Quantenlogik

 
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Knut Hacker



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BeitragVerfasst am: 12.09.2011, 19:41    Titel: Quantenlogik Antworten mit Zitat

Quantenlogik


„Wahre Sätze sind immer daran zu erkennen, dass man sie alle umkehren kann und dass sie alsdann eben so wahr sind, und vielleicht noch mehr.“ Goethe, Wanderjahre

„ Jeder Aussage steht eine gleichwertige gegenüber“ Sextus Empiricus

„Es gibt triviale Wahrheiten und große Wahrheiten. Das Gegenteil einer trivialen Wahrheit ist schlichtweg falsch. Das Gegenteil einer großen Wahrheit ist ebenfalls wahr.“ (Niels Bohr)



Der Begriff der mehrwertigen Logik – im Gegensatz zur zweiwertigen aristotelischen Logik – wurde bekanntlich von Niels Bohr geprägt.Er hat hierzu nichts Schriftliches hinterlassen.Werner Heisenberg schreibt dazu in „Physik und Philosophie“:

„In der Quantentheorie muss offenbar dieses Gesetz `tertium non datur´ abgeändert werden.....von Weizsäcker schlägt vor, die klassische Logik in ähnlicher Weise als ´a priori´ zur Quantenlogik zu betrachten, wie die klassische Physik ein a priori für die Quantentheorie darstellt. Die klassische Logik würde dann als eine Art Grenzfall in der Quantenlogik enthalten sein, aber die letztere würde doch das allgemeinere logische Schema darstellen.“

Die zweiwertige aristotelische Logik vom ausgeschlossenen Dritten lässt sich allerdings nicht begründen, da dies diesen Satz vom ausgeschlossenen Dritten voraussetzen würde, also zu einem Zirkelschluss führen würde.

C.F.v.Weizsäcker schreibt hierzu in „Ein Blick auf Platon“:

„Hier werden wir daran erinnert, dass die Quelle aller logischen Grundlagenkrisen in unserem Jahrhundert am Begriff der Negation zu liegen scheint. Die logischen Paradoxien verwenden stets die Negation beziehungsweise die Falschheit, so der Kreter, der versichert, das, was er soeben sage, sei falsch, oder die Menge aller der Mengen, die sich selbst nicht als Element enthalten.Das von Brouwer kritisierte Tertium non datur versichert, dass ein Satz und seine Negation die Menge der Möglichkeiten ausschöpfen. J.v.Neumanns Quantenlogik behauptet, dass eine Eigenschaft einem physikalischen Objekt nicht mit Notwendigkeit entweder zukommt oder nicht zukommt.“

Der wohl bekannteste gegenwärtige Quantenphysiker, Anton Zeilinger, schreibt in „Spektrum der Wirtschaft, Dossier“ 2/10:

„ Während das klassische Bit nur entweder die Werte 0 oder 1 annehmen kann, existiert ein Quantenbit, Qubit genannt, in einer Superposition von 0 oder 1. Genauso, wie für ein Teilchen, das durch einen Doppelspalt geht, nicht festgelegt ist, welchen Spalt es passiert, nimmt ein Quantenbit quasi die beiden Zustände 0 und 1 gleichzeitig ein.“

Eben das ist mehrwertige Quantenlogik( insbes.Hans Reichenbaches und Lukasiewic´s) In ihr ist das Distributivgesetz ungültig.

Ich verweise auf die grundlegenden Werke von
G.Birkhoff / J.v.Neumann:“The Logic of Quantum Mechanics“und
R.L.G. Hughes: „Quantum Logic“
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Knut Hacker



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BeitragVerfasst am: 14.09.2011, 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

Die Entdeckung zahlreicher Quanteneffekte auch im Makrokosmos (eine Übersicht gibt Vladko Vedral http://www.spektrum.de/artikel/1116464 ) lässt die Quanten-Logik nicht – wie die aristotelische Logik – als bloßen Operator kognitiv-resultativer Erfassung von Problemen erscheinen, sondern als Wesenszug der als durch „Verschränkung“ vor-raumzeitlich disponierten Natur. Die Natur ist kein Algorithmus. Sie ist nicht „wohldefiniert“ sondern holistisch. Es gibt mangels scharfer Unterscheidbarkeit keine Identitäten, sodass letztlich Sein und Nichtsein identisch sind :

Hans-Peter Dürr (Quantenphysiker,*1929):
“Es gibt … gar nichts Seiendes, nichts, was existiert.“

Erwin Schrödinger (1882-1961; Quantenphysiker; Nobelpreisträger):

Die in Raum und Zeit ausgedehnte Welt existiert nur in unserer Vorstellung. Dass sie außerdem noch etwas anderes sei, dafür bietet jedenfalls die Erfahrung – wie schon Berkeley wusste – keinen Anhaltspunkt ( Dürr, 167 ).

Werner Heisenberg (1901-1976 ; Quantenphysiker-“Unschärferelation“-; Nobelpreisträger):

...dass nicht einmal die Eigenschaft des “ Seins“, wenn man hier überhaupt von Eigenschaft reden will, dem Elementarteilchen ohne Einschränkung zukommt. Es ist eine Möglichkeit oder eine Tendenz zum Sein (Physik und Philosophie).

Stephen Hawking (*1942):

Es gibt keinen abbild-oder theorieunabhängigen Realitätsbegriff (Der große Entwurf).



Darüber ist man sich in der Philosophie seit jeher einig:

Gorgias von Leontinoi (483-375 v. Chr.):

ταὐτόν ἐστι τῷ μὴ ὄντι τὸ ὄν
Dasselbe ist das Seiende wie das Nichtseiende

Heraklit von Ephesus (545-475 v, Chr.):

ταὐτὸν...εἶναι καὶ μὴ εἶναι
dasselbe...( ist ) Sein und Nichtsein ( A 7; Arist. Metaph.Γ 3. 1005b 23 )

Aristoteles ( 384/3 – 322 v. Chr. ):

τὸ δὲ εἶναι οὐκ οὐσία οὐδενί
das Sein gehört nicht zum Wesen von etwas ( Analytica posteriora, II. 7 )

Pyrrhon aus Elis ( 365/60-275 v.Chr. ):

περὶ ἑνὸς ἑκάστου λέγοντας ὅτι οὐ μᾶλλον ἔστιν ἢ οὐκ ἔστιν ἢ καὶ ἔστιν καὶ οὐκ ἔστιν ἢ οὔτε ἔστιν οὔτε οὐκ ἔστιν
über jeden einzelnen Gegenstand müsse man sagen, dass er nicht mehr “sei“ als „nicht sei“, oder: dass er sowohl „sei“ als „nicht sei“, oder: dass er weder „sei“ noch „nicht sei“ ( Aristokles bei Eusebius Praep. evang. 14.18.4 – Caizzi 53 )

Johann Gottlieb Fichte (1762-1814):

Ohne Subjekte gäbe ist keine objektive Realität.

Ich weiß überall von keinem Sein und auch nicht von meinem eigenen.Es ist kein Sein. - Ich selbst weiß überhaupt nicht und bin nicht.


Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831):

Die, welche auf dem Unterschiede von Sein und Nichts beharren wollen, mögen sich auffordern, anzugeben, worin er besteht (Wissenschaft der Logik).

Das Sein, das unbestimmte Unmittelbare, ist in der Tat Nichts und nicht mehr noch weniger als Nichts.

Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe.

Das reine Sein ist die reine Abstrakion, damit das Absolut-Negative, welches, gleichfalls unmittelbar genommen, das Nichts ist.

Das unbestimmte unmittelbar bestimmte „reine Sein“ ist zugleich „dasselbe“ wie „nichts“. Beide finden ihre „Wahrheit“ in „der Bewegung“ als „Werden“.

Das Nichts ist „dieselbe Bestimmung oder vielmehr Bestimmungslosigkeit und damit überhaupt dasselbe, was das reine Seyn ist.“

Das reine Sein als inhaltslose Leere muss als Produkt der vollständigen Abstraktion zugleich auch sein eigenes Gegenteil sein: sowohl auszudifferenzierende affimative Unmittelbarkeit, genannt Sein, als auch auszudifferenzierende reine Negativität, genannt Nichts.

Martin Heidegger (1889-1976):

Im Sein des Seienden geschieht das Nichten des Nichts.

Welt ist nie, sondern weltet.
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Barney



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BeitragVerfasst am: 05.10.2011, 20:57    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Herr Hacker,

nachdem sich im Nachbarthema die Differenzen hoffentlich noch gänzlich klären lassen, möchte ich das Thema hier gerne aufgreifen aber auch eingrenzen. Als mittlerweile langfristiger Teilnehmer des Forums gehe ich davon aus, dass die meisten Teilnehmer und auch Leser des Forums hier eher an einer formalen Logik interessiert sind. Deshalb würde ich das Thema gerne in diese Richtung bringen wollen.

Einig sind wir (Sie und ich) uns vermutlich in der Aussage, dass die Quantenlogik (und wohl auch Fuzzy-Logik) eine Erweiterung der booleschen Algebra und auch der mathematischen Logik darstellt. Wesentlich erscheint mir in diesem Zusammenhang der Begriff der Wahrscheinlichkeit zu sein. Vielleicht können Sie im nächsten Schritt also den Bogen vom Begriff der Wahrscheinlichkeit hin zur Quantenlogik schließen. Denn ich persönlich kann zwar mit Wahrscheinlichkeiten etwas anfangen, wie sie z.B. in der Quantenphysik vorkommmen aber viel weniger mit der Quantenlogik.

Freundliche Grüße, Barney
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Knut Hacker



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BeitragVerfasst am: 06.10.2011, 18:07    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Barney,

Ich freue mich auf deine erste und einzige Antwort auf meinen Thread.

Mit deinen Ausführungen befindest du dich in guter Gesellschaft:

In "Der Garten des Menschlichen" schreibt der Quantenphysikerer Friedrich von Weizsäcker im Kapitel "Heidegger und die Naturwissenschaft":

"Die allgemeine oder abstrakte Quantentheorie kann man als eine nichtklassische Wahrscheinlichkeitsrechnung beschreiben.Das Wort "nichtklassisch" bezeichnet hier formal eine der Wahrscheinlichkeitsbewertung zugrundegelegte Mannigfaltigkeit möglicher Ereignisse, die von derjenigen abweicht, die man durch Anwendung der klassischen Aussagenlogik (Boolesche Algebra) herleiten würde. Man spricht gelegentlich von einer "Quantenlogik".Der Grund dieser nichtklassischen Logik liegt in einer, freilich von den Physikern nicht ausgearbeiteten, sondern nur verbal umschriebenen Abweichung von der klassischen Ontologie.Man kann in der Quantentheorie ein mögliches Ereignis nur noch in Bezug auf einen möglichen Beobachter definieren. Die Subjekt-Objekt-Beziehung wird hier, zum erstenmal in der neuzeitlichen Physik thematisch."

Ich habe er dieses Zitat auch im Quantenforum nachgetragen Und würde mich freuen, wenn wir dort weiter diskutieren würden, weil wir dort unter kompetenten Interessenten sind. In diesem Forum will ich auch im Falle einer Versöhnung keineswegs verbleiben, da es einfach nicht meinen Interessen entspricht.

Auch die formale Logik ist sicherlich ein diskussionswürdiges Thema.
Aber sie führt ja, wie bereits sein Begründer Aristoteles einräumen musste, zu Aporien und Paradoxien, wie ich sie nur ganz grob in meinem Thread über die Selbstbezüglichkeit des Denkens skizziert habe. Vorher hatten schon Pyrrhon von Elis und Gorgias von Leontinoi diese genuine Logik ad absurdum geführt, weshalb sie ja Aristoteles systematisiert und als rein formale Denkhilfe, nicht als Erkenntnismittel verstanden hat.

Ich befürchte, dass in diesem Forum eine Diskussion darüber wieder als "krank" empfunden wird, weil diese erkenntnistheoretischen Probleme - die Selbstbezüglichkeit des Denkens ist ja bekanntlich Hauptgegenstand der Philosophie in den Disziplinen Erkenntnistheorie und Logik sowie in den Kognitionswissenschaften - dem gesunden Menschenverstand widerspricht, von dem Einstein gesagt hat:

“Der gesunde Menschenverstand ist eigentlich nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat“

In Bezug auf die Quantenlogik hat

Eberhard Zeidler. Director (retired) Max Planck Institute for Mathematics in the Sciences, geschrieben (Taschenbuch der Mathematik):
"Es ist eine wesentliche Erkenntnis der Physik und der Mathematik des 20. Jahrhunderts, dass der sogenannte gesunde Menschenverstand versagt, sobald wir in Erkenntnisbereiche vorstoßen, die weit von unserer täglichen Erfahrungswelt entfernt sind. Das betrifft die Quantentheorie (atomare Dimensionen), die Relativitätstheorie ( hohe Geschwindigkeiten und kosmische Maßstäbe) sowie die Mengentheorie (der Begriff des Unendlichen). "

Warum duzt du mich nicht, wie online üblich?
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Barney



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BeitragVerfasst am: 06.10.2011, 18:47    Titel: Antworten mit Zitat

Knut Hacker hat Folgendes geschrieben:
Warum duzt du mich nicht, wie online üblich?

Hallo Knut,

das Sie war eine reine Vorsichtsmaßnahme um Dir nicht zu nahe zu treten. Ich nehme das Du aber gerne an, bedanke mich dafür und auch für den zugehörigen interessanten Beitrag.
Zitat:
Ich habe er dieses Zitat auch im Quantenforum nachgetragen Und würde mich freuen, wenn wir dort weiter diskutieren würden

Hmm. Mal sehen. Der Thread hat dort schon 16 Seiten, was mich eher abschreckt. Hier hätten wir noch deutlich mehr Platz Smile .
Gruß
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