Dr. Mark Leggett: Review of LSAG process
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ralfkannenberg



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Beiträge: 4788

BeitragVerfasst am: 15.09.2009, 13:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,

ich komme nun zu den Seiten 8 und 9 der Arbeit Review of the risk assessment process used for the 2008 LHC safety study von Dr.Leggett, d.h. die Kapitel 3 und 4.

Kapitel 3: Discussion
Eine Diskussion findet eigentlich nicht statt, vielmehr setzt Dr.Leggett seine bereits in Kapitel 2 vorgenommene Auflistung von Referenzen und Kommentaren fort.

Dr.Leggett bezieht sich in Kapitel 3 auf folgende beiden Arbeiten:

- Gibbons, M., SCIENCE'S NEW SOCIAL CONTRACT WITH SOCIETY, Nature 402, C81-C84 (1999)
- Ord, T., April 15, 2008 at http://www.practicalethicsnews.com/practicalethics/2008/04/these-are-not-t.html

Von diesen beiden Arbeiten verdient allerdings nur die erste diesen Namen, denn die zweite des selbsternannten Risikoforschers Toby Ord, dessen vom LHC-Widerstand regelmässig referenzierte Arbeit Probing the Improbable: Methodological Challenges for Risks with Low Probabilities and High Stakes bereits auf Alpha Centauri begutachtet und die Begutachtung ab Kapitel 4.3 gereviewt wurde, ist lediglich ein Blog-Eintrag, welcher grob die Ideen seiner Arbeit wiedergibt, wobei einer der Mitautoren seiner Arbeit, Anders Sandberg, im genannten Blog nur einen Beitrag später teilweise widerspricht, worauf weitere Stellungnahmen, auch von Toby Ord, folgen, die man bei Interesse nachlesen kann.

Ich erlaube mir, die Gedanken Ord's, auf welche sich Dr.Leggett bezieht, als erstes aufzugreifen und Anmerkungen zu verfassen:
Zitat:
(At the present time)… we are genuinely uncertain about our physical theories. Indeed, we are so uncertain as to spend more than 3 billion euros building the LHC in order to find out more. Moreover, we know that our current theories are false because they don't correctly merge Relativity Theory and Quantum Mechanics.

Das ist nichts wirklich neues und wie Toby Ord richtig feststellt, Anlass, Geld auszugeben und Experimente durchzuführen.


Zitat:
That is, we know that we don't presently understand what happens with tiny objects that are extremely dense and/or moving near the speed of light. Since this is exactly what is occurring in the LHC, we have significant reason to distrust the probability calculations.

Diese Argumentation wird derzeit auf Achtphasen diskutiert. Zusammengefasst kann man feststellen, dass es sich bei den natürlichen genügend hoch-energetischen Kollisionen in der Erdatmosphäre, also denen, welche mBH's zu erzeugen können, ebenso um Einzelereignisse handelt wie bei denen im LHC, da wie auf Seite 35 dargestellt pro Zusammenstoss lediglich 20 Kollisionen in einem Raumgebiet von über 1 µm Durchmesser zu erwarten sind.

Zitat:
They tell us the chance of the LHC destroying life on earth given that the underlying theory is completely correct, but what we really want to know is what the chance is given our uncertainty in the underlying theory. This is impossible to calculate precisely, but will be much higher than the stated odds. Considering the stakes, it is thus highly irresponsible for the LHC's management to give so much emphasis to these misleading probability calculations, when the real chance is clearly higher."

Die hier zugrunde liegende Idee von Toby Ord ist der Satz von Bayes über bedingte Wahrscheinlichkeiten. Dieser resultiert in einer Summe, deren erster Summand das Risiko und deren zweiter Summand das Restrisiko darstellt, falls die "underlying theory" falsch ist. Er hat dies alles in seiner o.g. Arbeit hergeleitet; leider erhält er aber zunächst einmal gleich hohe Restrisiken für jedes beliebige Szenario, also auch die Möglichkeit, dass beispielsweise unsere Sonne per Ende Jahr erlischt oder dass sich ebenfalls beispielsweise Wasser spontan in eine giftige Form umwandelt. Am Ende seiner Arbeit nennt Toby Ord noch weitere - wohlbemerkt schon lange bekannte ! - qualitätsverbessernde Massnahmen, nämlich Peer-Reviews sowie unabhängige Zusatzanalysen. Beides wurde im Falle des LHC geleistet.

Somit ist der von Dr.Leggett referenzierte Einwand von Toby Ord entkräftet. - Damit ist auch das siebzehnte Zitat des Users "Gruber" entkräftet.

Dr.Leggett indes beurteilt die Äusserungen Toby Ords wie folgt:
Zitat:
It is more likely the risk pointed out by Ord would not have been overlooked if a plurality of expertise had been in the LSAG team, in this case the plurality including safety experts, and ethicists.

Dem ist nicht zuzustimmen, da nicht davon auszugehen ist, dass fachfremde Personen, z.B. Ethik-Spezialisten, Fehler in einer physikalischen Sicherheitsanalyse finden werden. Massnahmen wie Peer Review und unabhängig erstelltes Zusatzgutachten, wie sie ja auch von Toby Ord genannt werden, erhöhen die Sicherheit indes wesentlich. - Damit ist auch das achtzehnte Zitat des Users "Gruber" entkräftet.


Verbleibt somit die zuerst genannte Referenz von Michael Gibbons. Diese macht Aussagen zu ethischen Aspekten der Wissenschaft und beschreibt einen Wandel des Verhältnisses der Wissenschaft und der Gesellschaft, welche früher stärker getrennt waren als heutzutage. Ich möchte jeden Leser dieses Threads ermuntern, diese Gedanken von Gibbons im o.g. Original selber nachzulesen; mir selber fehlen die Grundlagen, um deren Relevanz richtig einschätzen zu können.

Ich möchte deswegen vorab zwei elementare Gedanken nennen:
(1) Die Summe der natürlichen Zahlen 2 und 3 wird auch unter Einbezug von ethischen Gedanken nach wie vor die natürliche Zahl 5 ergeben
(2) Sicherlich wäre es z.B. für die Gehirnforschung nützlich, Experimente mit lebenden Probanden durchführen zu können; es ist aber ganz klar, dass ethische Bedenken solche Experimente nicht zulassen können. Allerdings braucht man hier für ein Resultat gar nicht erst Ethik-Experten zu bemühen, denn eine einfache Sicherheitsanalyse würde ebenfalls ergeben, dass die Sicherheit der Probanden nicht gewährleistet ist.

Schauen wir uns nun die Äusserungen Dr.Leggetts in diesem Zusammenhang an:
Zitat:
Looking, then, at the LSAG report, it seems to be positioned clearly under Gibbons' "old” contract with society – seen to produce 'reliable' knowledge, provided merely that it communicates its discoveries to society. (as LSAG has communicated its findings.); via a process within its conventional discipline-bound norm (only physicists were involved in the production of the LSAG findings).

Bis hierhin stimme ich mit Dr.Leggett überein: er stellt fest, dass der "alte" Vertrag mit der Gesellschaft zur Anwendung kommt. Insbesondere ist dies nur eine Feststellung, d.h. es wird noch nicht erläutert, ob dies irgendwie nachteilig sein könnte.

Dr.Leggett schreibt dann weiter:
Zitat:
Gibbons [ref] would no doubt therefore conclude that the LSAG findings "can no longer be validated as reliable"; and would recommend that the way to approach such validation (as socially robust knowledge) would be to involve not just physicists but "many different 'knowledge dimensions'" achieved by "an extended group of experts, including lay 'experts'".


Es ist immer heikel, zu beurteilen, was ein anderer Autor "zweifelsohne folgern" würde. Aus diesem Grunde erlaube ich mir, dieses von Dr.Leggett ausgewählte Zitat in den vollen Zusammenhang in der Arbeit von Michael Gibbons zu setzen:
Zitat:
Both aspects of reliable knowledge are carried forward into socially robust knowledge. But although knowledge remains incomplete, this is no longer only in the conventional sense that it will eventually be superseded by superior science; rather it means that it may be sharply contested, and no longer remains within the controlled environment of scientific peers. This shift involves renegotiating and reinterpreting boundaries that have been dramatically extended, so that science can no longer not be validated as reliable by conventional discipline-bound norms; while remaining robust, science must now be sensitive to a much wider range of social implications.

Ich denke, dieser vollständigen Aussage im Zusammenhang kann man zustimmen, man wird aber dabei zu beurteilen, in wie weit diese "Neuinterpretation von Grenzen" im konkreten Fall anwendbar ist.

Wie ich schon oben erläutert habe: Bei einer Fachbeurteilung bringt es keine Reduktion des Restriskos, wenn disziplinengebundene Normen überwunden und fachfremde Personen zur Beurteilung beigezogen werden; indes bringt es eine Reduktion des Risikos, wenn fachkompetente Personen die Sicherheitsanalysen sorgfältig überprüfen (Peer-Review) und weitere fachkompetente Personen eine unabhängige Zweitanalyse erstellen.

Ich möchte mich aber nicht erdreisten, zu behaupten, dass dieser Aspekt und dieser Einwand Dr.Leggetts hiermit abschliessend beurteilt wäre; im Gegenteil: Ich sehe durchaus den Bedarf, dass fachkompetente Ethik-Spezialisten hierzu Stellung beziehen sollten. Somit ist das sechzehnte Zitat des Users "Gruber" noch in Bearbeitung.


Kapitel 4: Conclusion
Zitat:
The process used to produce and review the LSAG reports on the LHC risk can be seen to be, from a number of authoritative standpoints, out of date.

Wir haben gesehen, dass es zwar in der Sprache von Michael Gibbons dem "alten" Vertrag entspricht, wir haben indes nicht gesehen, warum dies nachteilig sein soll. Im Gegenteil, wir haben gesehen, dass der Beizug fachfremder Spezialisten bei einer fachlichen Bewertung der physikalischen Sicherheit des LHC keine zusätzlichen risiko-minderne Erkenntnisse erwarten lässt, während qualitätssichernde Massnahmen seitens weiterer Fachspezialisten (Peer Review, unabhängige Zweitanalyse) massive Qualitätsverbesserungen erwarten lassen. - Damit ist auch das neunzehnte Zitat des Users "Gruber" entkräftet.

Zitat:
Further, as the analogue of the regulator, CERN Council has a conflict of interest, and is under-constituted to assess such a novel, potentially catastrophic and therefore sensitive risk.

Das ist konstruiert, da die Fachgutachter mit den Entscheidungsträgern nicht in Personalunion stehen. - Damit ist auch das zwanzigste Zitat des Users "Gruber" entkräftet.

Zitat:
On this basis, a new review panel based on best practice for such panels should be set up to advise national, EU, and governments worldwide on the adequacy or otherwise of the LSAG report, and the LHC not operate until that panel has reported.

Die genannte Basis erscheint dünn und die vorgeschlagene Massnahme entsprechend überflüssig zu sein. Indes wäre es zweifelsohne interessant, zu erfahren, welche Überprüfung fachlicher Arbeiten seitens Ethik-Spezialisten vorgeschlagen wird; ohne hier vorgreifen zu wollen wäre ich aber ausserordentlich überrascht, wenn Ethik-Spezialisten den Wunsch äussern würden, in ein Fachreview-Team berufen zu werden. - Damit ist auch das einundzwanzigste Zitat des Users "Gruber" entkräftet und es verbleibt lediglich das sechzehnte Zitat zur Diskussion.


Freundliche Grüsse, Ralf
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missionman



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BeitragVerfasst am: 15.09.2009, 23:14    Titel: Leider wird kein Fanatiker darauf eingehen Antworten mit Zitat

Hallo Ralf,

vielen Dank für Deine umfangreiche Analyse. Leider wird es keiner der LHC-Kritiker/Fanatiker zu würdigen wissen und unbeirrt weiter Leggett als weiteren "Beweis" Ihrer Sache zitieren (achtphasen hat ihn schon vereinnahmt). Auch befürchte ich, dass Du von "gruber" nie wieder was hörst, das war nämliche eine Wiener Sockenpuppe erster Güte.

Gruss,
MM
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missionman



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Beiträge: 265

BeitragVerfasst am: 15.09.2009, 23:15    Titel: Antworten mit Zitat

Solkar hat Folgendes geschrieben:

@misssionman:
I understand your point is, that consulting people who have no expertise in the subject itself seems inappropriate and pointless to you as well as the demand for such a procedure.

If so, I'd like to reply on that, but before I do so:

Was that really your point?


Kind regards,

Solkar


In short: yes!

MM
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