Lorentztransformation und Kausalität

 
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tesserakt



Anmeldedatum: 31.08.2006
Beiträge: 11

BeitragVerfasst am: 07.09.2006, 13:34    Titel: Lorentztransformation und Kausalität Antworten mit Zitat

Hallo liebe Forumteilnehmer,
ich sitze hier vor meinem Minkowski-Diagramm und habe folgendes Problem:

Betrachtet werden 3 Inertialsysteme (I1, I2, I3). Das eine befindet sich in relativer Ruhe, das andere bewegt sich konstant nach links, das dritte nach rechts. Es passieren 2 Ereignisse (A und B):



In I1 passieren A und B nacheinander (tA, tB rot)
In I2 passieren A und B gleichzeitig (tAB)
In I3 passiert erst B und dann A (tB, tA blau).

Wenn man annimmt, die Ereignisse haben einen kausalen Bezug zueinander, z.B. A = Tasse steht auf dem Tisch, B = Tassen ist runtergefallen und ist kaputt, so entsteht folgende Situation:

in I1 fällt die Tasse in A vom Tisch und ist in B kaputt am Boden (ok)
in I2 steht die Tasse auf dem Tisch und liegt gleichzeitig kaputt am Boden (??)
in I3 liegen in B die Scherben auf dem Boden und danach steht die Tasse in A wieder auf dem Tisch (???)

Wenn Laufzeiten für den Informationstransport hierfür eine Rolle spielten, würde ich es verstehen. Da meines Wissens aber bei der Lt die Informations-Laufzeiten keine Rolle spielen, verstehe ich es irgendwie nicht.

Wer kann mir helfen?

Danke und Gruß
HH
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Joachim



Anmeldedatum: 20.02.2006
Beiträge: 1714

BeitragVerfasst am: 07.09.2006, 14:03    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo HH,

natürlich spielt die Laufzeit des Informationstransportes eine Rolle. A und B können nur im kausalen Zusammenhang stehen, wenn Information von einem Ereignis zum anderen gelangen kann.

Gruss,
Joachim
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M_Hammer_Kruse



Anmeldedatum: 19.02.2006
Beiträge: 1772

BeitragVerfasst am: 07.09.2006, 14:11    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo HH,

die beiden Ereignisse haben in keinem der drei Inertialsysteme einen kausalen Bezug. Wenn sie in I2 gleichzeitig stattfinden, muß die Information zwischen ihnen instantan vermittelt werden. Weil das aber höchstens mit Lichtgeschwindigkeit geht, kann kein kausaler Zusammenhang vorliegen.

Auch in den beiden Inertialsystemen, in welchen die Ereignisse zu verschiedenen Zeitpunkten geschehen, ist kein kausaler Zusammenhang möglich. In dem einen ist das wegen der Reihenfolge der Ereignisse klar. Im anderen wäre die Reihenfolge zwar kein Hindernis, aber ihr räumlicher Abstand ist dort so groß, daß die Information ebenfalls überlichtschnell sein müßte.

Du betrachtest in Deiner Frage nur den zeitlichen Abstand der beiden Ereignisse. Der ist aber alleine nicht hinreichend, um die Verhältnisse zu beurteilen. Du mußt immer zusätzlich den räumlichen Abstand betrachten. Aus beidem zusammen erhältst Du dann die notwendige Geschwindigkeit der Signalübermittlung.

Und wenn diese Geschwindigkeit in einem Inertialsystem größer als c ist, dann ist sie es auch in jedem anderen. Wenn sie dagegen in irgendeinem System kleiner als c ist, dann ist sie es in allen. Und wenn sie irgendwo gleich c ist, dann ist sie es überall.

Den Beweis dafür liefert die fundamentale Eigenschaft der Lorentztransformation, daß sich c²*delta_t²-(delta_x²+delta_y²+delta_z²) bei der Transformation nicht ändert (invariant ist). Es ist eine hübsche Übungsaufgabe, zu beweisen, daß das, was ich gerade gesagt habe, daraus folgt.

Gruß, mike

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Beiträge: 912
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BeitragVerfasst am: 07.09.2006, 14:15    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo tesserakt!


Zitat:

tesseraktDa meines Wissens aber bei der Lt die Informations-Laufzeiten keine Rolle spielen, verstehe ich es irgendwie nicht.


Wie kommst Du darauf? Die ganze LT und auch die SRT leiten sich doch gerade aufgrund der beschränkten Signallaufzeiten ab!
Dein Bsp. mit der Tasse würde nicht funktionieren: Die wäre ja immer an einem Ort (ist ja nur ein und derselbe Gegenstand und kann nur gleichzeitig an einem Ort sein) und das Ereignis "Tasse fällt" wäre auch nur ein Ereignispunkt für alle Beobachter, wenn auch an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten registriert.
Eigentlich ist das gerade der Witz mit der beschränkten Signalausbreitungsgeschwindigkeit: Ereignis A und B sind "raumartig" getrennte Ereignisse, sagt man da. Es gibt keine Möglichkeit, dass A auf B oder umgekehrt einen Einfluß haben kann. Nur zu einem späteren Zeitpunkt (und zwar in jedem Bezugssystem) kann ein Beobachter, der sich am Ort aufhält, wo A stattgefunden hat, von dem Ereignis B erfahren und umgekehrt.
Da die schnellste Signalausbreitungsgeschwindigkeit eben gerade c ist, teilt sich die Raumzeit in verschiedene Bereiche auf: Wenn Du Dir unter 45° die beiden Winkelhalbierenden einzeichnest in Dein Diagramm, dann ist alles was über den beiden Winkelhalbierenden liegt für jeden Betrachter definitiv in der Zukunft. Alles was unter beiden ist, in der Vergangenheit. Ereignisse, die dort liegen, haben zu mir hier und jetzt eine "zeitartige" Beziehung. Alle die rechts und links von mir liegen, eine "raumartige". Zeitartige Ereignisse können sich gegenseitig beeinflussen und sind auch in jedem Bezugssystem zeitartig. Raumartige sind auch in jedem Bezugssystem raumartig und können sich nicht gegenseitig beeinflussen.

Gruß
Marco
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tesserakt



Anmeldedatum: 31.08.2006
Beiträge: 11

BeitragVerfasst am: 10.09.2006, 16:20    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die Kommenarte,
dass die Ereignisse A und B in keinem kausalen Zusammenhang stehen können, habe ich verstanden.

Die Bemerkung zu den Informationslaufzeiten bei den Lt habe ich dem Kommentar zur Frage von Andy zur Gleichzeitigkeit entnommen:


Zitat:

Die Gleichzeitigkeit des Einschlags hat nichts mit der Lichtlaufzeit von Einschlagpunkt bis zum Beobachter zu tun, wie Du es andeutest. Die ist in jenem Gedankenexperiment schon herausgerechnet. Denn der Beobachter weiß ja, wie schnell sich das Licht ausbreitet, und er kann aus der beobachteten Zeit des Einschlags und der Entfernung zum Einschlagpunkt zurückrechnen, wann der Einschlag tatsächlich geschah.

Das Verblüffende ist: Wenn das zwei Beobachter tun, von denen sich der eine mit den Zug bewegt und der andere am Bahnsteig steht, dann werden sie zu verschiedenen Ergebnissen kommen, was den zeitlichen Abstand der beiden Einschläge betrifft. So kann bei einem geeigneten zeitlichen Ablauf der Dinge durchaus der eine feststellen, daß beide Blitze gleichzeitig eingeschlagen sind, während der andere ermittelt, daß sie das nicht getan haben.

Dinge, die für den einen gleichzeitig geschehen, tun das für den anderen nicht unbedingt, wenn sich die beiden Beobachter gegeneinander bewegen.



Das habe ich anscheinend falsch verstanden.

Gehe ich recht in der Annahme, dass in meinem Beispiel nicht entschieden werden kann, wie die Reihenfolge der Ereignisse ist?

Gruß HH
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Uli



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Beiträge: 472

BeitragVerfasst am: 10.09.2006, 17:46    Titel: Antworten mit Zitat

So ist es wohl: die Reihenfolge von Ereignissen, deren Abstand voneinander raumartig ist und zwischen denen deshalb kein kausaler Zusammenhang besteht, hängt von der Wahl des Bezugssystems ab.

Gruss, Uli
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as_string



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BeitragVerfasst am: 10.09.2006, 17:47    Titel: Antworten mit Zitat


Zitat:

tesserakt schrieb am 10.09.2006 17:20 Uhr:
Gehe ich recht in der Annahme, dass in meinem Beispiel nicht entschieden werden kann, wie die Reihenfolge der Ereignisse ist?


Ja, so ist es. Es gibt Inertialsysteme, in denen sie gleichzeitig stattfinden und solche, bei denen zuerst A dann B und umgekehrt passiert.

Zu dem Zitat aus dem anderen Thread: In Deinem Diagramm sind die Schnittpunkte mit den Achsen von den Beobachtern auch schon die "Lichtlaufzeit korrigierten" Zeitpunkte. Normalerweise müßte man immer einen Lichtkegel unter 45° von den Ereignissen ausgehend Einzeichnen. Die Schnittpunkte mit den jeweiligen t-Achsen wäre dann der Zeitpunkt, an dem das Licht des Ereignisses beim entsprechenden Beobachter angekommen wäre. Wenn der Beobachter aber daraus die Entfernung bestimmt und dann wieder die Lichtlaufzeit rausrechnet, kommt er auf die Punkte auf seiner t-Achse, die Du eingezeichnet hast.

Gruß
Marco
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tesserakt



Anmeldedatum: 31.08.2006
Beiträge: 11

BeitragVerfasst am: 25.10.2006, 10:45    Titel: Antworten mit Zitat

Liebe Forumexperten,
die o.g. Argumente basieren i.W. darauf, dass die beiden Ereignisse A und B räumlich zu weit auseinanderliegen, so dass sie keinen kausalen Bezug zueinander haben können - richtig???

Nun ist es aber möglich, die Ereignisse A und B beliebig räumlich anzunähern, ohne dass sich an den Abfolgen in den drei Inertialsystemen etaws ändert:



Daher gilt diese Argumentation m.E. dann nicht mehr - oder?!

Gruß HH
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as_string



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Beiträge: 912
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BeitragVerfasst am: 25.10.2006, 12:27    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo!

Deshalb unterscheidet man "raumartig getrennte" Ereignisse und "zeitartig getrennte" Ereignisse.
Wenn (das "d" soll immer für Delta, also die Differenz der jeweiligen Koordinaten der beiden Ereignisse, stehen):
s² = (c·dt)² - dx² - dy² - dz²
positiv ist, dann sind die Ereignisse zeitartig getrennt und können kausal voneinander abhängen.
Wenn s² < 0, dann sind die Ereignisse raumartig getrennt und können nicht voneinander abhängen.

Der Trick ist jetzt, dass diese Größe s² (was eigentlich kein richtiges Quadrat ist, aber trotzdem eine "normale" Zahl) für zwei Ereignisse immer gleich ist, egal in welchem IS man die beiden Ereignisse beschreibt. Die Größe ist also invariant gegenüber Lorentz-Transformation. Also bleibt die Größe auch in jedem beliebigen IS entweder raumartig oder zeitartig, also kleiner oder größer 0.

Man kann sogar sagen: Für raumartig getrennte Ereignisse gibt es immer ein IS, in dem die Ereignisse gleichzeitig stattfinden.
Für zeitartig getrennte Ereignisse gibt es immer ein IS, in dem die Ereignisse am selben Ort stattfinden.

Man zeichnet in die Minkowski-Diagramme dann gerne einen "Lichtkegel" ein (eigentlich eine in der Zeit größer werdende Kugel). Das sind dann immer die Winkelhalbierenden im Minkowski-Diagramm. Dann kann man sagen, alles, was zwischen den beiden Winkelhalbierenden liegt (also über beiden oder unter beiden) kann kausal voneinander abhängen (zeitartig), alles was links oder rechts zwischen den beiden Winkelhalbierenden liegt, kann nicht kausal voneinander abhängen (raumartig). Alles, das auf den Winkelhalbierenden liegt, nennt man übrigens "lichtartig".

Das wird klarer, wenn man das mal aufzeichnet. Kann ich noch gerne machen, aber wahrscheinlich gibt es das schon alles im Internet. Bei Wikipedia sind oft diese symmetrischen Minkowski-Diagramme gezeichnet, was ich nicht so gut für's verstehen finde. Aber das ist wohl Geschmackssache.

Gruß
Marco
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tesserakt



Anmeldedatum: 31.08.2006
Beiträge: 11

BeitragVerfasst am: 25.10.2006, 14:49    Titel: Antworten mit Zitat

Danke Marco,
hatte die Formel zwar bei Mike schon gesehen, aber noch nicht so richtig verstanden. In meinem Beispiel bleibt dx² immer größer als (c*dt)² und damit wird s² nie positiv, was zu beweisen war. Damit ist das Thema für mich auch durch. Nochmals vielen Dank.

Gruß HH
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