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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 22.06.2008, 21:49 Titel: Elektronenröhren in Physik und Technik |
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GASENTLADUNGSRÖHREN
Wer in einem Forum über Elektronenröhren schreibt, muss sich zuvor bewusst werden, dass das Thema schier unerschöpflich ist. Es gilt daher eine sinnvolle Auswahl zu treffen bei welcher das Wesentliche nicht zu kurz kommt. Als selektionierendes Prinzip wirkt wie immer die technische Physik.
Begonnen bei mir in obiger Hinsicht hat vieles mit William Crookes (1832-1919) - einem englischen Privatgelehrten (Chemist, Physicist) - und seinen grünlich leuchtenden Gasentladungsröhren, die ich als Knabe in einem Sammelband meines Vaters fand. Für den angehenden Physiklaboranten und späteren Physikingenieur (wer konnte das damals auch nur im Entferntesten ahnen) waren diese Dinge eine faszinierende Fundgrube geistiger Erregung. Crookes entdeckte auch das Prinzip des Szintillationszählers (Zinksulfid, das von einer radioaktiven Quelle zu Lichtblitzen angeregt wird). Den Rest schlage man in den "Erinnerungen eines Vielgereisten" nach. Doch bereits viel früher hat man mit evaquierten Röhren experimentiert. Swedenborg hatte 1772 eine Vakuumpumpe erfunden. Später kamen die Pumpen von Geissler und Sprengel sowie die Quecksilberluftpumpe von Raps hinzu. Heutzutage würde man eine Drehschieberpumpe einsetzen. Die Glasbläserkunst stand bereits im 17. Jahrhundert in hoher Blüte. Es fehlten aber noch weitgehend die elektrophysikalischen Grundlagen, um den Phänomenen eine einheitliche Basis zu verleihen. Auch waren die damit verbundenen technischen Schwierigkeiten noch nicht vollumfänglich gemeistert. Der eigentliche Aufschwung erfolgte erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts.
In der ersten Hälfte des "elektrischen Jahrhunderts" oblag es Faraday - angeregt durch seinen Mentor Humphry Davy -, die Stromleitung in Gasen bei verschiedenen Drücken und Spannungen zu untersuchen. Erinnert sei an das "elektrische Ei" (1830). Der umtriebige Experimentator beobachtete die Glimmentladung (Kathoden- und Anodenlicht). Beigetragen zum Fortschritt hat zweifellos auch Faradays Entdeckung der Induktion. Fortan musste sich der Forscher nicht nur mit den Voltaschen Säulen begnügen, sondern konnte beliebig hohe Spannungen mit Induktoren erzeugen (was gerade für Gasentladungsröhren unverzichtbar war).
Jahrzehnte vor Edison begann Bequerel mit einer Reihe von Versuchen, in denen er die Elektronenemission entdeckte. Er kam dabei zum Schluss, dass sich "Materieteilchen" von der Kathode ablösten. Plücker (1858) veröffentlichte eine Schrift "Über die Einwirkung des Magneten auf die elektrischen Entladungen in verdünnten Gasen". Einige meinen sogar, dass er die Kathodenstrahlen entdeckt habe. Plücker war der Lehrer von Hittorf und in gewissem Sinne auch von Geissler. Der Letztere tat sich als Glasbläser kund und war sozusagen der Institutsmechaniker von Plücker, indem er die nach ihm benannte Geisslerröhre in ihren zahlreichen Varianten schuf. Hittorf begann ab etwa 1869 mit kalten und später mit erhitzten Gasen zu experimentieren. Unabhängig von Edison entdeckte auch er die Glühemission.
Edison (1883) beobachtete bei seinen Glühlampen - ohne allerdings die tiefere Bedeutung zu erkennen - den nach ihm benannten Effekt (manchmal auch als Richardson-Effekt bezeichnet).
Zitat: | Wenn eine leitfähige Substanz irgendwo in den Vakuumraum des Kolbens einer elektrischen Glühlampe eingebracht wird und diese außerhalb der Lampe mit einem Pol, am besten mit dem positiven Pol der Glühlampe, verbunden wird, fließt ein Teil des Stroms, wenn die Lampe brennt, durch den so gebildeten Nebenschlusskreis, der einen Teil des Vakuums in der Lampe einschließt... |
Aus einer im Vakuum (Restgas) befindlichen elektrisch beheizten Elektrode (Kohlefaden, Wolframwendel) treten Elektronen aus, um eine Raumladung zu bilden. Diese Ladungswolke kann bspw. mit einem Elektrometer nachgewiesen oder unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes (Anode, Steuergitter) beeinflusst werden. Auch bei den jederman bekannten Leuchtstoffröhren erfolgt eine Glühemission.
[Einen diesbezüglichen Versuch kann jeder Sekundarschüler mit etwas Geschick durchführen, indem er eine Glühlampe mit zwei Wendeln (12V/5W/20W - wie sie in PKW's gebräuchlich sind) verwendet. Glühlampen haben als Füllgas Stickstoff, Argon oder Krypton. Die Gebräuchlichsten im Haushalt sind Niederdrucklampen. Eine Wendel soll als Glühkathode und die andere als Anode dienen. Letztere wird an ihrer schwächsten Stelle durchgeschmolzen, indem sie an die Sekundärwicklung eines Steuertransformators (48V) angeschlossen wird. Nun wird der unterbrochene Wendeldraht auf positives Potential gelegt, während der intakte von einem Batteriestrom durchflossen wird und als Glühkathode dient. Elektronen aus der Ladungswolke werden unweigerlich in Richtung der positiven Wendel (Anode) beschleunigt. Der Anodenstrom ist allerdings sehr klein und es bedarf gewisser Tricks, um ihn mit einem Multimeter zu messen. Erhöht man die Anodenspannung kontinuierlich - ohne dabei die intakte Wendel zu beheizen! -, setzt bei Erreichen der Zündspannung eine Gasentladung ein. Nun muss der Stromfluss durch einen ohmschen Widerstand begrenzt werden. Nach erfolgter Zündung (je nach Gas und Druck bei verschieden hohen Zündspannungen) fällt die Spannung an den Glimmelektroden auf den Wert der Brennspannung ab (bei Verwendung von 40 W Leuchstoffröhren von 1,2 m Länge etwa 110 V). Eine Zeitlang waren nach diesem Prinzip funktionierende gasgefüllte Gleichrichterröhren (Glimmlichtgleichrichter) im Handel. In der Mitte befand sich eine Kohlestab-Anode, die von einer Kathode aus gewelltem Eisenblech umgeben war. Der Stromfluss in die eine Richtung war dabei ausgeprägter als in die entgegengesetzte, so dass von einem Gleichrichteffekt gesprochen werden konnte. Solche Röhren wurden aber durch Vakuumröhren (und später durch Halbleiterventile) verdrängt.]
Schuster (1884) verbreitete seine Überzeugung, dass Kathodenstrahlen aus negativ geladenen Partikeln bestünden. Eine Vorstellung, die später von Perrin (1895) verifiziert wurde. Deren Beeinflussung durch elektrische und magnetische Felder wurde von Wiechert, Kaufmann und Thomson (1897) erforscht. Erinnert sei auch an die Kanalstrahlen (Goldstein, 1876), welche sich als positiv geladene Ionen erwiesen, die durch eine geschlitzte Kathode hindurch flogen. Nachdem auch die Röntgenstrahlen entdeckt wurden, nahm der Fortschritt auf dem Gebiete der Elektronenröhren unaufhaltsam zu.
Röntgen (1845-1923) war ein besonderer Mensch. Nach zahlreichen formalen Schwierigkeiten beim Studium - die es zu überwinden galt - konnte Röntgen am Polytechnikum in Zürich Maschinenbau studieren. Unter seinen Kommilitonen war er als "Apeldoorn" bekannt. Er promovierte nach seinem Studium an der Univ. Zürich (wie Einstein später auch). In der nahe gelegenen Wirtschaft "Zum grünen Glas" machte Röntgen die Bekanntschaft mit seiner späteren Frau Bertha. Deren Vater - ein ehemaliger Jenaerstudent, der nach der Revolution (1830) in die Schweiz geflohen war - erteilte nebst dem Wirtschaften auch Privatunterricht in den klassischen Sprachen sowie im Fechten. Als Kundt (1870) als Nachfolger von Clausius nach Würzburg berufen wurde, ging Röntgen als Assistent mit, um am physikalischen Kabinett der Univ. zu wirken. Später ging es nach Strassburg, wo Röntgen endlich habilitieren durfte (nachdem ihm dies in Würzburg wegen fehlendem Reifezeugnis und fehlender lateinischer Vorbildung verwehrt worden war). Nach mehreren Universitätswechseln landete er schliesslich erneut in Würzburg, wo er zusammen mit seiner Frau "die glücklichsten Jahre" verbrachte. Hier gelang im in Folge die Entdeckung der X-Strahlen. Die Zeit würde mir fehlen, wenn ich auf sämtliche Ereignisse im Leben dieses begnadeten Forschers einginge. Röntgen arbeitete stets bis in die Nacht hinein. Manchmal verbrachte er auch ganze Tage und Nächte in seinem Laboratorium. Nebst Vakuum- und Gasentladungsröhren jeglicher Art und Induktoren (Rühmkorff-Induktionsspule) beschäftigte sich Röntgen gründlich mit der Kathodenstrahlröhre nach Lenard, bevor ihm in den Abendstunden des 8. Novembers 1895 die grosse Entdeckung (Über eine neue Art von Strahlen) gelang, welche die Welt der Medizin radikal verändern und seinem Entdecker unsterblichen Ruhm bescheren sollte.
Zitat: | Am Abend des 8. November 1895 arbeitete Röntgen mit einer Hittorf-Crookesschen Röhre, die ganz in schwarzes Papier eingehüllt war. Er wollte Kathodenstrahlen untersuchen. Der Raum war absolut dunkel. In einiger Entfernung von der Röhre befand sich ein mit Bariumplatinzyanid behandeltes Papier, das als fluoreszierender Schirm diente. Zu Röntgens Überraschung leuchtete es plötzlich auf. Offenbar war irgend etwas auf den Schirm aufgetroffen, das ihn zur Fluoreszenz anregte. Die Röhre aber war ganz mit dünnem schwarzen Karton abgedeckt, so daß unmöglich Licht oder Kathodenstrahlen herausdringen konnten. Äußerst verblüfft, beschloß Röntgen, dem unerwarteten, rätselhaften Phänomen weiter nachzugehen und drehte den Schirm so, daß die nicht mit Bariumplatinzyanid bestrichene Seite der Röhre zugewandt war. Der Schirm fluoreszierte immer noch. Er rückte den Schirm weiter von der Röhre ab, und die Fluoreszenz hielt an. Dann stellte er verschiedene Gegenstände zwischen Röhre, und Schirm, die alle durchsichtig zu sein schienen. Und als er seine Hand vor die Röhre hielt, konnte er auf dem Schirm seine Knochen sehen. Allem Anschein nach hatte er (wie er sich in seiner ersten Veröffentlichung über das Thema selbst ausdrückte) eine "neue Art von Strahlen" entdeckt. |
(aus "Die großen Physiker und ihre Entdeckungen" von Emilio Segre)
Bereits vor ihm hatten sich Forscher wie Hertz, Helmholtz, Lenard, Hittorf und Crookes mit Kathodenstrahlen in Entladungsröhren befasst; doch die Entdeckung der X-Rays blieb allein dem stets bescheidenen Röntgen vorbehalten.
O alte, traute, dunkle Zeit,
Wohin bist du entschwunden!
Was wird zu unserm Herzeleid
Von Röntgen jetzt erfunden
Was sonst bedeckt mit
Nacht und Grauen,
Ist nun im X-Strahl
frei zu schauen.
Das Experimentalstudium der Gasentladungen und der Vakuumröhren hat also tiefe Einsichten in den Bau der Materie mit sich gebracht, so dass wir uns zuerst den Gasentladungsröhren näher zuwenden. Der Name induziert bereits, dass freie Ladungsträger (Elektronen und Ionen) beteiligt sind. Aus wissenschaftshistorischer Sicht könnte man diese im Ausklang des 19. Jahrhunderts praktizierten Versuche mit evakuierten oder teilevakuierten Röhren als Vorstufe zur Atomphysik bezeichnen.
Zu den Gasentladungsröhren zählen nebst der Crookes'schen bzw. Hittorf'schen Röhre auch die Geisslerröhre und - als Spezialfall - die Blitzlampe. Auch das im physikalischen Praktikum beliebte Fadenstrahlrohr soll nicht unerwähnt bleiben.
1) Crookes'sche Röhre
Die von Crookes verbesserten Hittorfschen Röhren sind Gasentladungsröhren niederen Druckes (etwa 1 mm Hg). Für Versuchszwecke besassen sie mehrere Anoden:
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/crookes_s.jpg
Elektronen treten stets senkrecht zur Kathode aus. Wird die Kathode parabolförmig konstruiert, lässt sich ein Brennfleck - ähnlich dem einer optischen Linse - erzeugen. Es wurden die unterschiedlichsten Varianten gebaut. Lenard und Röntgen bedienten sich für ihre eigenen Untersuchungen der Hittorf'schen Röhre.
Auch die Schattenkreuzröhre geht auf Crookes zurück. Elektronen, welche die malteserkreuzförmige Anode am Rande streifen, hinterlassen auf dem Glaskolben ein "Schattenkreuz":
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/schattenkreuz_s.jpg
Mit dieser Elektrodenausführung sollte die geradlinige Ausbreitung der Ladungsträger nachgewiesen werden.
Bekannt ist auch die "Railway Tube":
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/railwaytube_s.jpg
In der zylindrischen Röhre ist ein filigranes Flügelrad beweglich auf zwei Glasschienen angeordnet. Die Kathodenstrahlen üben eine mechanische Wirkung (Impulsübertrag) auf das Flügelrad aus, wodurch sich das Rad zu drehen beginnt und auf den Schienen vorwärts fährt. Wird die Polarität der angelegten Gleichspannung vertauscht, ändert sich auch die Bewegungsrichtung des Rades, so dass es auf den Glasschienen hin und her fahren kann.
Im Kontext soll auch die Radiometerröhre (Lichtmühle) kurz Erwähnung finden, die gelegentlich als dreidimensionales Sujet in Bücherregalen oder auf Kommoden zu finden ist. Jeder kennt das in einem Glaskolben gelagerte Flügelrad aus einseitig geschwärzten Glimmerplättchen. Unter dem Einfluss von Sonnenlicht beginnt sich das Rad zu drehen.
2) Geisslerröhre
Auch Geisslerröhren (im Grunde nichts anderes als auseinandergezogene Glimmlampen) demonstrieren die Elektrizitätsleitung in Gasen unter vermindertem Druck und die dabei auftretenden Lichterscheinungen:
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/geisslerroehren_s.jpg
Zitat: | Wird in die Funkenstrecke eine verschlossene, annähernd luftleer gemachte Glasröhre gebracht, welche an beiden Enden ein Stück Platindraht eingeschmolzen erhält, welcher mit den Polklemmen des Funkeninduktors in leitende Verbindung gebracht ist, so wird sich der durch die Röhre gehende Funke in ein wellenartiges, büschelähnliches Licht verwandeln. |
Geisslerröhren (eine Spezialität vornehmlich aus Thüringen) zeichnen sich durch eine grosse Formenvielfalt und unterschiedliche Leuchterscheinungen aus. Es handelt sich um Meisterstücke des Glasapparetebaus, die nicht erst nur heutzutage dekorativen Zwecken dienten. Bestimmte Sektionen der Röhre sind manchmal mit einer fluoreszierenden Flüssigkeit gefüllt. Nebst Klarglas wird sog. Uranglas (Uranit) verwendet. Dieses leuchtet im Betrieb in grüngelblichem Schein, als ob das Glas aus sich selbst heraus strahlen würde. Als Gasmedium wird meist Luft (Grobvakuum) mit Zugabe von etwas Quecksilber verwendet. Zündspannungen von mehreren kV sind üblich. Werden andere Gase, z.B. Neon verwendet, spricht man von "Spektralröhren".
3) Fadenstrahlrohr
Das Fadenstrahlrohr (eig. Fadenstrahlröhre) besteht aus einem mit Wasserstoffgas niederen Druckes (ca. 1 Pa) gefüllten kugelförmigen Glasgefäss. Im Glaskolben befindet sich eine Elektronenkanone, bestehend aus Glühkathode und Lochanode. Einige Modelle besitzen zudem einen Wehneltzylinder, um die Elektronen auf ihrem Wege zur Anode zu fokussieren. Durch die gelochte Anode hindurch gelangen beschleunigte Elektronen aus dem zentralen Strahl wie ein dünner Faden in die Wasserstoffatmosphäre, die dadurch zum Leuchten angeregt wird. Setzt man das Fadenstrahlrohr in das homogene Magnetfeld eines Helmholtzspulenpaares, lässt sich sehr schön die Ablenkung im B-Feld beobachten. Bei genügender Feldstärke resultiert eine Kreisbahn:
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/fadenstrahlrohr_s.jpg
Die ablenkende Kraft wird als Lorentzkraft bezeichnet:
F = q(vxB) = m*v^2/r
Daraus lässt sich mittels einiger zusätzlicher Überlegungen die spezifische Elektronenladung e/m [C/kg] berechnen. Anstelle des elementar aufgebauten Fadenstrahlrohrs kann natürlich auch ein Massenspektrometer zum Einsatz kommen. Weil aufgrund des Millikanversuchs (1910) die Elementarladung e bekannt ist, kann somit auch die Elektronenmasse bestimmt werden. Für das Grundpraktikum im Physikstudium bereits ganz passabel.
4) Röntgenröhre
Obwohl die Röntgenröhre bekanntlich keine Gasentladungsröhre ist, soll sie im wissenschaftshistorischen Kontext an dieser Stelle eingegliedert werden. Beschiesst man ein metallisches Target mit energiereichen Elektronen, kann Röntgenstrahlung erzeugt werden. Es ensteht - je nach Konstruktion - a) charakteristische Röntgenstrahlung (K-Schalen-Emission), b) Bremsstrahlung und c) Lilienfeldstrahlung (ein gräulich-weisses Licht um die Anode). Meist wird nur die Bremsstrahlung benutzt, um Organe (Füsse, Lunge etc.) zu durchleuchten. Röntgenstrahlen werden auch zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung (z.B. Schweissnähte von Rohren) verwendet.
Im einfachsten Fall besteht diese Röhre aus einem evaquierten Glaskörper, in dem sich die Glühkathode und eine Anode aus Kupfer oder Wolfram befinden. Die historische X-Strahlenröhre von Gundelach besass zudem eine Antikathode. Um die Elektronen auf einen kleinen Brennfleck auf der Anode zu fokussieren, wird meist ein Wehneltzylinder verwendet:
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/roentgenroehre_s.jpg
Um die Elektronen genügend zu beschleunigen, muss die Anodenspannung gross sein (30 bis 150 kV und höher). In den heutigen Röntgenröhren werden u.a. Drehanoden aus einer Wolfram-Rhenium-Legierung verwendet. Die Strahlung wird über eine Blende entnommen. Um die entstehende Wärme abzuführen kommt Luft-, Wasser- oder Oelkühlung vor. Hochleistungsröhren haben anstelle des Glases ein Metallgehäuse.
Damit sind wir am Ende des heutigen Exkurses angelangt.
Gr. zg _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler!
Zuletzt bearbeitet von zeitgenosse am 01.07.2008, 02:26, insgesamt 3-mal bearbeitet |
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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 25.06.2008, 01:31 Titel: |
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VAKUUMRÖHREN (auf dem Weg zur Triode)
Wer meinen gestrafften Vorbeitrag über die Gasentladungsröhren gestreift hat, wird mir beipflichten, dass der Experimentalphysiker des 19. Jahrhunderts nicht nur Physiker, sondern auch Elektriker, Mechaniker, Glasbläser, Chemiker, Metallurg und vieles mehr in Personalunion sein musste, um wirklichen Erfolg bei den zahllosen Experimenten zu haben. Wirklich interessant bezüglich eigentlicher Elektronenröhren für Verstärkungszwecke wurde die Technische Physik erst mit der Erfindung der Triode. Viele verstehen unter Elektronenröhren sowieso nur die in der Radio- und Fernsehtechnik vorkommenden Vakuumröhren (und so unrecht haben sie eigentlich nicht damit, ist doch nur im Vakuum das Elektron der bestimmende Ladungsträger, während in Gasen auch Ionen beteiligt sind). Dennoch wäre der Begriff viel zu eng gefasst, würden wir uns nur auf diesen Aspekt der Entwicklung beschränken. In späteren Beiträgen - so Gott will und wir leben - werden wir dies noch deutlicher erkennen. In diesem Beitrag soll es hingegen nur um die Entwicklungsgeschichte der Drei-Elektrodenröhre (Audion, Triode) gehen. Einige Namen, die mir dazu gerade durch den Kopf gehen, sind die von Fleming, v. Lieben, Lee De Forrest (und viele weitere mehr...).
Was man im historischen Rückblich auch gut erkennt: Zuerst waren die Experimentalphysiker mit ihrem vitalen Forschungstrieb, dann kamen die Ingenieure und Techniker, danach erst die theoretischen Physiker, welche die Phänomene in Theorien einpassten.
Die im Text gelegentlich eingestreuten Zitate sind dem Buch "Schaltungen historischer Audio-Röhrengeräte" von Rainer zur Linde (Elektor-Verlag) entnommen. Ebenso die Grafik (Schema) zum US-Patent Nr. 879532 vom 18 Febr. 1908 von De Forest.
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Der Schotte John Ambrose Fleming (1849-1945) grübelte im Jahre 1904 - als er für die 'Marconi Wireless Telegraph Company' arbeitete - über einem Problem zur Gleichrichtung hochfrequenter Wechselströme. Dabei kam ihm der Edison-Effekt in den Sinn, dass nämlich die in einer evakuierten Glasröhre von einem Glühdraht emittierten Elektronen, die von einer positiven Elektrode (Anode) angezogen wurden, geradezu vorzüglich das Prinzip der Gleichrichtung demonstrierten. Damit hatte die Geburtsstunde des Glühdrahtgleichrichters (Diodenventil) geschlagen.
Primitiver Diodengleichrichter mit Edison-Gewinde:
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/fleming.jpg
Fleming nannte seine Erfindung "Oscillation Valve" und sprach später (als ihm Swan eine Glühlampe mit einem den Glühdraht umgebenden Metallzylinder baute) von einem "thermionischen Ventil".
Ausgangslage war, dass weder der Kohärer von Branly noch der Detektor von Lodge einen befriedigenden Radioempfang erlaubten, so dass nach besseren Lösungen Ausschau gehalten wurde. Das Elektronikzeitalter hatte mit Flemings Gleichrichterröhre in der Tat begonnnen.
In den Staaten arbeitete Lee De Forest (1873-1961) an ähnlichen Problemen, wovon seine im Jahre 1906 vorgestellte Erfindung einer Zwei-Elektrodenröhre (Device for amplifying feeble electrical currents [...] as a detector for use in wireless telegraphy...) Zeugnis gibt. Der entscheidende Schritt war aber im Jahre 1906 noch nicht getan. Noch fehlte die Einführung einer Drei-Elektrodenröhre; diese liess aber nicht mehr lange auf sich warten.
Auch auf dem Kontinent war man nicht untätig in dieser Sache. Völlig unabhängig von den genannten Erfindern befasste sich ein Österreicher jüdischer Abstammung, Robert von Lieben (1878-1913), mit ähnlich gelagerten Ideen, die im Jahre 1906 in einer Patentschrift vorgestellt wurden. Von Lieben, der in Olmütz eine Telefonfabrik erworben hatte, erkannte das Bedürfnis nach einem NF-Signalverstärker. Dazu angeregt war er womöglich von Nernst worden, der ihn auch auf Wehnelt und dessen Fokussierelektrode aufmerksam machte. Zum Patent angemeldet hatte v. Lieben ein "Wechselstrom-Relais" (Kathodenstrahlrelais), bei dem ein aus einer Glühkathode kommender Strahl zu einer kastenförmigen Anode lief mit der Möglichkeit, dessen Intensität durch ein äusseres Magnetfeld zu beeinflussen. Zusätzlich wurde auf eine elektrostatische Steuerung verwiesen und damit - zumindest prinzipiell - das Konzept eines Steuergitters vorweggenommen. Technische Unterstützung fand er beim Wiener Chemiker Dr. Leiser und zweier Mitarbeiter aus Olmütz, Eugen Reisz und Siegmund Strauss. Deutlich wurde auf die Möglichkeit der Verstärkung von elektrischen Signalen - auch im Niederfrequenzbereich - hingewiesen "mittels Stromschwankungen kleiner Energie solche von grosser Energie auszulösen, wobei Frequenzgang und Kurvenform der ausgelösten Stromschwankungen denen der auslösenden entsprechen..."
Wie so oft in der Technik hatte also auch das einsetzende Elektronikzeitalter verschiedene Väter.
Im Jahre 1907 hatte De Forest sein ursprüngliches Ventil um eine zusätzliche Elektrode (Trigger) ergänzt, die aber noch nicht als Steuergitter im eigentlichen Sinne ausgelegt war, sondern zunächst lediglich die Gleichrichteigenschaften verbessern sollte. Trotzdem war damit erstmals eine Elektronenröhre (sog. Audiongleichrichter) mit drei Elektroden verfügbar, die aber noch keinen durchgehenden Verstärkungseffekt mit sich brachte. Zudem hatte De Forest aufgrund bestimmter Überlegungen - die sich letztlich aber als hinderlich erwiesen - die dritte Elekrode ausserhalb des Raumes zwischen Anode und Kathode angebracht, so dass eine wirksame Steuerwirkung zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden konnte, aber doch eher unwahrscheinlich war.
Zitat: | De Forest hatte die Anordnung derart vorgeschlagen, dass in der Entladungsröhre eine von der Gleichstromquelle durch einen Kondensator isolierte, gitter- oder siebförmige Hilfselektrode vorgesehen war. Die zu verstärkenden Ströme wurden dabei über die Katode und die erwähnte Elektrode geleitet. [...] Eine derartige Anordnung hatte den offenbaren Nachteil, dass infolge der Ventilwirkung der glühenden Kathode nur Halbwellen zwischen der Katode und den anderen Elektroden übergehen konnten, weshalb es unmöglich war, Wechselströme gleicher Frequenz- und Kurvenform wie die zu verstärkenden Ströme zu entnehmen... |
Die eigentliche Verstärkerröhre (Triode) war mit dieser Konstruktion also noch keinesweg gefunden. Auch war man sich in jenen Jahren nur unzulänglich bewusst darüber, dass allein ein stabiler Arbeitspunkt (ein für Verstärkerröhren unverzichtbares Kriterium) zum Erfolg führen konnte, was aber erst mit dem Bau von Hochvakuumröhren möglich wurde. Diese Einsichten wurden erst später durch systematische Untersuchungen, u.a. im Telefunken-Labor, gewonnen. Wer sich mit diesen Anfängen der Röhrengeschichte eingehend befasst, erkennt unschwer, dass das diesbezügliche Forschen bis Anfang der zwanziger Jahre (wo mit dem Phonographenverstärker allmählich der Kommerz einsetzte) noch vielfach auf empirischer Grundlage stattfand.
Es ist aufgrund eines weiteren Patentes aus dem Jahre 1908 offensichtlich, dass De Forest die Steuerwirkung des Gitters (Grid) wesentlich verbesserte, indem er in einem weiteren Schritt das Gitter zwischen Kathode und Anode anordnete und somit das eigentliche Audion entwickelte, welches ab 1915 von Western Electric im transkontinentalen Telefonverkehr eingesetzt wurde.
Das Problem dabei war der Gitterkondensator! Bis 1912 erwiesen sich die Versuche, das Audion als NF-Verstärker (Telephon-Repeater) einzusetzen mehr oder weniger als erfolglos. Erst als seitens Arnold, Chefkonstrukteur bei Western Electric, eine zusätzliche Verbesserung erfolgte, indem dieser den Gitterkondensator kurzerhand entfernte und damit das Gitter auf negatives Potential setzte, konnte man in die Fertigung gehen. Ein Jahr später, im Oktober 1913, wurden die ersten funktionsfähgen Trioden in der Telefonverbindung New York-Baltimore als Signalverstärker eingesetzt. Bis zum Jahre 1915 wurde das "De Forest Audion" von McCandless in Handarbeit hergestellt. RCA, General Electric und Westinghouse bekundeten ebenso reges Interesse.
Leider kam es im Zuge dieser Entwicklung zu Prioritätsansprüchen gegenüber v. Lieben, was uns aber nicht verwundern sollte. De Forest (als "Vater des Radios" bekanntgeworden) sollte auch noch später in Patenstreiten für Schlagzeilen sorgen, so dass seine Integrität nicht unumstritten blieb. Eines aber kann mit ziemlicher Gewissheit gesagt werden: Zweifellos hat v. Lieben als erster die gedankliche Konzeption einer Verstärkerröhre (die mit einem den Anodenstrom steuernden Kraftfeld arbeitet) skizziert, die Konstruktion und Durchführung einer Ventilröhre mit einer zusätzlichen Elektrode muss aber De Forest zugebilligt werden.
[Nun gibt es natürlich auch Stimmen (wie diejenige des Radiokenners Ernst Erb), die das Gesagte in Abrede stellen (indem sie es als "braune Mär" abtun) und De Forest als den primären Erfinder der Triode bezeichnen. Nur fragt sich dabei, was unter einer Triode zu verstehen ist? Geht es dabei um eine Gleichrichterröhre mit drei Elektroden haben diese nicht unrecht; handelt es sich aber um eine Verstärkerröhre im Sinne des v. Lieben-Patentes von 1910, muss diese Aussage aufgrund des mir bisher vorliegenden Materials doch etwas relativiert werden. Immerhin muss ich der Gegenseite zugestehen, dass die Liebenröhre als Telefonieverstärker ihren Ansprüchen nicht vollumfänglich gerecht wurde.]
Reisz, dazumal ein enger Mitarbeiter v. Liebens, erinnert sich wie folgt:
Zitat: | Als wir unser Patent anmeldeten, wurden uns vom Reichspatentamt die Arbeiten Lee de Forests entgegengehalten, der nur ein Audion, aber keinen Verstärker konstruiert hatte; das war das Erste, was wir von Lee de Forest überhaupt hörten... |
Von Lieben blieb zusammen mit seinem Team nicht untätig. In einer Patentschrift aus dem Jahre 1910 (Relais für undulierende Ströme, bei welchem durch die zu verstärkenden Stromschwankungen ein Ionisator beeinflusst wird) sowie einem Zusatzpatent (sog. Gitterpatent) werden die für eine Verstärkerröhre entscheidenden Merkmale vorgestellt. In den Laborversuchen beobachtete der unermüdliche Forscher, dass sich im gasgefüllten Rohr um die Anode herum ein störendes Glimmlicht bemerkbar machte. Solches verunmöglichte eine stabile Arbeitsweise der Röhre. Deshalb brachte v. Lieben ein gelochtes Blech (Sieb) zwischen Kathode und Anode an, um damit den Störeffekt zu unterdrücken. Mit diesem Ziel vor Augen entdeckte er, dass der Anodenstrom sehr empfindlich auf unterschiedliche Gitterpotentiale reagierte. Diese Beobachtung führte dazu, die magnetische Beeinflussung des Elektronenstroms durch eine äussere Ringspule gänzlich zugunsten der elektrostatischen Steuerung mit Hilfe eines Gitters aufzugeben. Damit hatte v. Lieben - ohne es unmittelbar zu wollen - die Triode als aktives Verstärkerelement (mit)erfunden. Der Erfinder erkannte auch die Bedeutung der Gittervorspannung, um so den Arbeitspunkt in die Mitte der Kennlinie zu verschieben (was für die Verstärkung beider Halbwellen eine wichtige Voraussetzung ist). Nachträglich wirkte sich nach wie vor aus, dass die Liebenröhre keine reine Vakuumröhre war, sondern noch immer eine Quecksilberdampffüllung enthielt. Erst ab 1913 verzichtete man gänzlich auf Quecksilber.
Liebenröhre (ganz links):
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/lieben.jpg
Im Jahre 1911 meldete v. Lieben sein "Verbesserungspatent" an, um damit die Voraussetzung für die Serienfertigung zu schaffen. Im selben Jahr führte v. Lieben seine (gemeinsam mit Reisz und Strauss entwickelte) Drei-Elektrodenröhre im Institut für physikalische Chemie der Univ. Berlin einem grösseren Kreis vor. Ein Jahr später wurde das "Lieben-Konsortium" gegründet, nachdem es bereits früher zu einem Treffen mit deutschen Industriellen gekommen war. Sinn und Zweck der Zusammenarbeit war, die Liebenröhre soweit zu verbessern, dass sie in technischen Anlagen, z.B. als Zwischenverstärker im Telefonnetz, eingesetzt werden konnte. Beteiligt waren AEG, Telefunken, Felten & Guilleaume und Auer von Welsbach. Produziert wurde bei AEG (Kabelwerk Oberspree) und möglicherweise auch bei Siemens-Osram. Doch schon im Jahre 1914 (!) - v. Lieben war bereits tot - fertigte Siemens die erste Hochvakuumröhre (sog. A-Triode), welche von Schottky konstruiert worden war und als NF-Verstärker Verwendung fand. Anderen Quellen zufolge soll Pirani (damals Oberingenieur bei Siemens & Halske) diese Röhre entwickelt haben. Parallel dazu brachte Telefunken die EVN-Serie heraus. Die Herstellung von Hochvakuumröhren war inzwischen möglich wegen der von Gaede entwickelten Vakuumpumpe. Der Nimbus der Liebenröhre begann zunehmends zu verblassen; deren Produktion wurde im Jahre 1922 endgültig eingestellt, weil inzwischen verbesserte Röhrentypen auf dem Markt waren.
Der technische Fortschritt liess also nicht lange auf sich warten. Im Jahre 1912 verbesserte Arnold - wie gesagt - das "De Forrest Audion", indem er es zur eigentlichen Triode umfunktionierte und damit den ersten brauchbaren "Telephon-Repeater" schuf. Die 1915 von 'Western Electric' produzierte VT1 diente als Verstärkerröhre in kabelgebundenen und drahtlosen Telephonnetzen. Im selben Jahr erfand Schottky in Deutschland die Schirmgitterröhre (Tetrode) mit deren Produktion Siemens im Jahr 1917 begann. Erst rund zehn Jahre später (1926) wurde bei Philips die Pentode erfunden (von Telegen und Jobst).
Im Jahr 1923 wurde von Zworykin das Ikonoskop erfunden, mit dem sich Bilder "einfangen" liessen. Die ersten Schritte zur elektronischen Fernsehtechnik waren damit getan. Zusammen mit der Braunschen Röhre löste das Ikonoskop das mechanische Fernsehen (Nipkow'sche Scheibe, Spiegelrad etc.) ab.
Der technische Fortschritt weitete sich auch auf die Elektroakustik aus. Im Jahre 1927/28 erfand Kellogs den "Schallplatten Pick-up" und - zusammen mit Rice - den elektrodynamischen Lautsprecher. Ungefähr im selben Zeitraum schlugen Minton und Ringel (GE) die Frequenzweiche für Hoch- und Tieftöner vor. Die Aufnahmetechnik (Records) der Phonographen wurde durch elektrische Verfahren ersetzt und zunehmends wurden die mechanischen Trichtergrammophone von elektrischen Plattenspielern abgelöst. Wer erinnert sich noch an die alten Schellackplatten? Mir jedenfalls kommen jedesmal Tränen der Rührung, wenn ich im Film "Once Upon a Time in America" (Spieldauer 228 Minuten mit De Niro und James Woods in den Hauptrollen) das nostalgische Musikstück "Amapola" mit der tonangebenden Klarinette vernehme, während Deborah ihren kecken Tanz vollführt. Gleichsam wie "Noodles" versinke ich dann in einer Phase emotionaler Erregung.
Gr. zg _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler!
Zuletzt bearbeitet von zeitgenosse am 01.07.2008, 02:06, insgesamt 10-mal bearbeitet |
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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 25.06.2008, 14:44 Titel: |
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RADIORÖHREN
Mit der Erfindung des Diodengleichrichters durch Fleming begann das eigentliche Zeitalter der Elektronik. Mit der Erfindung der Drei-Elektrodenröhre durch De Forest und v. Lieben (obwohl unterschiedlich konzipiert) standen nach einer Verbesserungsphase (unter der Ägide von Western Electric, Telefunken, Siemens) - und nur wenige Jahre später - bereits ausgereifte Vakuumröhren (Trioden, Tetroden) für die Hoch- und Niederfrequenzverstärkung von Träger- und Sprachsignalen zur Verfügung, welche insbesondere die Radiotechnik für immer veränderten.
A) Triode
Die Triode besteht prinzipiell aus der zentralen Kathode, dem Steuergitter und der Anode. Die Heizung als solche wird nicht als Elektrode verstanden. Das Steuergitter besteht aus einer von Stützdrähten oder Trägerstäben (Ein- und Zweistege) fixierten Drahtwendel resp. einem feinmaschigen Drahtgitter aus bspw. Molybdän, das die Kathode in der Regel konzentrisch (seltener in Flachbauweise) umgibt. Als Anode wird ein zylindrisches oder kammerartiges Blech aus karbonisiertem Nickel verwendet, in dessen Innenraum sich Steuergitter und Kathode befinden. Auch aluminiumplattiertes Eisen (P2-Eisen), Tantal und Graphit finden Verwendung als Anodenmaterial.
Telefunken Triode RE 144 (zwischen 1927-1937 hergestellt):
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/RE144.jpg
Hochleistungsröhren in Rundfunksendern (Sendetrioden) besitzen massive luft- oder wassergekühlte Anoden. Die Röhrenkonstruktion und -dimensionierung hängt dabei stark von der zu erwartenden Verlustleistung ab, welche von der kinetischen Energie der auf die Anode auftreffenden Elektronen erbracht wird. Während Anoden von kleineren - durch Strahlung oder Konvektion gekühlte - Sendetrioden noch bis zur Rotglut erhitzt werden können ohne Schaden zu nehmen, müssen Leistungstrioden (20 bis 100 kW) mit Wasser gekühlt werden, um die anfallende Wärme abzuführen. Dazu sind zwei unterschiedliche Systeme gebräuchlich, die Kühlung des Anodenblocks durch strömendes entionisiertes Weichwasser und - bei noch grösserer Verlustwärme - die Siedewasserkühlung (Rukop 1918; Beurtheret 1950).
Siedewassergekühlte Anode:
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/anode.jpg
Bei der Kathode kann unterschieden werden in direkte (Glühdrahtkathode) und indirekte (separate Glühkathode) Beheizung. Direkt beheizte Glühkathoden können wendelförmig, aber auch als Band oder als Haarnadel (Filament) konstruiert sein und bestehen aus thoriertem Wolfram (seltener aus Rhenium) oder aus Wolfram mit einem Bariumoxid-Überzug. Als Material für die indirekt beheizten Kathoden wird meist Bariumoxid, das auf einem Nickelröhrchen als Paste aufgetragen wird, verwendet. Im Innern des Röhrchens befindet sich - eingebettet in eine Keramikmasse - der (meist bifilare) Heizfaden aus Wolfram. Der Vorteil einer indirekt beheizten Glühkathode besteht darin, dass auch mit Wechselstrom geheizt werden kann ohne dadurch das zu verstärkende Signal unerwünscht zu modulieren (Brummfreiheit; erspart uns zudem einen Gleichrichter). Die Heizungen solcher Röhren werden meist in Reihe geschaltet. Andererseits sind Röhren mit direkt beheizter Kathode schneller einsatzbereit, was vor allem bei Senderöhren und Magnetrons erwünscht ist.
Damit sich im Glaskolben bei den zu erwartenden Temperaturen keine Risse bilden, werden die Zuführungsdrähte zu den Elektroden aus einem Metall geformt, das denselben Ausdehnungskoeffizienten wie Glas besitzt. Bei den Gasentladungsröhren wurde dazu meist Platin verwendet, bei den Vakuumröhren nimmt man Drähte aus einer Nickel-Kobalt-Legierung (sog. Kovar). Die Temperatur einer direkt beheizten Kathode (Glühdraht) steigt auf gut 2300 °C. Überzieht man die Wolframwendel mit Bariumoxid (ein Material, das nur eine geringe Austrittsarbeit erfordert) kann die Temperatur auf 800 °C reduziert werden.
Um Restgase durch Adsorption zu binden wird ein Getter (ein chemisch reaktives Metall, z.B. Magnesium, Barium oder Titan) in Form eines zusätzlich angebrachten Ringes oder einer auf einem Blech montierten Pille benutzt. Nach dem Abpumpen der Röhre wird sie einem magnetischen Wechselfeld ausgesetzt, wobei das Gettermetall durch Induktion zum Verdampfen gebracht wird und sich als spiegelnder Belag auf der Innenseite des Röhrenkolben niederschlägt. Solange dieser Belag nicht milchig-weiss wird, ist der Getter intakt.
Ein metallisch leitender Belag wird manchmal auch extra dazu aufgedampft, um als Abschirmung gegen elektrische Störfelder zu dienen. In diesem Fall ist der Belag mit einem separaten Sockelkontakt oder auch direkt mit der Kathode verbunden. Für empfindliche Röhren in UHF-Tunern oder in ZF-Verstärkern werden als Abschirmung aber meist Aluminiumbecher verwendet. Hochleistungssendetrioden sind oft in einem Gefäss mit äusserem Stahlmantel untergebracht.
Bei den heutigen, technisch ausgereiften Elektronenröhren hängt ihre Lebensdauer praktisch nur noch von der Emissionsfähigkeit der Bariumoxid-Kathode ab. Die mittlere Lebensdauer beträgt 3000 Betriebsstunden. Überdimensionierte Industrie- und Langleberöhren erreichen bis 10'000 Stunden.
Die nachfolgende Grafik zeigt die Ia/Ug-Übertragungskennlinie einer Doppeltriode:
(Bildquelle: Wikipedia)
Es ist gut erkennbar, welchen Einfluss die Gitterspannung Ug (Abszisse) auf den Anodenstrom Ia (Ordinate) ausübt. Je negativer das Gitter wird, um so kleiner wird auch der Anodenstrom. Bei einem bestimmten (negativen) Potential fliesst überhaupt kein Anodenstrom mehr. Um stabile Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen wird das Gitter mit einer negativen Vorspannung belegt. Verschiebt man den Arbeitspunkt auf diese Weise in die Mitte des linearen Bereiches der Kennlinie, werden negative und positive Halbwellen gleichermassen verstärkt. Prinzipiell sind verschiedene Betiebsmodi denkbar (A-, AB- und B-Betrieb). Im A-Betrieb (Arbeitspunkt in der Mitte der Kennlinie) fliesst auch dann ein Anodenstrom, wenn kein Eingangssignal vorhanden ist (das führt aber zu erhöhten Wärmeverlusten und demzufolge zu einem kleineren Wirkungsgrad). Die Verzerrung ist jedoch gering. Um den Wirkungsgrad zu maximieren und die Verluste zu minimieren muss im B-Betrieb (flacher Teil der Kennlinie) gearbeitet werden. Dazu werden in einer Gegentaktstufe (das Gesagte gilt insbesondere für Leistungsendstufen mit Pentoden) nur Halbwellen verstärkt, die in einem symmetrischen Ausgangsübertrager wieder zu einem vollwertigen Signal zusammengesetzt werden. Es kommt aber zu gewissen Übernahmeverzerrungen. Im AB-Betrieb (mit automatischer Gittervorspannungserzeugung mittels Kathodenwiderstand) erfolgt eine Kompromisslösung mit den entsprechenden Vor- und Nachteilen obiger Modi. Endpentoden werden manchmal auch nur als Triode angesteuert, um (angeblich) die Bässe hervorzuheben. Die sich am äusseren Anodenwiderstand bildende Spannung kann nun als (verstärktes) Signal abgegriffen und über einen Kopplungskondensator einer weiteren Stufe oder über einen Ausgangsübertrager einem Lautsprecher zugeführt werden.
Als Ganzes verläuft die Kennlinie aber nicht linear, weil die Anodenspannung eine Rückwirkung durch das Gitter hindurch auf die Raumladung um die Kathode ausübt. Dies wird als Durchgriff (D) bezeichnet und in der Barkhausen zugeschriebenen Formel wie folgt zusammengefasst:
Ri*S*D = 1
Ri ist der Innenwiderstand der Röhre, S die sog. Steilheit:
Ri = dUa/dIa
S = dIa/dUg bei Ua = const.
D = dUg/dUa bei Ia = const.
Die Triode war für einige Zeit (nebst der bereits 1915 entwickelten Tetrode) das bestimmende aktive Element in Verstärker- und Oszillatorschaltungen (und ist es teilweise noch heute). In den zwanziger Jahren wurden vom Autodidakten Manfred v. Ardenne (in Zusammenarbeit mit Loewe-Opta) sog. Verbundröhren für Radioempfänger gebaut, die ausser den genannten Elektroden auch Widerstände enthielten. Auch Mehrfachröhren, die in einem Glaskolben zwei Diodenstrecken oder zwei Trioden oder zwei verschiedene Systeme enthielten, wurden entwickelt. Zu erwähnen ist bspw. die EAA 91 (FM-Demodulation in Diskriminatorschaltungen) oder die ECC 81 (VHF-Doppeltriode) oder die ECC 82 (NF-Amplifier) oder die ECL 82 (Triode und Leistungspentode).
Dreifachröhre 3NF aus dem Loewe Ortsempfänger (1926):
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/verbundroehre.jpg
Bezüglich der Kennzeichnung ist zu vermelden:
Der 1. Buchstabe kennzeichnet die Heizungsart, der 2. und 3. die Systemart.
Röhren unterscheiden sich auch anhand ihres Sockels (Quetschfuss, Noval-, Pico-, Loctal, Aussenkontaktsockel u.a.m.). Es würde an dieser Stelle gewiss zu weit führen, alle diese Röhrenvarianten eingehend zu studieren. Am Beispiel der Pentode (Fünf-Elektrodenröhre) soll deshalb das Wesentliche über eine Mehrgitterröhre vermittelt werden.
B) Pentode
Die Pentode besitzt nebst Kathode (k), Anode (a) und Heizfaden (f-f) drei Gitter: ein Steuergitter (g1), ein Schirmgitter (g2) und ein Bremsgitter (g3):
Wie nachfolgend (Link) ersichtlich wird, ist die mittig angeordnete Kathode an ihrer hellen Oxidschicht erkennbar. Die Anode ist von graublauer Farbe (vermutlich aus P2-Eisen); es sind deutlich mehrere unterscheidbare Gitter erkennbar.
Pentode EF 91 (in ZF-Stufen eingesetzt):
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/EF91.jpg
Die Funktion des Steuergitters ist bereits von der Triode her bekannt und muss nicht wiederholtwerden. Um eine gute Wärmeableitung zu ermöglich (es soll keine Elektronenemission erfolgen), ist das Steuergitter manchmal an verkupferten Haltestäben fixiert. In der Regel sind es Kerbgitter. Eine Ausnahme bilden Spanngitterröhren (PC 88, PL 802, ECC 88, EL 503), bei denen der (besonders dünne) Gitterdraht um zwei Holme - die durch Stege verbunden sind - straff gespannt wird. Der Abstand zwischen Kathode und Gitter beträgt nur noch 5/100 mm. Die Vorteile dieser Bauweise sind eine wesentlich grössere Steilheit, eine geringere Eingangskapazität, eine geringere Raumladungszone (somit eine höhere Grenzfrequenz) und eine geringere Rauschzahl.
Das auf positivem Potential befindliche Schirmgitter hat die Entkopplung des Steuergitters von der Anode zur Aufgabe (das Betriebsverhalten der Röhre verbessert sich dadurch erheblich). Auch kann mit diesem zusätzlichen Gitter ein "Mixer" (multiplikative Mischung) - wie in ZF-Stufen üblich - realisiert werden, indem die Oszillatorfrequenz (LO) direkt dem Schirmgitter zugeführt wird. Beim Theremin (einem elektronischen Musikinstrument) bspw. wird die eine (variable) Oszillatorfrequenz (f1) dem Steuergitter und die andere (f2) dem Schirmgitter zugeführt, um so die Differenzfrequenz Δf (Schwebung) zu erzeugen - sofern es sich dabei nicht um einen Oszillator mit Transistoren handelt (prinzipiell bliebe es gleich, schaltungstechnisch wäre der Aufwand aber grösser).
Entgegen seinem Namen kann das Bremsgitter auch aus einem Leitblech bestehen (meist handelt es sich aber um eine Drahtwendel bzw. ein weitmaschiges Gitter).
Beam-Power Endpentode (PL 802) mit Leitblech:
http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/PL802.jpg
Aufgabe des Bremsgitters ist es, Sekundärelektronen zur aussenliegenden Anode zurück zu treiben; deshalb wird es auf negatives Potential gelegt oder direkt in der Röhre mit der Kathode verbunden. Drahtgitter werden aus Molybdän, Bleche aus Nickel gefertigt.
Pentoden haben eine sehr grosse (Leerlauf)-Verstärkung. Die folgende Grafik zeigt einen Eintaktverstärker mit Endpentode (verbreitet ist die El 84). Der Ausgangsübertrager dient der Impedanzanpassung zwischen Anodenkreis und Lausprecher:
Nachteilig bei Pentoden ist das erhöhte Eigenrauschen. Aus diesem Grunde kommen in UHF-Vorstufen praktisch nur Trioden vor, die in sog. Kaskode-Schaltung betrieben werden. Weitere Effekte, die zum Gesamtrauschen beitragen sind der Funkel- und der Schroteffekt; dazu kommt noch das Stromverteilungsrauschen und oberhalb 100 MHz das Influenzrauschen.
C) Spezialröhren
C1) Als Abstimmanzeige (Indikatorröhre) in Rundfunkempfängern kam das "magische Auge" (z.B. EM 71, EM 80) zum Einsatz (erfunden um 1930 von Allen Du Mont):
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/b/b5/EM80-Animation.gif
Die Röhre, die u.a. eine Triode enthält, setzt ein elektrisches Steuersignal (gewonnen aus einer negativen Regelspannung) in ein facherförmiges Leuchtsignal um, dessen Ausdehnung vom Signalpegel abhängt. Eine modernere Variante ist das "magische Band" (z.B. EM 84, EMM 803) der Firma Philips. Grün leuchtende Schirme auf der Blechanode bestehen aus Willemit oder Zink-Silikat, grün-bläulich leuchtende aus Zinkoxid.
C2) Für numerische Anzeigen (Ziffernhöhe 8-120 mm) in industriellen Steuerungen wurden früher sog. Nixieröhren (z.B. ZM 1210) eingesetzt - lange bevor LED- und LCD-Ziffernanzeigen (Siebensegmentanzeigen) den Markt eroberten.
Beispiele:
- http://home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/nixie.jpg
- http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dc/ZM1082_operating_animation_front_250px.gif
Der Name "Nixi" leitet sich ab von "Numeric Indicator eXperimental No. 1" und wurde von 'Burroughs Corporation' als Warenzeichen gehandelt. Prinzipiell handelt es sich bei dieser Röhre um eine Glimmlampe mit mehreren Kathoden (somit um eine Gasentladungsröhre) bzw. präziser ausgedrückt um eine Kaltkathodenröhre. Als Füllgas wird oft Neon verwendet. Die Anode ist als feinmaschiges Drahtgitter konstruiert:
Beliebt im Zusammenhang war/ist der Selbstbau digitaler Zähler, die auch als "Uhren" (Nixie-Clock) Verwendung finden (das Web ist voll von solchen Anleitungen). Für den angehenden Physiklaboranten, Betriebselektroniker, Mechatroniker (Physiker sind gerne eingeladen!) gerade das richtige Gesellenstück... Eigentlich werden "Nixies" heutzutage nicht mehr hergestellt, trotzdem sind sie noch immer erhältlich (bei Conrad oder Reichelt).
D) Praxis
Wie alles in der Welt sind auch Elektronenröhren einem Alterungsprozess unterworfen. Die aktive Kathodenschicht wird allmählich abgetragen oder löst sich ab, es entstehen temperaturbedingte Haarrisse und das Vakuum verschlechtert sich. Mit gutem Grund benutzte der versierte Radio- und Fernsehelektriker der alten Schule einen sog. Röhrenhammer, mit dem er die verdächtigen Röhren abklopfte, um dadurch mögliche Kürzschlüsse oder Wackelkontakte zu erkennen (der heutige Audio- und Videoelektroniker benutzt allenfalls den Kältespray, um einen Leistungstransistor abzukühlen). War eine Röhre defekt, nahm der OM eine neue aus dem Röhrenkoffer. So einfach war das. Bis zu einem gewissen Grad (insbesondere bei Bildröhren) kann aber regeneriert werden, indem die Bariumoxid-Kathode bei begrenztem Anodenstrom gezielt überheizt wird. Ein paar Hasardeure haben sich diesen Umstand seinerzeit zunutze gemacht und anstelle einer neuen Bildröhre einem gutgläubigen Grossmütterchen eine regenerierte für teures Geld verkauft.
p.s.
Den Röhrenhammer hat sich der gewiefte Rundfunkmechaniker übrigens selbst hergestellt. Dazu nehme man einen dünnen Holzstab (wie z.B. bei den kleinen Schweizerfahnen zum 1. Augustfest üblich), stutze ihn auf die richtige Länge, und dazu 4 bis 6 Gummidichtungen von Bügelflaschen (das Bier trinke man zuvor aus!) - Gummidichtungen von Stopfbüchsen sind auch gut -, welche mit Cohesan oder Silikon auf dem Stab fixiert werden - und fertig ist das nützliche Werkzeug.
Fazit:
Nebst Diode und Triode zählen Tetroden, Pentoden, Hexoden, Heptoden, Oktoden und Enneoden - die Typenvielfalt ist Legion - zum Sortiment der Radioröhren. Obwohl Halbleiter auf Siliziumbasis die Elektronenröhren weitgehend verdrängt haben, erfreuen sich Röhren wegen ihres Klirrverhaltens für Gitarrenverstärker weiterhin grosser Beliebtheit. Unter Enthusiasten des "High Fidelity" sind Audioverstärker mit Pentoden in Gegentaktschaltung wegen ihres Klangspektrums und Oberwellenreichtums geradezu ein Muss. Jedenfalls klingen hochwertige Hi-End-Röhrenverstärker "wärmer" als solche mit Leistungshalbleitern. Möglicherweise beruht diese Wahrnehmung aber auch auf subjektiven Kriterien.
Für RF-Senderöhren - als auch im Mikrowellenbereich - sind Elektronenröhren sogut wie unverzichtbar. Die mir bekannten und für das induktive Löten eingesetzten HF-Generatoren von Cheltenham besassen als Herzstück luft- und wassergekühlte Trioden.
In Mikrowellengeräten kommen Magnetrons zum Einsatz. In Radaranlagen ebenfalls. Klystrons werden in Teilchenbeschleunigern verwendet, um die Kavities mit hochfrequenter Feldenergie zu speisen. Wanderfeldröhren besitzen im Frequenzbereich von 10 bis 50 GHz deutliche Vorteile gegenüber Halbleiterbauelementen.
Wasserstoff-Thyratrons für Impulsgeneratoren können es mit beinahe jedem Scheibenthyristor aufnehmen, was Leistung und Schnelligkeit anbelangt.
Auch sind noch nicht alle Bildröhren durch Plasma- und LCD-Bildschirme ersetzt worden (obwohl die Tendenz dazu deutlich steigt).
Wer sich für weitere Details interessiert, sei verwiesen auf:
http://www.hts-homepage.de/HTS-Roehreninhalt.html
http://www.jogis-roehrenbude.de/
http://www.roehrenhistorie.de/
Werne gerne "bastelt" und sich mit der Radiotechnik etwas vertraut machen möchte, bestellt sich am Besten noch heute (!) den neuen "Radiomann" von Kosmos (erhältlich z.B. bei www.distrelec.ch) - ein Nostalgieradio mit der ECC 82 (Doppeltriode), einem Luftdrehkondensator und einem Kopfhörer. Auch ganz gut geeignet, übrigens, um seinem Sohn (ab 12 Jahren) die grundlegende Technik beizubringen. Wer weiss, vielleicht wird er dadurch - wie ich seinerzeit - für Technik und Physik begeistert!
Gr. zg _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler!
Zuletzt bearbeitet von zeitgenosse am 07.07.2008, 09:38, insgesamt 5-mal bearbeitet |
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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 28.06.2008, 12:42 Titel: |
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DIE ARBEIT DER TECHNOKRATEN
Nachdem dem Experiment und der anschliessenden Konsolidierungsphase durch innovative Techniker und Ingenieure genug Substanz eingeräumt wurde, soll auch die Arbeit des "Technokraten" angemessen zur Sprache kommen. Schön wäre es natürlich, wenn ein Experimentalphysiker zugleich in der theoretischen Physik zu Hause ist (gibt es) oder wenn einer Experiment, Theorie und Technik gleichermassen beherrschte. Zu Letzterem sind zugegeben nur noch wenige in der Lage. Ein Menschenleben ist einfach zu kurz, um in der heutigen Zeit noch als "Polyhistor" in Erscheinung zu treten.
Wehnelt war gewissermassen ein Vorkämpfer der Nachgenannten. Ich zähle ihn nicht zu den "Technokraten" im engeren Sinne. Wehnelt lehrte und forschte vorwiegend an der Univ. Berlin, wo er 1934 zum Direktor des Physikalischen Institutes ernannt wurde. Er erfand den Wehneltunterbrecher, den Wehneltzylinder und die Oxidkathode. Ohne diesen Mann wäre die Entwicklung der Elektronenröhren anders verlaufen.
1) Wir erinnern uns gewiss noch an den Edison-Efekt, den Edison selbst sich nicht zunutze zu machen wusste. Diesbezügliche Glühemission findet statt bei Leuchtstofflampen, Elektronenstrahlröhren, Radioröhren, Thyratrons, Magnetrons, Klystrons und Vakuumfluoreszenzanzeigeröhren. Nicht erwünscht ist sie bei Steuergittern und Anoden von Elektronenröhren.
Die Animation zeigt das zugrundeliegende Prinzip:
http://leifi.physik.uni-muenchen.de/web_ph10/grundwissen/07gluehemission/gluehemission_ani.htm
Die mathematische Durchdringung des Edison-Effektes wurde durch Richardson (1901) geleistet (deshalb auch als Richardson-Effekt bezeichnet), zusammengefasst in der Richardson-Gleichung:
j = A*T^2*exp(-W/k*T)
j Stromdichte
k Boltzmann-Konstante
T Temperatur
A Richardson-Konstante
W Auslösearbeit
(A ist vorwiegend vom Material und dessen Oberflächenbeschaffenheit abhängig und muss empirisch bestimmt werden.)
Für seine Arbeit am Cavendish-Laboratory zum glühelektrischen Effekt erhielt Richardson 1928 den Nobelpreis:
http://nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1928/richardson-bio.html
Die Richardson-Gleichung beschreibt den bei der Glühemission zu erwartenden Effekt. Aus einem erhitzten Metall treten Elektronen mit Fermiverteilung in das umgebende Vakuum, um dort eine Raumladung zu bilden. Mit zunehmender Kathodentemperatur werden die Elektronen schneller, so dass solche aus dem "Fermischwanz" der Geschwindigkeitsverteilung genügend kinetische Energie besitzen, um die nötige Austrittsarbeit zu erbringen. Bestimmend dazu ist die Temperatur (T) sowie die spezifischen Materialeigenschaften (A). Verliert eine Glühkathode ihre Fähigleit, Elektronen bei vorgesehener Temperatur zu emittieren, ist sie "taub" und somit nutzlos geworden. Filamente von Elektronenkanonen (Beispiel Elektronenmikroskop) sind deshalb oft auswechselbar konstruiert.
2) Beiträge zur Raumladung stammen u.a. von Schottky (der 1915 die Tetrode erfand und nach dem die Schottky-Diode benannt wurde). Verlassen Elektronen aus dem Leitungsband die Kathode, entsteht eine Raumladung. Bei Sättigung der Ladungswolke gelangen einige Elektronen wieder in die Kathode zurück. Elektronen der Raumladung induzieren auf der Kathode (positive) Spiegelladungen. Unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes wird die Austrittsarbeit herabgesetzt. Dieses Phänomen ist als Schottky-Effekt bekannt. Dabei überlagern sich eigentlich zwei Effekte, die Glühemission und die feldinduzierte Elektronenemission.
Die Schottky-Gleichung (Schottky-Langmuir'sches Raumladungsgesetz) drückt aus, dass bei einer idealen Raumladung in einer Vakuumröhre die Stromstärke mit der 1,5-ten Potenz der Anodenspannung zunimmt, bis die Sättigung erreicht wird:
j = (4/9)ε_o*sqrt(2e/m_e)[(Ua - Uk)^(3/2)/l^2]
Das Gesetz beschreibt die Abhängigkeit der Stromdichte j von der Anodenspannung Ua.
l Abstand Anode-Kathode
Uk Kontaktspannung
e Elementarladung
3) Auch Langmuir hat sich eingehend mit Glühkatoden und Vakuumröhren auseinandergesetzt. Er entdeckte auch, dass durch die Befüllung einer Glühlampe mit einem inerten Gas (Stickstoff, Argon) die Lebensdauer des Filamentes (Glühfaden) beträchtlich gesteigert werden kann. Nach Langmuir ist eine (inzwischen veraltete) Einheit in der Oberflächenchemie bekannt.
4) Nyquist befasste sich mit dem thermischen Rauschen und mit der Stabilität rückgekoppelter Verstärker. Im Jahre 1930 fand Nyquist die Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine dauerhafte Schwingung einer bestimmten Frequenz zu erhalten. Die Schleifenverstärkung muss mindestens 1 sein, die Phasenverschiebung des rückgekoppelten Signals muss 360° oder ein Vielfaches (= Mitkopplung) davon sein:
K*V ≥ 1
Nyquist trug auch zur Informationstheorie bei. Das "Nyquist Abtasttheorem" bildete eine wichtige Grundlage für Shannons spätere Arbeiten. Auch zur Regelungstechnik (Nyquistkriterium, Ortskurve) steuerte er grundsätzliches Wissen bei. Das Nyquistkriterium beschreibt die Stabilität eines regeltechnischen Systems mit Rückkoplung. Insbesondere für den Reglerentwurf sind diese Einsichten von Bedeutung.
5) Grundlegende Arbeiten zu Elektronenröhren wurden durch Barkhausen geleistet. Die Barkhausen-Gleichung (siehe auch den Vorbeitrag) fasst den Sachverhalt in Kürze zusammen und zeigt auf, wie Innenwiderstand, Steilheit und Durchgriff einer Elektronenröhre (Triode) miteinander verknüpft sind:
Ri*S*D = 1
Je grösser der Durchgriff ist, desto grösser muss auch die (negative) Gitterspannung sein, um denselben Anodenstrom zu erhalten. In Röhrentabellen findet man anstelle des Durchgriffs oft die Leerlaufverstärkung k = 1/D.
Quasi als Nebenprodukt seiner Arbeiten an Elektronenröhren ergaben sich Entdeckungen wie die Ummagnetisierungssprünge im Eisen (Barkhauseneffekt) oder die Erzeugung kürzester Wellen aufgrund von "Elektronentanzschwingungen" (Barkhausen-Kurzschwingungen), welche die Entwicklung der Laufzeitröhren einleitete. Bei den gewöhnlichen Elektronenröhren (Radioröhren) bekommt man infolge der endlichen Laufzeit der Elektronen ab 100 MHz Probleme.
Im Sommer 1933 begann man bei der NVA in Kiel mit Versuchen an Bremsfeldröhren nach dem von Barkhausen vorgeschlagenen Prinzip. Später kamen auch Magnetfeldröhren hinzu. Daraus entstanden die ersten deutschen Radaranlagen der GEMA, welche 1936 auch auf der "Graf Spree" zur Lenkung von Schiffsartillerie zum Einsatz kamen.
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Ich habe diese Männer - die meisten waren übrigens Physiker - als Technokraten (nicht im abschätzigen Sinne) bezeichnet. Die empirische Phase der ersten Jahre war definitiv vorbei. Nun galt es, durch systematische, disziplinierte Arbeiten grundsätzliche Einsichten in das Verständnis der Röhren- und Funktechnik zu gewinnen. Wer sich vertieft mit dieser Thematik - technisch gesehen - auseinandersetzen möchte, sei auf das "Taschenbuch der Hochfrequenztechnik" (Bd. 1 + 2) von Meinke/Gundlach verwiesen.
Schliessen möchte ich mit einer Zitierung Barkhausens:
Ich habe das große Glück gehabt, in einer Zeit zu leben, in der die Elektronenröhre gerade das Licht der Welt erblickte. 20 Jahre früher oder später geboren hätte ich kaum an ihrem Siegeszug teilnehmen können, denn selbstverständlich wäre dieser Siegeszug ohne mich genauso verlaufen. - So habe ich in begeisterter Mitarbeit teils antreibend, teils getrieben ein schönes Leben gehabt.
Gr. zg _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler!
Zuletzt bearbeitet von zeitgenosse am 01.07.2008, 02:20, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 29.06.2008, 18:55 Titel: |
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Text nach Elektronenstrahlröhren - Vol. 2 verschoben. _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler!
Zuletzt bearbeitet von zeitgenosse am 06.07.2008, 11:14, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Jogi
Anmeldedatum: 02.07.2007 Beiträge: 65
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Verfasst am: 01.07.2008, 16:13 Titel: |
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Hi zg.
Ein paar kleine Zwischenfragen, nur aus elementarem Interesse:
zg hat Folgendes geschrieben: | Zwischen Wehneltzylinder und Anode bilden sich schalenförmige Aequipotentialflächen aus. Dadurch wird der Strahl gebündelt (ansonsten würde er auseinanderlaufen bzw. divergieren). |
Wenn man nur einen nackten Wehneltzylinder, ohne Becherkathode und Anode betreibt, wie stark läuft der Elektronenstrahl auseinander?
Winkel?
Wie homogen oder inhomogen ist die Verteilung der Elektronen in diesem Strahlkegel?
Gruß Jogi |
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Miriam
Anmeldedatum: 26.07.2006 Beiträge: 3072
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Verfasst am: 01.07.2008, 23:55 Titel: |
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Criptically-Beitrag abgetrennt und in seine Welt verschoben.
Miriam |
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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 03.07.2008, 11:42 Titel: |
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Jogi hat Folgendes geschrieben: | Wenn man nur einen nackten Wehneltzylinder, ohne Becherkathode und Anode betreibt, wie stark läuft der Elektronenstrahl auseinander? |
Die scheinbar einfachsten Fragen (sog. Kinderfragen - warum ist der Himmel blau?) sind oft die schwierigsten.
Dazu einige grundsätzliche Anmerkungen:
Gegeben sei eine Glühkathode. Infolge thermischer Anregung bildet sich über dem Elektronensee eine Dampfatmosphäre freier Elektronen (Fermiverteilung; Boltzmannfaktor).
Zunächst kann mittels der Richardson-Gleichung auf die Stromdichte der Raumladung geschlossen werden:
j = CT^2 exp(-W/kt)
Nun komme die Anode (Beschleunigungsfeld) hinzu. Aus dem Schottky-Langmuirschen Raumladungsgesetz folgt die Sättigungsstromdichte:
j = (4/9)ε_o[sqrt(2e/m)](ΔU^1,5/s^2)
(ΔU = Anodenspannung minus Kontaktpannung)
Für ein homogenes Feld im Vakuum gilt für den Elektronenstrahl die uns letztlich interessierende Beziehung:
j = e*n[sqrt(2eU/m)]
Dazu siehe:
Gerthsen, 8.1.1 (Glühemission) und 8.2.6 (Elektronenröhre)
Aufgrund innerer Raumladungskräfte (negative Ladungen) beginnt jedes Strahlenbündel nach dem Coulombschen Gesetz unweigerlich zu divergieren. Für eine analytische Lösung erschwerend ist, dass wir es mit einem Mehrkörperproblem (Ladungswolke) zu tun haben.
Wie schnell sich der Expansionseffekt bemerkbar macht, ist auch eine Frage der Randbedingungen und kann hier nicht abschliessend beantwortet werden. Die Güte des Vakuums spielt ebenfalls eine Rolle. Die diesbezüglichen Berechnungen sind kompliziert und in der Regel nur numerisch zu bewältigen. In praxi werden mitunter Simulationsprogramme benutzt.
Das Auseinanderlaufen des Strahls kann durch eine zur Strahlachse geneigte Randelektrode (entscheidend dabei ist der sog. Piercewinkel) korrigiert werden.
Kollimierter Elektronenstrahl mit Pierce-Elektronenquelle:
http://www.home.datacomm.ch/chs/Container/Elektronenroehren/piercegun.jpg
Aus einer Bariumoxidkathode mit hohlspiegelartiger Emissionsfläche treten Elektronen aus, die mittels einer Steuerelektrode zu einem Strahl gebündelt werden. Dieser läuft ohne zusätzliche Elektronenoptik nach einer gewissen Zeit erneut auseinander.
In Speicherringen, wo die Strahldivergenz ebenfalls problematisch ist, muss in regelmässigen Abständen mit Quadrupolmagneten fokussiert werden. In Teilchenbeschleunigern sind bezüglich der Strahlqualität (Luminosität) die Emittanz (transversale Strahlbündelung) und Brillanz (Phasenraumdichte) massgebend. Damit greife ich aber bereits einem anderen Thema vor.
Andererseits wirkt die magnetische Selbstkompression paralleler Ströme dem Auseinanderlaufen etwas entgegen. Infolge der relativ geringen Stromstärken (einige hundert Mikroampere bei Fernsehern bis einige Ampere bei Beschleunigern) ist dieser Effekt aber vernachlässigbar. In Plasmen (mit Strömen von einigen Kiloampere) macht sich hingegen der "Pincheffekt" (Einschnürung einer Stromröhre) signifikant bemerkbar.
Gr. zg _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler! |
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Jogi
Anmeldedatum: 02.07.2007 Beiträge: 65
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Verfasst am: 03.07.2008, 16:53 Titel: |
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Hi zg.
Danke, das hilft schon mal weiter.
zeitgenosse hat Folgendes geschrieben: | In Teilchenbeschleunigern sind bezüglich der Strahlqualität (Luminosität) die Emittanz (transversale Strahlbündelung) und Brillanz (Phasenraumdichte) massgebend. Damit greife ich aber bereits einem anderen Thema vor.
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Bitte, lass dich nicht abhalten, ich werde hier weiterhin mitlesen.
Gruß Jogi |
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Jogi
Anmeldedatum: 02.07.2007 Beiträge: 65
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Verfasst am: 17.08.2008, 20:58 Titel: |
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Hi zg.
Darf ich nochmal ein paar Fragen zur Divergenz stellen?
zg hat Folgendes geschrieben: | Andererseits wirkt die magnetische Selbstkompression paralleler Ströme dem Auseinanderlaufen etwas entgegen. Infolge der relativ geringen Stromstärken (einige hundert Mikroampere bei Fernsehern bis einige Ampere bei Beschleunigern) ist dieser Effekt aber vernachlässigbar. In Plasmen (mit Strömen von einigen Kiloampere) macht sich hingegen der "Pincheffekt" (Einschnürung einer Stromröhre) signifikant bemerkbar. |
Ein Elektronenstrahl mit hoher Energie neigt also weniger zum Auseinanderlaufen.
Ist das einzig und allein auf das durch den Strahl induzierte Magnetfeld zurückzuführen?
Oder könnte es sein, daß hochenergetische, schnelle Elektronen sich doch ein wenig anders verhalten als die langsamen?
Wie sieht's z. B. mit dem Wirkungsquerschnitt des einzelnen Elektrons aus?
Verändert sich der mit der Energie/Beschleunigung?
Gruß Jogi |
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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 19.08.2008, 08:48 Titel: |
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Jogi hat Folgendes geschrieben: | Ein Elektronenstrahl mit hoher Energie neigt also weniger zum Auseinanderlaufen. |
Exakt!
Bewegte Ladungen (parallele Ströme) erzeugen ein Magnetfeld, das den Strahl "pincht". Nach aussen (Rand) wirken Raumladungskräfte diesem Effekt entgegen, welche mit der Strahlstromstärke bzw. Ladungsdichte zunehmen (keine Kraft im Strahlzentrum, grösste Kraft am Strahlrand).
Bei kleinen Teilchengeschwindigkeiten überwiegen die repulsiven Raumladungskräfte deutlich, was bei langen Strahlwegen zu Instabilitäten führt. Mit zunehmender Energie bzw. Teilchengeschwindigkeit geht dieser Einfluss aber zurück, so dass die Strahlaufweitung nachlässt.
Es gilt die Kräfteproportionalität:
F ~ 1/(β*γ^2)
β = v/c ; γ = 1/sqrt(1 - β^2)
Um der Strahldivergenz entgegenzuwirken müssen die geladenen Teilchen somit rasch auf hohe Energien beschleunigt werden. Im relativistischen Grenzfall (v ≈ c) kompensiert die magnetische Attraktion die elektrostatische Repulsion gerade so, dass sich ein stabiler Gleichgewichtszustand der "bewegten Ladungswolke" (Bunch) herausbildet.
Gr. zg _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler! |
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Jogi
Anmeldedatum: 02.07.2007 Beiträge: 65
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Verfasst am: 19.09.2008, 23:19 Titel: |
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Hi zg.
Erst mal sorry dafür, dass ich erst jetzt reagiere.
Du weisst, ich bin Laie, und von daher mit der Fachterminologie nicht so vertraut.
Deshalb muss ich mir manche Texte mehrmals und auch in zeitlichem Abstand durchlesen, um ihren Inhalt wenigstens einigermassen sinngemäss zu erfassen.
zeitgenosse hat Folgendes geschrieben: |
Nach aussen (Rand) wirken Raumladungskräfte diesem Effekt entgegen, welche mit der Strahlstromstärke bzw. Ladungsdichte zunehmen (keine Kraft im Strahlzentrum, grösste Kraft am Strahlrand). |
Das ist ein interessantes Detail.
Vielleicht komme ich darauf nochmal zurück.
Das, was mir eigentlich wichtig war, könnte hier schon zu meiner vollsten Zufriedenheit drinstecken:
Zitat: | Bei kleinen Teilchengeschwindigkeiten überwiegen die repulsiven Raumladungskräfte deutlich, was bei langen Strahlwegen zu Instabilitäten führt. Mit zunehmender Energie bzw. Teilchengeschwindigkeit geht dieser Einfluss aber zurück, so dass die Strahlaufweitung nachlässt. |
Kann die einzelne Raumladung(-skraft) dem einzelnen Elektron zugeordnet werden, oder sind diese Raumladungskräfte ganz allgemein Bestandteil des Strahles?
Gruß Jogi |
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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 22.09.2008, 05:22 Titel: |
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Jogi hat Folgendes geschrieben: | Kann die einzelne Raumladung(-skraft) dem einzelnen Elektron zugeordnet werden, oder sind diese Raumladungskräfte ganz allgemein Bestandteil des Strahles? |
Der Strahl ist nichts anderes als die Summe seiner Teile (Elektronen, Protonen etc.). Somit beruhen die Raumladungskräfte auf der Existenz der beteiligten Elementarladungen. Ein einzelnes Teilchen sieht ein defokussierendes radiales Feld aufgrund der Coulombwechselwirkung mit den benachbarten Teilchen. Bei kleinen Energien ist die defokussierende Wirkung besonders gross. In linearer Näherung kann sie mittels der Enveloppengleichung berechnet werden. Ansonsten sind aufwenige Simulationsrechnungen erforderlich. Poisson- und Laplace-Gleichung(en) sollte man im Kontext verstehen und anwenden können.
Andererseits nehmen mit zunehmender Energie die Sekundäreffekte (Spiegelladungen und Spiegelströme) massiv zu. Es bilden sich sog. Wake-Felder, die auf den Strahl zurückwirken (ohne Begrenzung durch die Innenwand des Strahlrohrs wäre dies natürlich nicht der Fall).
Zu den kollektiven Effekten zählt auch die Coulombstreuung (Intra-Beam-Scattering) zwischen den einzelnen Teilchen, wodurch ein langsames Anwachsen der Strahlemittanz in Speicherringen bewirkt wird. Dazu kommen Streuungen an Restgaspartikeln (ein absolutes Vakuum ist technisch nicht herstellbar).
Den Raumladungskräften entgegen wirken magnetische Kräfte, die aufgrund der bewegten Ladungsmenge entstehen. Die Teilchenstromdichte hat ein azimutales Magnetfeld zur Folge, so dass eine resultierende radiale Kraft entsteht:
F = q(E + v x B)
(die fettgedruckten Grössen sind Vektoren)
Weil die magnetische Komponente proportional zu β^2 ist, erfolgt im relativistischen Grenzfall (β ≈ 1) eine Kompensation der repulsiven Coulombwechselwirkung:
F ~ 1/(β*γ^2)
Fazit:
Die Ladungsträger müssen möglischst schnell auf hohe Energie beschleunigt werden, um die Strahldispersion gering zu halten. Ungeachtet dessen sind wegen der Impulsunschärfe der Teilchen fokussierende Elemente (elektrostatische Linsen, Quadrupole) notwendig.
Gr. zg _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler! |
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Jogi
Anmeldedatum: 02.07.2007 Beiträge: 65
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Verfasst am: 22.09.2008, 15:55 Titel: |
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Hi zg.
Wenn's dich nicht gäb', man müsste dich erfinden.
zeitgenosse hat Folgendes geschrieben: |
Der Strahl ist nichts anderes als die Summe seiner Teile (Elektronen, Protonen etc.). Somit beruhen die Raumladungskräfte auf der Existenz der beteiligten Elementarladungen. Ein einzelnes Teilchen sieht ein defokussierendes radiales Feld aufgrund der Coulombwechselwirkung mit den benachbarten Teilchen. Bei kleinen Energien ist die defokussierende Wirkung besonders gross. |
Das war meine Vermutung.
Zitat: | In linearer Näherung kann sie mittels der Enveloppengleichung berechnet werden. Ansonsten sind aufwenige Simulationsrechnungen erforderlich. Poisson- und Laplace-Gleichung(en) sollte man im Kontext verstehen und anwenden können. |
Keine Sorge, ich beabsichtige nicht, einen Beschleuniger zu bauen, mir geht's nur um das prinzipielle Verständnis bestimmter Details.
Gruß Jogi |
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zeitgenosse
Anmeldedatum: 21.06.2006 Beiträge: 1811
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Verfasst am: 24.09.2008, 01:24 Titel: |
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Servus!
Ergänzung (demonstriert an der Zwei-Körper-Problematik):
Im relativistischen Grenzfall (β → 1) wird die Coulombabstossung durch die magnetische Attraktion kompensiert:
(K. Schindel, CERN)
In der Beschleunigerphysik führt die Raumladung zu einem "Verschmieren" des Tuningpunktes. Dadurch wird der Strahl mit der Zeit instabil. Bei Fernsehbildröhren ist der zurückgelegte Weg zwischen den Fokussierelektroden und dem Bildschirm viel zu gering, um eine signifikante Strahldispersion zu erhalten.
Gr. zg _________________ Make everything as simple as possible, but not simpler! |
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