Metaebene zu seiner Verifizierung, insbesondere steht er auch über dem Sein und Nichtsein. Selbst wenn es eine Überebene gäbe, von der aus er bestätigt werden könnte – was ein Widerspruch wäre, weil dadurch Gott transzendiert würde -, bedürfte es einer Über-Überebene, um die Überebene zu bestätigen usw..
Gott lässt sich aber auch nicht widerlegen. Dies widerspricht dem obigen Grundsatz, dass Allgemeinaussagen (nur) falsifizierbar sind, nicht, da die Transzendenz zwar ein Allgemeinbegriff ist, aber eben auch die Begriffsebene („beweisen“ - „widerlegen“) als Bezugspunkt einschließt.
Eine begriffliche Vorstellung – „ Jenseits“ - wird ins Unvorstellbare (auch das ist eine Vorstellung) projiziert (ein Selbstwiderspruch), so dass sich Gott jeder Rationalisierung entzieht.
Es handelt sich bei „Gott“ gleichwohl nicht um einen bloßen Leerbegriff (wie den des Nichts, der sich ebenfalls der Beschreibung, jedenfalls einer widerspruchsfreien, entzieht, da das Nichts nicht sein kann, ohne doch etwas zu sein). Denn es gibt unser Bewusstsein (jedenfalls in unserem Bewusstsein) und in diesem ein Sein, das von Herkunft, Ziel, Ausmaß, Differenziertheit usw. unendlich und unbegreiflich erscheint, so dass wir uns (in unserem Bewusstsein) der Begrenztheit unseres Bewustseins und unseres Daseins (in diesem) bewusst sind. Im Wahrgenommenen entdecken wir jedoch, dass alles mit allem zusammenhängt und untereinander selbstähnlich ist (Chaosforschung). Das lässt den Schluss zu (immer in unserem Bewusstsein), dass das Bewusstsein eine selbstähnliche Widerspiegelung von etwas darüber Hinausreichenden ist (vergleiche den Ebenbildgedanken der Genesis).
Der Transzendenzglaube lässt sich freilich auch als Evolutionsstrategie zur Arterhaltung erklären. Da sich beim Menschen Selbstbewusstheit entwickelt hat, ist ihm die eigene Nichtexistenz (vor der Geburt und nach dem Tod) unvorstellbar, und die Existenz erscheint ihm unvollkommen (aufgrund der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten seines Bewusstseins).Die Achtung und damit Bewahrung des eigenen Lebens und des Lebens der Mitmenschen wird durch den Jenseitsglauben (samt Moralvorstellungen, insbesondere der Wertung als „gut“ und „böse“) motiviert, der sich zudem anbietet, um die Unerklärlichkeit des eigenen Todes zu überbrücken und daher dem ohnehin todgeweihten Leben „Sinn“ zu verschaffen.
6) Zenons Bewegungsparadoxien(Teilungsparadoxien) lassen sich abstrahierend auf das Problem zurückführen, ob das Ganze aus unendlich vielen Teilen besteht.Ist dies der Fall, dann ist eine Bewegung unmöglich, weil unendlich viele Teilstrecken überwunden werden müssen. Der Vorsprung des Läufers Achilles vor der Schildkröte ist nie aufholbar, weil das Tier in der Zeit, in der der Läufer den ursprünglichen Vorsprung aufholt, schon wieder einen neuen gewinnt, den der Läufer wieder aufholen muss usw..Der Vorsprung wird zwar immer kleiner, entsteht aber unendlich oft immer neu.
Der unendliche Regress ergibt sich dadurch, dass ein abstraktes Reduktionsverhältnis (Ganzes-Teil) auf die Reduktion (Teil) übertragen wird, so dass eine Selbstbezüglichkeit entsteht, die (im Gegensatz zum Zirkel) offen bleibt, weil sie nur ein Element (Teil) des auf sich selbst angewandten Begriffspaares (Ganzes-Teil) betrifft.
Zenons Paradox entsteht nicht, wenn man die Sicht der Schildkröte zugrundelegt. Denn in der Zeit, in der sie ihren ursprünglichen Vorsprung ausbaut, legt der Läufer längst eine darüber hinausreichende Strecke zurück. Der Läufer legt also nicht nur die hinter der Kröte liegenden Teilstrecken zurück, sondern auch! Das Paradox schlägt aus dieser zeitbezogenen Sicht fehl, da sich dabei das Reduktionsverhältnis Zielstrecke/Teilstrecke nicht ergibt.
Das Bewegungsparadoxon Zenons beruht auf zwei abstrakten Prämissen, die den Raum für eine „passende“ Lösung des Problems entsprechend einengen und in den heutigen Naturwissenschaften nicht mehr anerkannt sind, nämlich, dass das Ganze (Laufstrecke) lediglich die Summe seiner Teile sei, und dass Raum und Zeit absolute Größen seien, statische Gegebenheiten, voneinander unabhängig, wobei die Zeit den Raum linear überlagere.
Die Chaos – und Komplexitätsforschung hat die reduktionistische Sicht Zenons insofern widerlegt, als nunmehr anerkannt ist, dass das Ganze gegenüber seinen Teilen qualitativ etwas anderes darstellt, nicht nur quantitativ als deren Summe bestimmt wird.Auf eine Laufstrecke angewandt, bedeutet dies die Selbstverständlichkeit, dass Teilstrecken erst durch Teilung entstehen (Das Ganze besteht nicht aus Teilen, sondern kann in solche zerstört werden), die real nicht unendlich fortgesetzt werden kann (worauf schon Aristoteles hingewiesen hat).Ohne die Teilung ist die Laufstrecke Struktur, nämlich die ausgerichtete Aneinanderreihung von real möglichen und daher endlich vielen Teilstrecken ( also nicht etwa die Nebeneinander -, Übereinander – oder Querlegung von Teilstrecken, die aber ebenfalls nur gedanklich – reduktionistisch – unendlich klein und daher unendlich viele sein können).
Nach der Quantenphysik ist eine Strecke nicht unendlich teilbar. Die kleinstmögliche Strecke ist die Planck– Länge.Alles was darunter liegt, ist nicht mehr differenzierbar.In der Quantenphysik verschwimmt der Mikrokosmos zwischen Sein und Nichtsein. Das Elementarteilchen ist (unbeobachtet) sowohl nirgends als auch überall (Heisenberg´sche Unschärferelation).
Die Teilstrecken, die bei einer Bewegung zurückgelegt werden müssen, sind nicht unendlich klein, sondern unbegrenzt.Alles ist ungenau und alle Grenzen verschwimmen. Gehörten diese zum einen oder zum anderen voneinander Abgegrenzten oder zu beidem, wären sie keine Grenzen, weil sie im Abgegrenzten aufgingen..Gehörten sie weder zum einen noch zum anderen,wären sie ebenfalls keine Grenzen, sondern etwas – wenngleich unendlich teilbares - Drittes zwischen dem Getrennten.Es gibt sie also überhaupt nicht, ebenso wenig wie die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,wo dies besonders offenkundig wird. Daher ist alles Eines und dieses Eine mangels Identität (es kann ja nicht von etwas anderem unterschieden werden) nichts. Dieses Nichts kann es aber nicht geben, da es sonst ja doch etwas wäre.
Alle Begriffe sind Abstraktionen und daher im Konkreten bei genauer Betrachtung unscharf.
Zenons Laufstrecke besteht daher weder aus unendlich vielen Teilstrecken, noch ist sie in solche teilbar! Vielmehr kann man die Strecke unbegrenzt oft teilen, jedes dabei entstehende Teil ist aber begrenzt.So wie man unbegrenzt zählen kann, dabei aber immer eine endliche Zahl nennt.Die Zahl der Teilstrecken ist – wie der Weltraum - unbegrenzt, aber endlich.Eine Kugeloberfläche ist ebenfalls unbegrenzt aber endlich.Ein weiteres Beispiel zur Veranschaulichung: Gegeben sei ein Quadrat mit der Seitenlänge von einem Meter. Der Inhalt beträgt dann einen Quadratmeter,der Umfang vier Meter. Halbiert man zwei gegenüberliegende Seiten und verdoppelt man dafür die beiden anderen Seiten ,bleibt der Inhalt von einem Quadratmeter, der Umfang wächst jedoch auf fünf Meter. Teilt man die Seiten von einem halben Meter wiederum auf einen Viertelmeter, während man die beiden anderen Seiten von zwei Metern auf vier Meter verdoppelt, bleibt der Rauminhalt wiederum gleich, während sich der Umfang weiter vergrößert. So kann man den Umfang unbegrenzt weiter vergrößern, der Rauminhalt bleibt jedoch immer endlich.
Nach der Relativitätstheorie löst sich das Bewegungsparadoxon auf folgende Weise:
Jeder sich selbst überlassene Körper befindet sich in gleichförmiger geradliniger Bewegung.Raum und Zeit sind Eigenschaften der Materie, sie verschwinden mit dieser. Demnach ist Bewegung ein Grundzustand, der nur relativ zum Beobachter wahrnehmbar ist, der nicht „parallel gleichschnell“ bewegt ist.Die Bewegung erfolgt nicht in einem vorgegebenen Raum-Zeit-Kontinuum relativ zu diesem, sondern dieses ist mit dem bewegten Körper verbunden (Eigenraum, Eigenzeit).Zenons Läufer legt also keine Strecken im Raum innerhalb einer Zeitspanne zurück (unendlich viele Teilstrecken und Zeitabschnitte), sondern ändert nur seinen Grundzustand der Bewegung - in Bezug auf einen nicht gleichermaßen bewegten Beobachter- durch Beschleunigung und damit seine Raumzeit.
Mathematisch gesehen, ergibt sich das Zenon´sche Paradoxon aus einer unzulässigen Koordinationstransformation.Bewegung wird in einem Koordinatensystem mit den Koordinaten Strecke und Zeit abgebildet.Sie ergibt sich in der Relation auf den Nullpunkt. Verschiebt man diesen mit der Position des bewegten Körpers , lässt sich keine Bewegung auf dem mitbewegten Koordinatensystem ablesen.Die Verschiebung ist natürlich unbegrenzt möglich – worauf Zenon allein abstellt - , Bewegung ergibt sich jedoch nur in Bezug auf das ursprüngliche Koordinatensystem. Bewegung ist definiert als Strecke / Zeit. Strecke ist etwas Eindimensionales. Verkürzt man sie so, dass sie auf die Dimension Null zustrebt, kann von einer Bewegung daher nicht mehr gesprochen werden.Damit sind wir wieder bei der Speziellen Relativitätstheorie, die sich insoweit von der Newton´schen Physik gar nicht unterscheidet: Bewegung ergibt sich nur im Hinblick auf einen Beobachter, der nicht mit dem Bewegungsobjekt in gleicher Weise mitbewegt wird. Für den Läufer Zenons ergibt sich seine Bewegung erst in Relation auf die Umwelt, zum Beispiel die vorbeiziehenden Bäume und die überholte Schildkröte,für diese in Relation auf sich selbst.
Die Infinitesimalrechnung liefert nur eine mathematische Beschreibung des Paradoxons, keine Erklärung.
Eine moderne Variante des Zenon´schen Paradoxons ist das Thompson´sche Lampen –Paradoxon:
Knipse eine Lampe an und aus: zunächst im Abstand von einer Minute, dann von einer halben Minute, dann von einer Viertelminute usw.! Ist die Lampe nach zwei Minuten an oder aus? Wie oft musstest du knipsen?
(Thompson ruinierte so viele Lampen, dass die Hersteller mit den Nachlieferungen nicht mehr nachkamen, und verursachte so viele Kurzschlüsse, dass das gesamte Stromnetz des Landes immer wieder lahmgelegt wurde. Schließlich starb er an einem gewaltigen Stromschlag.
Zu seiner Beerdigung erschien Meister Lampe und strahlte flackernd zwei Minuten lang über das gesamte Gesicht, was in der Presse als taktlos kritisiert wurde.Die Lampenhändler boykottierten - trotz ihrer glänzenden Einnahmen - die Beerdigung, weil sie sich von Thompson dadurch verarscht fühlten, dass dieser vor der Lösung des Paradoxons auffälligerweise gerade beim Versuch der Lösung verstorben war. „Als ob sie an dieser ein Interesse gehabt hätten!" höhnte die Presse.
Mathematiker, die der Lösung des Paradoxon entgegengefiebert hatten, formierten sich zu einem Protestzug gegen die Praxisuntauglichkeit der Lampen und gegen die theoretische Lösungsfeindlichkeit von Paradoxien.
Aus dem Grab soll heute noch täglich um Mitternacht das klickende Geräusch von Lampenschaltern zwei Minuten lang dringen- und anschließend ein tiefer Seufzer.
Soweit eine kleine Auflockerung des Themas durch mich.)
Eine weitere Variante des Teilungsparadoxons – es gibt eine Vielzahl wie z.B. das Serides(Haufen)-Paradoxon - habe ich mir einfallen lassen (Zeitparadoxon):
Es ist vollkommen ausgeschlossen, geboren worden zu sein.Denn wäre man geboren worden, müsste es einen letzten Augenblick gegeben haben, in dem man noch nicht geboren war, und einen ersten Augenblick, in dem man bereits geboren war. Beide Augenblicke müssten sich unterschieden haben und daher voneinander getrennt gewesen sein.Sie können aber nicht getrennt gewesen sein, da jeder noch so kleine Zwischenraum entweder zum letzten Augenblick des Noch-nicht-geboren-Seins oder zum ersten Augenblick des Bereits-geboren-Seins gehört haben müsste. Denn während dieses Zwischenraumes kann man nicht gleichzeitig ungeboren und geboren und auch nicht weder ungeboren noch geboren gewesen sein.
Ebenso ist es vollkommen ausgeschlossen, zu sterben. Denn stürbe man, müsste es einen letzten Augenblick geben, in dem man noch lebt, und einen ersten Augenblick, in dem man bereits tot ist. Beide Augenblicke müssten sich unterscheiden und daher voneinander getrennt sein. Sie können aber nicht getrennt sein, da jeder noch so kleine Zwischenraum entweder zum letzten Augenblick des Noch-Lebens oder zum ersten Augenblick des Bereits-tot-Seins gehören müsste. Denn während dieses Zwischenraumes könnte man nicht gleichzeitig lebendig und tot und auch nicht weder lebendig noch tot sein.
7) Das Überraschungsparadoxon (hier in der Version des Schulaufgabenparadoxons):
Der Lehrer kündigt der Schulklasse an, nächste Woche werde eine Klassenarbeit geschrieben, der Tag werde nicht preisgegeben, da die Arbeit so überraschend angesetzt werden solle, dass man sie am Tag zuvor nicht sicher erwarten könne. Die Schüler bereiten sich darauf nicht vor, da einer von ihnen seinen Klassenkameraden vorrechnete, die Arbeit könne überhaupt nicht abgehalten werden, wenn sie überraschend sein solle. Denn der letzte Schultag der kommenden Woche, der Freitag, scheide als Termin aus, da er der letztmögliche Termin wäre und daher als einziger noch in Betracht kommender Termin bereits nach dem Schulbesuch am Tag zuvor, am Donnerstag, feststünde und somit nicht überraschend wäre.Da der Freitag ausscheide, scheide auch der vorletzte Schulwochentag, der Donnerstag, aus, weil er am Mittwoch als einzig verbleibender Termin vorauszusehen wäre. Gleiches gelte auch für alle Tage zuvor.
Die Arbeit wird trotzdem geschrieben, beispielsweise am Freitag, - völlig überraschend!
Das Paradoxon ergibt sich daraus, dass der Begriff der Überraschung in der Ankündigung so weit reicht, dass er nicht nur auf den Zeitpunkt der Klassenarbeit bezogen werden kann, sondern auch auf die Abhaltung der Arbeit überhaupt. Die angekündigte Überraschung trat nicht hinsichtlich des Tages, an dem die Klassenarbeit geschrieben wurde, ein, sondern, weil sie überhaupt geschrieben wurde, obwohl die Klasse nicht damit gerechnet hatte, dal sie irrtümlich davon ausgegangen war, der Tag solle überraschend sein, nicht die Abhaltung. Eine Überraschung kann auch dadurch eintreten, dass sie überraschend nicht ausbleibt.
8) Das Rhetoren- Paradoxon (vereinfacht):
Protagoras bildet Euathlos zum Redner vor Gericht aus.Vereinbarungsgemäß soll das Honorar erst beim ersten Sieg des Euathlos vor Gericht fällig werden. Protagoras klagt das Honorar sogleich ein: Euathlos müsse es in jedem Fall zahlen, nämlich, wenn die Klage abgewiesen werde, wegen des Erfolges vor Gericht und, wenn ihr stattgegeben werde, sowieso. Euathlos wendet ein: Er sei in keinem Falle zur Entrichtung des Honorars verpflichtet, nämlich, wenn er dazu verurteilt werde, mangels Erfolges vor Gericht nicht und, wenn die Klage abgewiesen werde, ohnehin nicht.
Beide haben recht (bei logischer Beurteilung, nicht bei rechtlicher, wonach die Vereinbarung so auszulegen ist, dass die Fälligkeitsbedingung nicht auf den gerichtlichen Streit um sie selbst bezogen ist).
Auch hier ist die Paradoxie darin begründet, dass die Zahlungsbedingung (Sieg vor Gericht) so allgemein vereinbart worden ist, dass sie auch den Erfolg im gerichtlichen Streit um ihren Eintritt umfasst. Sie tritt bei der gerichtlichen Verfolgung des bedingten Zahlungsanspruches selbst bei dessen gerichtlicher Aberkennung ein und bleibt bei der Zuerkennung aus.(Rechtlich wäre die Klage abzuweisen, da Euathlos erst durch ein klageabweisendes Urteil Erfolg haben kann und daher der Honoraranspruch erst mit einem solchen Urteil fällig wird. Erst nach der Klageabweisung kann Protagoras – notfalls durch eine erneute Klage – den Honoraranspruch als nunmehr fällig geworden geltend machen).
IV Paradoxien sind eigentlich Tautologien. Die abstrakte Begrifflichkeit der Fragestellung zielt auf eine Antwort auf der gleichen Abstraktionsebene ab.Die tautologische Frage, ob ein Baum ein Baum ist, ist begriffsqualitativ der Frage gleichwertig, ob das Sein ist.
Alles Fragen stößt daher mit zunehmender Abstraktion ihres Gegenstandes auf einen Abstraktionshorizont, an dem die Antworten in ihrer Konturlosigkeit nichtssagend, tautologisch, zirkulär, infinit werden.Letztlich wird dabei über das Denken gedacht: Denkinhalte und – strukturen werden auf immer abstrakterer Begriffsebene hinterfragt, bis die Metaebene fehlt.
Auf das gleiche Problem stößt man bei der Hinterfragung von Sinneseindrücken und Gefühlen: Was ist hell, laut, stinkend, wohlschmeckend, schmerzend, traurig? Auch Wertungen entziehen sich der Verbalisierung über die Bezeichnung hinaus: Was ist schön, böse, gerecht? _________________ Welchen Sinn sollte denn Sinn haben? |
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Nathan5111
Anmeldedatum: 27.01.2008 Beiträge: 190 Wohnort: Varus-Schlacht
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Verfasst am: 20.09.2011, 00:18 Titel: |
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Mir ist da gerade ein Forum aufgefallen, in dem eine ähnliche Problematik diskutiert wird:
Zitat: | Etwas muss es aber geben. Man kann nicht von einem Nichts auf das Sein schließen - aber man kann von einem Sein auf ein Nichts schließen! Daher hat das Sein die Priorität. Es muss also etwas geben. |
Quelle |
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Knut Hacker
Anmeldedatum: 11.09.2011 Beiträge: 28
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Verfasst am: 20.09.2011, 17:59 Titel: |
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Nathan5111 hat Folgendes geschrieben: |
Zitat: | Etwas muss es aber geben. Man kann nicht von einem Nichts auf das Sein schließen - aber man kann von einem Sein auf ein Nichts schließen! Daher hat das Sein die Priorität. Es muss also etwas geben. |
Quelle |
Wieso muss es etwas geben? Der Gegensatz von Sein und Nichtsein ist wie alle Begriffe und alle Gegensätze ein Konstrukt unseres Bewusstseins. Die Quantenphysik hat uns gezeigt, dass diese begrifflichen Vorstellungen nicht geeignet sind, Wirklichkeitsbereiche zu erfassen, die außerhalb unserer Alltagsbehauptung liegen, für die die Evolution unser begriffliches Denken als Überlebensvorteil entwickelt hat. Elementarteilchen in der Superposition oder in der Verschränkung sind weder seiend noch nicht seiend noch beides zusammen noch beides nicht. Sein und Nichtsein sind lediglich Erscheinungsformen von etwas, was wir mit unserem Bewusstsein nicht erfassen können.
Nicht einmal unser eigenes Sein können wir beweisen, wie Descartes durch seinen Zirkelschluss gezeigt hat: „cogito, ergo sum - ich denke, also bin ich“; aber wie beweise ich das Denken?
Descartes hat daher das berühmte Traumargument entwickelt:
Das Traumargument von Renè Descartes
richtet sich gegen die Möglichkeit gerechtfertigter Meinung. Akzeptiert man die vier Prämissen (P), folgen logisch drei skeptische Konklusionen (S):
(P1) Meinungen über die Außenwelt können nur durch Sinneserfahrung gerechtfertigt werden.
(P2) Meine Meinung über die Außenwelt, dass p, ist nur dann durch meine Sinneserfahrung gerechtfertigt, wenn ich nicht träume.
(P3) Meine Meinung über die Außenwelt, dass p, ist nur dann gerechtfertigt, wenn ich auch gerechtfertigt bin zu glauben, dass diese Meinung gerechtfertigt ist.
(P4) Ich bin nur dann gerechtfertigt zu glauben, dass etwas der Fall ist, wenn ich auch gerechtfertigt bin zu glauben, dass alles, was bekanntermaßen damit inkompatibel ist, nicht der Fall ist.
(S1) Meine Meinung über die Außenwelt, dass p., ist nur dann durch meine Sinneserfahrung gerechtfertigt, wenn ich gerechtfertigt bin zu glauben, dass ich nicht träume.(Aus P2 bis P4)
(S2) Eine Rechtfertigung meiner Meinung dass ich nicht träume, ist unmöglich.(Aus S1,P4)
(S3) Also ist meine Meinung über die Außenwelt, dass p, nicht gerechtfertigt (Aus S1, S2).
Schopenhauer drückt es – wie immer – einfach und präzise so aus:
„Etwas erkennen nach dem, was es ganz an und für sich sei, ist für alle Ewigkeit unmöglich: weil es sich widerspricht. Denn sobald ich erkenne, habe ich eine Vorstellung: diese muss aber, eben weil sie meine Vorstellung ist, verschieden sein von dem Erkannten und kann nicht mit demselben identisch sein.“
Aber lassen wir Quantenphysiker zu Worte kommen:
Erwin Schrödinger (1882-1961; Quantenphysiker; Nobelpreisträger):
"Die in Raum und Zeit ausgedehnte Welt existiert nur in unserer Vorstellung. Dass sie außerdem noch etwas anderes sei, dafür bietet jedenfalls die Erfahrung – wie schon Berkeley wusste – keinen Anhaltspunkt ."
Werner Heisenberg (1901-1976 ; Quantenphysiker-“Unschärferelation“-; Nobelpreisträger):
„...dass nicht einmal die Eigenschaft des “ Seins“, wenn man hier überhaupt von Eigenschaft reden will, dem Elementarteilchen ohne Einschränkung zukommt. Es ist eine Möglichkeit oder eine Tendenz zum Sein“ (Physik und Philosophie).
Hans-Peter Dürr (Quantenphysiker,*1929):
“Es gibt … gar nichts Seiendes, nichts, was existiert.“
Eberhard Zeidler (Quantenphysiker,*1940)
„Es ist eine wesentliche Erkenntnis der Physik und der Mathematik des 20. Jahrhunderts, dass der sogenannte gesunde Menschenverstand versagt, sobald wir in Erkenntnisbereiche vorstoßen, die weit von unserer täglichen Erfahrungswelt entfernt sind. Das betrifft die Quantentheorie (atomare Dimensionen), die Relativitätstheorie (hohe Geschwindigkeiten und kosmische Maßstäbe) sowie die Mengentheorie (der Begriff des Unendlichen).“
Anton Zeilinger ( Quantenphysiker, * 1945 ) :
„Die Natur selbst ist immer nur unsere geistige Konstruktion.“
Was solche letzten Fragen wie die des Seins betrifft, versagt unser selbstbezügliches Denken.Nach den Gödelschen Unvollständigkeitssätzen kann sich kein System aus sich heraus beweisen, als auch das Sein nicht sich selbst.Es fehlt an einer Meta - Ebene der Betrachtung
Die Unmöglichkeit von Letztbegründungen beschreibt Hans Albert (geboren 1921) als „Münchhausen-Trilemma“ wie folgt:
„Wenn man „für alles eine Begründung verlangt, muss man auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweils die zu begründende Auffassung … zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangen.“ Das führt zur „Wahl zwischen
1)einem infiniten Regress, der durch die Notwendigkeit gegeben erscheint, in der Suche nach Gründen immer weiter zurückzugehen, der aber praktisch nicht durchzuführen ist und daher keine sichere Grundlage liefert;
2)einem logischen Zirkel in der Deduktion, der dadurch entsteht, dass man im Begründungsverfahren auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, und der ebenfalls zu keiner sicheren Grundlage führt; und schließlich:
3)einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der zwar prinzipiell durchführbar erscheint, aber eine willkürliche Suspendierung des Prinzips der zureichenden Begründung involvieren würde.“
Der französische Philosoph Gilles Deleuze hat das zentrale Problem des Denkens, die Selbstbezogenheit der Logik, wie folgt charakterisiert:
„ Wenn wir.... einen Satz als Ergebnis einer Schlussfolgerung betrachten, machen wir ihn zum Gegenstand einer Behauptung..., das heißt, wir lassen die Prämissen beiseite und bejahen ihn in voller Unabhängigkeit als solchen.....Dafür aber sind zwei Bedingungen erforderlich. Zunächst müssen die Prämissen als wirklich wahre gesetzt sein; was uns bereits zwingt, die reine Implikationsordnung zu verlassen, um die Prämissen selbst auf einen bezeichneten Dingzustand zu beziehen, den man voraussetzt.Doch selbst wenn wir unterstellen, dass die Prämissen A und B wahr seien, können wir den fraglichen Satz Z daraus nur dann schließen, können wir ihn von seinen Prämissen nur dann ablösen und ihn unabhängig von der Implikation für sich bejahen, wenn wir gelten lassen, dass er seinerseits wahr ist, wenn A und B. wahr sind: Was einen Satz C konstituiert, der in der Ordnung der Implikation bleibt, der diese nicht verlassen kann, da er auf einen Satz D verweist, der besagt, dass Z wahr ist, wenn A, B und C wahr sind... bis ins Unendliche.“
Ich darf hier auch noch auf das Paradox Freges hinweisen, dass sich der Sinn eines gegebenen Satzes immer als das Bezeichnete eines anderen Satzes auffassen lässt.
„Alles muss durch etwas anderes bewiesen werden, und jede Beweisführung wird sich entweder im Kreise bewegen oder als endlose Kette in der Luft hängen. In keinem Falle lässt sich etwas beweisen. „( Timon von Phlieus, 320-230 v. Chr., Schüler des Pyrrhon von Elis )
„Wenn nämlich das, aus dem etwas erkannt wird, immer aus etwas anderem erkannt werden muss, so gerät man in die Diallele oder den unendlichen Regress.Möchte man aber etwas, aus dem etwas anderes erkannt wird, als aus sich selbst erkannt annehmen, so widersteht dem, dass … nichts aus sich selbst erkannt wird. Wie jedoch das Widersprüchliche entweder aus sich selbst oder aus etwas anderem erkannt werden könnte, sehen wir keinen Weg, solange sich das Kriterium der Wahrheit oder der Erkenntnis nicht zeigt.“ (Sextus Empiricus, 2. Jh. )
David Couzens Hoy
Beim Prozess des Verstehens und Deutens bildet das Verhältnis zwischen dem Teil und dem Ganzen einen hermeneutischen Zirkel: Um das Ganze verstehen zu können, muss man die Teile verstehen, aber man kann die Teile nur verstehen, wenn man einen gewissen Begriff vom Ganzen hat.
Man kann letztlich nicht einmal beschreiben, geschweige denn beweisen.
Man beschreibe doch einmal, was das ist, dass etwas „ist“.Beispiel: Das Universum „ist“.Aber was ist dieses „ist“?
Im übrigen kann man nicht nur letztlich nichts beweisen, sondern letztlich auch alles widerlegen:
Beispiel:
Geburt und Tod
Es ist vollkommen ausgeschlossen, geboren worden zu sein. Denn wäre man geboren worden, müsste es einen letzten Augenblick gegeben haben, in dem man noch nicht geboren war, und einen ersten Augenblick, in dem man bereits geboren war. Beide Augenblicke müssten sich unterschieden haben und daher voneinander getrennt gewesen sein. Sie können aber nicht getrennt gewesen sein, da jeder noch so kleine Zwischenraum entweder zum letzten Augenblick des Noch-nicht-geboren-Seins oder zum ersten Augenblick des Bereits-geboren-Seins gehört haben müsste. Denn während dieses Zwischenraumes kann man nicht gleichzeitig. ungeboren und geboren und auch nicht weder ungeboren noch geboren gewesen sein .
Ebenso ist es vollkommen ausgeschlossen, zu sterben.Denn stürbe man, müsste es einen letzten Augenblick geben, in dem man noch lebt, und einen ersten Augenblick, in dem man bereits tot ist. Beide Augenblicke müssten sich unterscheiden und daher voneinander getrennt sein. Sie können aber nicht getrennt sein, da jeder noch so kleine Zwischenraum entweder zum letzten Augenblick des Noch-Lebens oder zum ersten Augenblick des Bereits-tot-Seins gehören müsste. Denn während dieses Zwischenraumes könnte man nicht gleichzeitig lebendig und tot und auch nicht weder lebendig noch tot sein. _________________ Welchen Sinn sollte denn Sinn haben? |
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