Über die Entstehung der Relativitätstheorie
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thomas_x



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BeitragVerfasst am: 13.02.2008, 10:49    Titel: Über die Entstehung der Relativitätstheorie Antworten mit Zitat

Ein Artikel im berüchtigten Nexus-Magazin über Relativität:
http://www.nexusmagazine.com/articles/einstein.html

Zur Abwechslung wird mal nicht die RT für falsch erklärt, sondern "nur" Einsteins Beitrag kleingeredet.
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Ich



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BeitragVerfasst am: 13.02.2008, 16:56    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Zur Abwechslung wird mal nicht die RT für falsch erklärt, sondern "nur" Einsteins Beitrag kleingeredet.

...und gleichzeitig für falsch erklärt, weil Eddington seine Messungen gefälscht hat. Das ist aber normal bei denen, die haben kein Problem mit
-Einstein hat die RT nicht entwickelt
-Einstein hat beim entwickeln der RT lauter Kindergartenfehler gemacht
-die RT wurde nie experimentell bestätigt
-die experimentellen Bestätigungen können auch anders erklärt werden
...

Immer schön ist aber der Hinweis auf die allmächtige Lobby des 25-jährigen Berner Patentangestellen, die das Establishment der damaligen Physik um die verdiente Anerkennung (für eine falsche Theorie übrigens) bringt.
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dhainz



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BeitragVerfasst am: 13.02.2008, 19:44    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
Zitat:
Zur Abwechslung wird mal nicht die RT für falsch erklärt, sondern "nur" Einsteins Beitrag kleingeredet.

...und gleichzeitig für falsch erklärt, weil Eddington seine Messungen gefälscht hat. Das ist aber normal bei denen, die haben kein Problem mit
-Einstein hat die RT nicht entwickelt
-Einstein hat beim entwickeln der RT lauter Kindergartenfehler gemacht
-die RT wurde nie experimentell bestätigt
-die experimentellen Bestätigungen können auch anders erklärt werden
...


Über die anderen Punkte will ich mich nicht äußern, aber bei Punkt 1 muss man sich wirklich fragen, wie wichtig Einsteins Beitrag eigentlich war. Sowohl das Relativitätsprinzip als auch das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit waren vor Einstein von Lorentz, Larmor und insbesondere Poincaré auf alle Bereiche der Natur (nicht nur der Elektrodynamik) ausgeweitet worden. Einstein hat die Herleitung "nur" umgedreht. Zusätzlich muss hinzugefügt werden, dass die "wirkliche" SRT im Sinne einer vierdimensionalen Raumzeit eigentlich von Minkowski (nach Vorarbeiten von Poincaré) entwickelt wurde, während Einstein sich zu Beginn dagegen sträubte. Insofern finde ich, dass Einsteins 1905-Arbeiten zur Brownschen Bewegung als auch zum photoelektrischen Effekt sehr viel bedeutender waren, als seine Beiträge zur SRT. Was die allgemeine Relativitätstheorie betrifft, ist natürlich Einsteins Arbeit als fundamental zu bezeichnen.

Interessant hierzu vielleicht zwei online frei verfügbare Arbeiten des anerkannten Wissenschaftshistorikers Olivier Darrigol (welcher eher zu Einstein als zu Poincaré tendiert):

The Mystery of the Einstein-Poincaré Connection. In: Isis. 95, Nr. 4, 2004, S. 614-626.
The Genesis of the theory of relativity. In: Séminaire Poincaré. 1, 2005, S. 1-22.

mfg
Dietmar
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Ich



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BeitragVerfasst am: 13.02.2008, 22:46    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Dietmar,

deinen zweiten Link kann ich nicht öffnen.

Zitat:
Über die anderen Punkte will ich mich nicht äußern, aber bei Punkt 1 muss man sich wirklich fragen, wie wichtig Einsteins Beitrag eigentlich war. Sowohl das Relativitätsprinzip als auch das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit waren vor Einstein von Lorentz, Larmor und insbesondere Poincaré auf alle Bereiche der Natur (nicht nur der Elektrodynamik) ausgeweitet worden.

Ich hab deinen ersten Link nur bis zu etwa einem Drittel gelesen, weil es jetzt spät ist und ich schon einiges über das Thema gelesen habe, auch Originalveröffentlichungen. Wenn ich noch was lesen sollte, gib mir Bescheid.
Lorentz hat das Relativitätsprinzip nicht auf alle Bereiche der Natur ausgeweitet. Explizit ist zu lesen (sinngemäß, ich hab's Zitat nicht zur Hand) "wenn alle Wechselwirkungen elektromagneischer Natur sind, dann...".
Larmor weiß ich nicht, kannst du ja belegen mit Zitaten.
Poincaré hat definitiv vermutet, dass alle Vorgänge dem Relativitätsprinzip gehorchen... zu gehorchen scheinen: Der Unterschied ist wichtig. Poincaré hat niemals eine Theorie auch nur in Erwägung gezogen, die das Relativitätsprinzip als Kern hat. Immer war die Rede von eigentlich asymmetrischen Vorgängen (ätherbasierten also), die sich "verstecken" und Symmetrie vortäuschen. Poincaré und Lorentz waren dementsprechend auch mit der Frage beschäftigt, wie sich die scheinbare Befolgung des Relativitätsprinzips für Größen höherer Ordnung nachweisen ließe - was deutlich macht: dieses Prinzip war für sie eine Kuriosität, die nicht aus der Theorie hervorgeht oder gar als Grundlage derselben gesehen werden kann. Dieser Unterschied in de Herangehensweise ist riesig, und ich komme gleich darauf zurück.
Einstein hat diesen Schritt nämlich nicht einmal, sondern zweimal als einziger gemacht.
Poincaré war schnell bei der Hand mit einer Vier-Vektor-Theorie der Gravitation. Das zeigt seine Herkunft als Mathematiker, dass er schneller war als Einstein mit der Adoption dieses Formalismus. Und es zeigt auch den qualitativen Unterschied.
Zu dieser Zeit haben alle, die sich auf die RT eingelassen haben, eine solche Theorie bevorzugt. Alle außer einem: Einstein hat als einziger denselben Trick wiederholt, auf den keines der damaligen Brains - trotz des Vorbilds der SRT und Einsteins kontinuierlicher Updates über seinen Fortschritt - kam: Eine beobachtete Symmetrie zu finden und zu verallgemeinern.
Die Vier-Vektor-Theorie der Gravitation ist einfach, schön und - falsch. Einstein hat das Äquivalenzprinzip als Symmetrie erkannt (einer seiner glücklichsten Momente, wie er schreibt) und genutzt.
Genau wie er aus dem Relativitätsprinzip (einer beobachteten Symmetrie) mit dem zweiten Postulat (eine empirische Tatsache) die SRT entwickelt hat - was keiner den genannten Herren gemacht hat - hat er aus der SRT, dem Äquivalenzprinzip (einer beobachteten Symmetrie) und sonst nichts außer einer Zahl die bis heute gültige Theorie der Gravitation entwickelt. Nach haargenau dem gleichen Muster, wohlgemerkt, und mit Ansage, und unter Beobachtung der wissenschaftlichen Welt. Trotzdem als Einziger.

Ich hoffe, ich konnte den prinzipiellen Unterschied in der Herangehensweise aufzeigen.
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dhainz



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BeitragVerfasst am: 13.02.2008, 23:18    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
deinen zweiten Link kann ich nicht öffnen.


Hi Ich,

ja die sind umgesiedelt, sollte das öfter überprüfen. Hier der korrigierte Link:

The Genesis of the theory of relativity. In: Séminaire Poincaré. 1, 2005, S. 1-22.

Werde dir morgen genauer Antworten, ich war wohl etwas zu kurz.

PS: Für Mitleser sind vielleicht die frei im Internet verfügbaren Arbeiten des Minowski-Spezialisten Scott Walter über die frühe Entwicklung der 4-Vektoren von Poincare, Minkowski und Sommerfeld interessant. Dort versucht Walter wenigstens zu erklären, wieso Minkowski "vergessen" hat, Poincaré ausreichend zu würdigen.

mfg
Dietmar


Zuletzt bearbeitet von dhainz am 13.02.2008, 23:20, insgesamt einmal bearbeitet
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galileo2609
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BeitragVerfasst am: 13.02.2008, 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Dietmar,

dass die 'SRT' um die Jahrhundertwende sozusagen in der Luft lag, ist wissenschaftshistorisch unbestritten. Die Frage war, wer den wirklich entscheidenden Schritt gehen konnte. Vielleicht interessiert dich eine Aussage von Lorentz, die er auf der 'Conference on the Michelson-Morley Experiment' abgehalten im Februar 1927 auf dem Mount Wilson (sic!) getätigt hat:
Zitat:
A transformation of the time was also necessary. So I introduced the conception of a local time which is different for different systems of reference which are in motion relative to each other. But I did never thought that this has anything to do with the real time. This real time for me was still represented by the old classical notion of an absolute time, which is independent of any reference to special frames of co-ordinates. There existed for me only this one true time. I considered my time transformation only as a heuristic work hypothesis. So the theory of relativity is really solely Einstein's work. And there can be no doubt that he would have conceived it even if the work of all his predecessors in the theory of this field had not been done at all. His work is in this respect independent of the previous theories.

Soweit erstmal (bin noch mit Lasker beschäftigt) Wink

Grüsse galileo2609
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zeitgenosse



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BeitragVerfasst am: 14.02.2008, 02:48    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
Poincaré hat definitiv vermutet, dass alle Vorgänge dem Relativitätsprinzip gehorchen... zu gehorchen scheinen


Man muss Einstein im Kontext der damaligen Forschung lesen. In diesem Sinne ist seine Arbeit zur 'Elektrodynamik bewegter Körper' von 1905 nur ein letztes Glied in einer langen Kette von Irrungen und Erkenntnissen. Das schmälert Einsteins Verdienste in keiner Weise, soll aber auch denen gerecht werden, die die Fundamente zur "neuen Mechanik" in jahrelanger mühevoller Arbeit legten. Dazu gehören zweifellos Lorentz und Poincaré, der auch den Begriff der Lorentzgruppe nachhaltig prägte.


Kurzer historischer Abriss zur Genealogie der SRT
---------------------------------------------------------

1887:
Voigt formuliert Transformationsgleichungen, die als Vorläufer der späteren Lorentztransformationen von 1904 betrachtet werden können. Allerdings bleiben die Voigtschen Transformationen auf die Optik beschränkt, indem sie auf die Oszillationen eines "elastischen inkompressiblen Mediums" bezogen werden. Der Ausdruck sqrt(1 - (x^2/ω^2)) taucht erstmals bei Voigt auf.

1892:
Lorentz begründet den negativen Aushang des Micheslon-Morley-Experimentes mit der Hypothese der Längenkontraktion, die er im Unterschied zu FitzGerald erstmals in Näherung quantifiziert.

1895:
Lorentz führt den Begriff der "Ortszeit" und das "Theorem korrespondierender Zustände" in die Theorie ein. Die Transformationen bewirken, dass die Maxwellgleichungen bis zur Ordnung v/c invariant bleiben. Die Orstzeit bleibt aber eine reine Rechengrösse ohne tieferen physikalischen Inhalt.

1898:
Unabhängig vom Festland findet Larmor im Rahmen seiner Aethertheorie entsprechende Transformationen, die mit den späteren Lorentztransformationen vergleichbar sind.

1898:
Von Poincaré, der sich von berufeswegen mit Zeitmessung und Uhrensynchronisation zu befassen hat, erscheint "La Mesure du temps". Die Konzeption der 'Relativität der Gleichzeitigkeit' wird deutlich angesprochen, indem die Unmöglichkeit und damit keine objektive Bedeutung der Gleichzeitigkeit erkannt wird. Poincaré ist bereit, die Berechtigung eines absoluten Raumes und einer absoluten Zeit in Frage zu stellen ohne sich aber definitiv von der Newtonschen Konzeption abzugrenzen.

1899:
Lorentz findet die bis auf einen "freien Skalenfaktor" richtigen Transformationen:

x' = εγ(x - vt)
y' = y
z' = z
t' = εγ(t - (vx/c^2))
γ = 1/sqrt(1 - (v^2/c^2))

Lorentz nimmt diese eher intuitiv gefundenen Transformationsgleichungen a priori an, um damit die Kovarianz der Maxwellgleichungen zu belegen. Er leitet sie jedoch nicht geschlossen her. Viele seiner (prinzipiell zwar richtigen) Überlegungen entspringen einer Ad hoc Methodik. Die Überlegungen bewegen sich zudem vorwiegend im Rahmen der Maxwell-Hertzschen Theorie ohne die Mechanik näher zu beleuchten. Der Lorentzschen Theorie fehlt es an Allgemeinheit, was insbesondere Poincaré bemängelte.

1901:
Die Kaufmannschen Messungen (Elektronenablenkung durch elektromagnetische Felder) werfen den Gedanken einer Grenzgeschwindigkeit auch für die Mechanik auf.

1902:
Poincarés "La Science et l'Hypothèse" erscheint. Erstmals distanziert sich Poincaré vom Aetherparadigma, indem er dieses gerne den Metaphysikern überlässt. Einstein diskutiert dieses Buch mit seinen Kameraden von der 'Akademie Olympia' in Bern. Ob das Buch auf französisch oder in der 1904 erschienenen deutschen Übersetzung von Lindemann - dem "Bezwinger von Pi" - vorlag, entzieht sich meiner derzeitigen Kenntnis.

1904:
Lorentz bereinigt seine Transformationsgleichungen von 1899, indem er aus den Bewegungsgleichungen eines Elektrons in einem äusseren Feld folgert, dass der Skalenfaktor ε = 1 sein muss. Er sucht weiterhin nach einem Theorem, das die Symmetrieeigenschaften der inhomogenen Maxwellgleichungen aufzeigt, begeht jedoch in der Beweisführung einen gravierenden Fehler. In dieser Arbeit beschreibt er mathematisch korrekt auch die longitudinale und transversale Masse des Elektrons (heutzutage bedeutungslos) und kann zeigen, dass dies mit den Messungen von Kaufmann verträglich ist.

Damit ist die eigentliche Geburtsstunde der späteren Speziellen Relativitätstheorie bereits gekommen, weil nun nebst der Elektrodynamik auch die Mechanik ins Zentrum der relativistischen Überlegungen rückt. Lorentz hält aber weiterhin am Aetherparadigma fest.

1904:
Von Poincaré erscheint "La Valeur de la Science", worin auch seine legendäre Rede von St. Lois abgedruckt ist, welche die "neue Mechanik" in Prosa vorwegnimmt. Im Schlussatz - und hierin erweist sich Poincaré wiederum als schwerblütiger Konventionalist - heisst es vorsichtig formulierend:

"Vielleicht müssten wir auch eine neue Mechanik ersinnen, die uns nur undeutlich vorschwebt, worin … die Geschwindigkeit des Lichtes eine unüberschreitbare Grenze wäre. … Ich füge aber … hinzu, daß wir noch nicht so weit sind, und daß noch durch nichts bewiesen ist, daß [die alten Prinzipien] nicht siegreich und unberührt aus dem Kampfe hervorgehen werden."

1904 ff.:
In Göttingen befasst sich der Mathematikerkreis um Minkowski, Klein und Hilbert mit ersten Überlegungen zur Elektrodynamik bewegter Körper. Die damit verbundene Konsequenz einer nichteuklidischen Geometrie wird im Ansatz erkannt.

1905:
Poincaré bereinigt in "Sur La Dynamique de l'Electron" die letzen noch anhaftenden Mängel in Lorentz Arbeit von 1904. Die Kurzfassung erscheint bereits am 5. Juni 1905, während die Vollversion vom 23. Juli 1905 erst im Frühjahr 1906 erscheint. Darin wird u.a. Gebrauch von der Lorentzkovarianz gemacht und die spezielle Lorentztransformation als Drehung im nichteuklidischen 4D-Kontinuum beschrieben. Längen werden durch Lichtlaufzeiten mit c = 1 definiert. Ein vollständiger Beweis der Kovarianz der Maxwellschen Elektrodynamik liegt bei.

1905:
Einsteins berühmter Beitrag zur 'Elektrodynamik bewegter Körper' geht am 30. Juni 1905 bei den Ann. d. Physik ein. Ausser einer Erwähnung seines Freundes Besso werden keine weiteren Referenzen genannt. Bis heute ist unklar, wieviel Einstein aus der Lorentzschen Theorie bekannt war. Hingegen hat er die Bücher von Drude (Lehrbuch der Optik) und Föppl (Einführung in die Maxwellsche Theorie), in denen die relativistische Problematik in Umrissen bereits angesprochen wurde, zweifellos mit grossem Gewinn im Selbststudium gelesen.

Wir erkennen in Föppls eigenen Worten unschwer die später von Einstein in ähnlicher Formulierung gebrauchten Überlegungen:

"Wir dürfen es nicht a priori als feststehend ansehen, daß es z.B. gleichgültig ist, ob ein Magnet sich in der Nähe eines ruhenden elektrischen Stromkreises oder ob dieser sich bewegt, während der Magnet ruht, falls nur in beiden Fällen die Relativbewegung die gleiche ist." (Föppl)

"Dass die Elektrodynamik Maxwells - wie dieselbe gegenwärtig aufgefasst zu werden pflegt - in ihrer Anwendung auf bewegte Körper zu Asymmetrien führt, welchen den Phänomenen nicht anzuhaften scheinen, ist bekannt. Man denke z.B. an die elektrodynamische Wechselwirkung zwischen einem Magneten und einem Leiter. Das beobachtbare Phänomen hängt hier nur ab von der Relativbewegung von Leiter und Magnet..." (Einstein)

1906:
Kaufmanns neueste Messungen sprechen nun eher für Abrahams Elektronentheorie, die ohne Längenkontraktion auskommt. Erst ab 1909 wendet sich das Blatt infolge Bucherers präziseren Messungen wieder zugunsten der Einsteinschen Theorie.

1907:
Minkowski, einer von Einsteins einstigen Mathematiklehrern am Polytechnikum in Zürich, erfährt von Einsteins bahnbrechender Arbeit von 1905 und beurteilt die "Darstellung seiner tiefsinnigen Theorie mathematisch umständlich und formal verbesserungswürdig..."

Dieser gewiss nicht einfachen Aufgabe nimmt er sich selbst an und legt seine Erkenntnisse der Sitzung der 'Königlichen Gesellschaft der Wissenschaft zu Göttingen' am 21. Dezember 1907 vor.

1908:
Minkwoskis legendärer Septembervortrag auf der Jahresversammlung der 'Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte' in Köln bewirkt eine nachhaltige Resonanz unter den Zuhörern. Dazu mag auch die dramatische Sprache beigetragen haben:

"Von Stund an sollen Raum und Zeit für sich völlig zu Schatten herabsinken, und nur noch eine Art Union derselben soll Selbständigkeit bewahren..."

Der Vortrag wird 1909 in der 'Physikalischen Zeitschrift' veröffentlicht. Minkowski sind in seinem Vortrag zwar ein paar seltsam anmutende Fehler unterlaufen. Trotzdem, das mathematische Gerüst der Speziellen Relativität steht nun voll aufgerichtet und in luzider Klarheit da. Die Einführung einer imaginären Lichtzeit müsste Minkowski allerdings mit Poincaré teilen, der bereits zuvor darauf gestossen war. Einstein tut sich anfänglich schwer mit dem neuartigen Formalismus (überflüssige Gelehrsamkeit), erkennt aber schnell den grossen Nutzen der Vierervektoren, den er sich alsbald zu eigen macht.

In den nachfolgenden Jahren bewirken die Arbeiten von Langevin, Laue und Brill eine zunehmende Akzeptanz der SRT in der anfänglich noch skeptischen Physikergemeinde. Einstein arbeitet während dieser Zeit bereits an den Grundzügen einer verallgemeinerten Relativitätstheorie, die auch die Gravitation miteinbezieht. Die Feldgleichungen der Gravitation werden im Spätherbst des Jahres 1915 publiziert, wobei ein kurzzeitiger Prioritätenstreit das Einvernehmen zwischen Einstein und Hilbert trübt.

Dieses Meisterwerk (ART) ist nebst der Erklärung des Photoelektrischen Effektes (Lichtquantenhypothese), für die er 1922 den Nobelpreis erhielt, Einsteins grösstes Verdienst.

In diesem Sinne soll gelten:
EHRE WEM EHRE GEBÜHRT!

p.s. Einen recht guten Erstüberblick findet man auch bei:

- Günther, Starhilfe Relativitätstheorie (im Anhang)
- Schmutzer, Relativitätsheorie aktuell

Gr. zg


Zuletzt bearbeitet von zeitgenosse am 15.02.2008, 00:27, insgesamt einmal bearbeitet
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dhainz



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BeitragVerfasst am: 14.02.2008, 13:48    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Ich,

Zitat:
Ich: Lorentz hat das Relativitätsprinzip nicht auf alle Bereiche der Natur ausgeweitet. Explizit ist zu lesen (sinngemäß, ich hab's Zitat nicht zur Hand) "wenn alle Wechselwirkungen elektromagneischer Natur sind, dann...".
Larmor weiß ich nicht, kannst du ja belegen mit Zitaten.


In gewissem Sinne hatte das Lorentz sehr wohl getan (Larmor wohl eher nicht) - zumindest wurde er so verstanden. Lorentz hat zwar (wie Wien und Abraham) mit einer rein elektrischen Grundlage des Materie kokettiert, jedoch in seiner Arbeit 1904 sagte er, dass sein "Theorem der korrespondierenden Zustände" auch auf nicht-elektrische Bereiche (z.b. elastische Molekularkräfte) ausgedehnt werden müsse. Als Belege für die damalige Interpretation dieses Textes siehe z.b. Richard Gans, (Beiblätter der Annalen der Physik, Februar 1905), welcher über Lorentz 1904-Arbeit schreibt: "Ferner sollen auch nicht-elektrische (z. B. elastische) Kräfte dieselbe Veränderung durch die Translation erfahren, wie oben die ponderomotorischen Kräfte elektrischen Ursprungs."

Eine wirklich komplette Anwendung des RP war das allerdings noch nicht. Das wurde erst durch Henri Poincaré (Juni 1905) gemacht - allerdings muss man bei Poincare berücksichtigen, dass er Lorentz of Gedanken zuschrieb, die in Wirklichkeit seine (Poincares) Eigenen waren! Nachdem Poincare die Elektrodynamik vollstänidg lorentz-kovariant formuliert hat, schrieb er (Übersetzung nach Keswani, 1983): "But this is not all; Lorentz, in the quoted reference, has judged it necessary to complete his hypothesis by supposing that all the forces, whatever their origin, should be affected by a translation, in the same manner as the electromagnetic force, and that, consequently, the effect produced on their components by the Lorentz transformations is still defined by equations (4)." Poincaré versuchte dann auch gleich (wenn auch nicht sehr erfolgreich) die Gravitation mit dem Relativitätsprinzip verträglich zu machen. Aber es ging ihm, wie er schrieb, in erster Linie nur darum zu zeigen, dass die Gravitationsausbreitung mit c und nicht instantan erfolgt.

Zitat:
Poincaré hat definitiv vermutet, dass alle Vorgänge dem Relativitätsprinzip gehorchen... zu gehorchen scheinen: Der Unterschied ist wichtig. Poincaré hat niemals eine Theorie auch nur in Erwägung gezogen, die das Relativitätsprinzip als Kern hat. Immer war die Rede von eigentlich asymmetrischen Vorgängen (ätherbasierten also), die sich "verstecken" und Symmetrie vortäuschen. Poincaré und Lorentz waren dementsprechend auch mit der Frage beschäftigt, wie sich die scheinbare Befolgung des Relativitätsprinzips für Größen höherer Ordnung nachweisen ließe - was deutlich macht: dieses Prinzip war für sie eine Kuriosität, die nicht aus der Theorie hervorgeht oder gar als Grundlage derselben gesehen werden kann. Dieser Unterschied in de Herangehensweise ist riesig, und ich komme gleich darauf zurück.


Hier sollte man zwischen Lorentz und Poincare unterscheiden: Lorentz hat es wohl als Kuriosität empfunden, jedoch Poincare war bereits ab 1895 von der Relevanz der RP überzeugt und benutzte es sehr früh als Leitidee bei seiner Kritik der Lorentzschen Theorie. In diesem Sinne kann man sehr wohl sagen, dass das RP ein "Kern" der Theorie Poincares war (trotz begründeter Vorbehalte, welche Poincare als Reaktion auf bestimmte Experimente des öftern äußerte). Eine Unterscheidung muss auch beim Äther getroffen werden: Für Lorentz war es eine absolute Realität, für Poincare jedoch eine bequeme Konvention - welcher er jedoch Zeit seines Lebens als bequemer ansah als die Konvention von Einstein/Minkowski. Deswegen war ihm sein Ätherdruck (1905) zur Stabilisierung des Elektrons und zur Erklärung der Längenkontraktion auch lieber als kinematische Begründungen.

Zitat:
Genau wie er aus dem Relativitätsprinzip (einer beobachteten Symmetrie) mit dem zweiten Postulat (eine empirische Tatsache) die SRT entwickelt hat - was keiner den genannten Herren gemacht hat - hat er aus der SRT, dem Äquivalenzprinzip (einer beobachteten Symmetrie) und sonst nichts außer einer Zahl die bis heute gültige Theorie der Gravitation entwickelt. Nach haargenau dem gleichen Muster, wohlgemerkt, und mit Ansage, und unter Beobachtung der wissenschaftlichen Welt. Trotzdem als Einziger.


Deine Analyse hat einen fundamentalen Fehler: Du stellst es dar, als ob das Relativitätsprinzip und das Lichtpostulat bereits fest verankertes Allgemeingut gewesen wären, aus denen man dann wie selbstverständlich Konsequenzen ziehen darf. Aber so war es nicht, wie es vor allem an wohlüberlegten und vorsichtigen Ausdrucksweise von Poincare, der diese Prinzipien auch benutzte, hervorgeht. Denn es gab große Problem für die Theorie: Die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse z.b. war durch Kaufmann (1901) zwar nachgewiesen worden, jedoch nicht genau und klar genug. Auch Konkurrenzmodelle wie die von Abraham (1902) bzw. Bucherer/Langevin (1904) widersprachen dem RP, waren jedoch mit den Kaufmannschen Beobachtungen vereinbar. Andere Experimente z.b. zu den magnetischen Kathodenstrahlen schienen die Theorie ebenfalls zu gefährden. Poincare schrieb (1905) daher in aller Vorsicht: "I, too, have not hesitated to publish these few partial results, even if at this very moment the discovery of magneto-cathode rays seems to threaten the entire theory." Ende 1905 kamen dann die nächsten Kaufmann-Experimente, in den er verkündete, dass die "Lorentz-Einsteinsche" Grundannahme (nämlich das RP) widerlegt sei und die Theorie Abrahams zu bevorzugen sei. Auch auch hier zögert Poincare nicht, dieses Resultat seine Lesern mitzuteilen um auf den experimentell wackligen Grund des RP hinzweisen.

Im Vergleich dazu kann man den optimistischen Glauben an das RP von Einstein durchaus als vorschnell bezeichnen. Er hat z.b. seine Überlegungen zur Gravitation begonnen (1907), als Kaufmanns Experimente praktisch noch unwidersprochen dastanden, d.h. als es um die SRT (und ohne die gibts keine ART) gar nicht gut stand. (Wirklich im Sinne der SRT geklärt wurde die Kaufmann-Problematik wohl erst 1913/1914 (!) durch die Neumann-Experimente). Deswegen solltest du etwas vorsichtiger sein, wenn du die anderen dafür kritisierst, dass sie Einsteins Arbeitsmuster nicht schön brav von Anfang an gefolgt sind.

Zitat:
Ich hoffe, ich konnte den prinzipiellen Unterschied in der Herangehensweise aufzeigen.


Die Unterschiede in der Herangehensweise sind bekannt. Jedoch habe ich die Frage gestellt, wie groß die Bedeutung von Einsteins Leistungen zur SRT (nicht zur ART) im Vergleich zu den Vorgängern war, und die sind m.E. vergleichsweise bescheiden. Das Relativitätsprinzip (1900) als auch des Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (1898) finden wir schon bei Poincare - unter klar ausgesprochener Berücksichtigung beider Prinzipien leitete er 1900 die Voigt-Lorentzsche Ortszeit im Zusammenhang mit der Synchronisation von Lichtsignalen ab.

Einstein ist nun (aus Poincares Sicht wohl etwas voreilig) draufgekommen, dass die beiden Prinzipien alleine völlig ausreichend sind und man auf den Äther verzichten konnte und statt "Ortszeit" oder "scheinbarer Zeit" kann man Zeit schlechthin sagen. Das ist vom philosophischen und methodologischen Standpunkt sicher höchst interessant und lehrreich. Und damit kein Missverständnis versteht: Gerade diese philosophischen Unterschiede sind es, welche uns klar zeigen, dass Poincares Relativitätstheorie und Einsteins Relativitätstheorie nicht ein und dieselben Theorien sind. Trotzdem ist letztere Theorie doch "nur" eine Interpretation ohne messbaren physikalischen Unterschied zu Lorentz/Poincares Vorgängertheorie - und deswegen sollte man den Beitrag Einsteins noch mal gründlich überdenken (vor allem angesichts so ziemlich aller Darstellungen, wo Einstein als großer Schöpfer einer "völlig neuen" Theorie auftritt.).

PS: Und dabei habe ich die Frage, inwiefern Einstein von seinen Vorgängern genau beeinflusst wurde, noch gar nicht angeschnitten....

mfg
Dietmar
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dhainz



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BeitragVerfasst am: 14.02.2008, 13:58    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Galileo,

Zitat:
dass die 'SRT' um die Jahrhundertwende sozusagen in der Luft lag, ist wissenschaftshistorisch unbestritten. Die Frage war, wer den wirklich entscheidenden Schritt gehen konnte.


Kommt auf die Definition an. Wenn die vollständige Relativierung von Raum und Zeit und die vereinfachte Ableitung aus den beiden Postulaten das wichtigsten Dinge sein sollen, dann natürlich Einstein. Wenn man aber, wie es ja auch oft getan wird, die Invarianz der Naturgesetze und die Etablierung des modernen Relativitätsprinzips ganz oben ansetzt, war es wohl Poincare.

Das Wort "Relativitästheorie" leitet sich m.E. ja auch nicht von der "Relativität von Raum und Zeit" ab, sondern ist, wie sich Planck, Kaufmann, Bucherer oder Neumann hin und wieder ausdrückten, die "Theorie des Relativitätsprinzips", oder auch "Relativtheorie" mit Relativitätsprinzip als Vorform. Na, ja, inzwischen scheint da ein Begriffswandel eingesetzt zu haben.

Zitat:
Lorentz: A transformation of the time was also necessary. So I introduced the conception of a local time which is different for different systems of reference which are in motion relative to each other. But I did never thought that this has anything to do with the real time. This real time for me was still represented by the old classical notion of an absolute time, which is independent of any reference to special frames of co-ordinates. There existed for me only this one true time. I considered my time transformation only as a heuristic work hypothesis. So the theory of relativity is really solely Einstein's work. And there can be no doubt that he would have conceived it even if the work of all his predecessors in the theory of this field had not been done at all. His work is in this respect independent of the previous theories.


Ja, die Arbeit kenne ich. Nun ist es bekannt, dass die physikalische Interpretation der Ortszeit von Poincare und danach durch Einstein erfolgte. Wissenschaftshistoriker wie Michel Jannsen (siehe dessen ausgezeichnete historische Arbeiten zu "Lorentz's ether theory", vor allem hier und hier) haben sich immer schon gewundert, wieso Lorentz in diesem Zusammenhang immer nur Einstein, und niemals Poincare benannt hat. Na, ja, stimmt nicht ganz. 1921 hat Lorentz Poincare hier gewürdigt und ihn genau im obigen Zusammenhang noch vor Einstein und Minkowski angeführt. Ich habe Jannsen inzwischen auf diese (ihm unbekannte) Arbeit aufmerksam gemacht.

PS: Ich habe jede Menge frei zugänglicher Originallinks im Wiki-Artikel zur Lorentzschen Äthertheorie hineingestellt. Selbstverständlich musste der Artikel so gestaltet werden, dass die "Überlegenheit" der Einsteinschen Theorie zum Vorschein kommt - was nicht meiner persönlichen Meinung entspricht, aber was soll man machen, so sind die Regeln. Smile

EDIT: Nicht ärgern, aber ich habe Überlegeneheit noch nachträglich in Anführungszeichen gesetzt, damit keine Missverständnisse entstehen. Siehe diesen Beitrag zu Erläuterung.

mfg
Dietmar


Zuletzt bearbeitet von dhainz am 14.02.2008, 17:34, insgesamt 2-mal bearbeitet
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pauli



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Beiträge: 1551

BeitragVerfasst am: 14.02.2008, 14:58    Titel: Antworten mit Zitat

dhainz hat Folgendes geschrieben:

...
Selbstverständlich musste der Artikel so gestaltet werden, dass die Überlegenheit der Einsteinschen Theorie zum Vorschein kommt - was nicht meiner persönlichen Meinung entspricht, aber was soll man machen, so sind die Regeln. Smile

Das finde ich interessant, gibt es denn (bei wikipedia) Regeln, vlt. auch ungeschriebene, die eine Herausstellung von Einsteins Priorität zur SRT einfordern?
In den Diskussionen im Wikipediaartikel kann ich keine Kontroversen dazu finden, habe ich etwas übersehen? (bin kein Wikipedianer)
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pauli is offline Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Ich



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BeitragVerfasst am: 14.02.2008, 15:21    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Dietmar,

Zitat:
Deine Analyse hat einen fundamentalen Fehler: Du stellst es dar, als ob das Relativitätsprinzip und das Lichtpostulat bereits fest verankertes Allgemeingut gewesen wären, aus denen man dann wie selbstverständlich Konsequenzen ziehen darf.

Hier kann ich dir überhaupt nicht folgen. Die Diskussion fing damit an, dass du Einsteins Beitrag zur Relativitätstheorie als gering erachtest. Ich sage, sein Beitrag war, eine beobachtete Symmtrie zu erkennen, entsprechend zu würdigen und die dann zwingenden Schlüsse zu ziehen, daraus also eine Theorie zu machen. Und hier sagst du, er hätte das gar nicht dürfen, weil die Postulate zu der Zeit kein fest verankertes Allgemeingut gewesen seien.
Na, dann hat er seinen Beitrag eben illegal geleistet. Und die anderen haben völlig legal gehandelt und diesen Beitrag eben nicht geleistet.
Das ist mal wirklich eine komische Sichtweise von dir.
Zitat:
Im Vergleich dazu kann man den optimistischen Glauben an das RP von Einstein durchaus als vorschnell bezeichnen. Er hat z.b. seine Überlegungen zur Gravitation begonnen (1907), als Kaufmanns Experimente praktisch noch unwidersprochen dastanden, d.h. als es um die SRT (und ohne die gibts keine ART) gar nicht gut stand. (Wirklich im Sinne der SRT geklärt wurde die Kaufmann-Problematik wohl erst 1913/1914 (!) durch die Neumann-Experimente). Deswegen solltest du etwas vorsichtiger sein, wenn du die anderen dafür kritisierst, dass sie Einsteins Arbeitsmuster nicht schön brav von Anfang an gefolgt sind.

Das Aufstellen einer Theorie bevor sie "bewiesen" (d.h. erfolgreich vielfach experimentell überprüft) wurde ist also "vorschnell"?? Theorien dürfen also erst veröffentlicht werden, nachdem sie experimentell bewiesen sind?
Shocked
Außerdem habe ich nicht Poincaré dafür kritisiert, dass er die Theorie nicht aufgestellt hat, sondern lieber legal bei den asymmetrischen Gesetzen geblieben ist, weil das Symmetrieprinzip noch wacklig war. Ich habe vielmehr als Einsteins Beitrag hervorgehoben, dass er im Gegensatz zu Poincaré die Theorie eben schon aufgestellt hat. Wenn das natürlich nicht legal war: ein offener Brief an Frau Schavan, sie wird ihn sicher posthum einsperren lassen.
Zitat:
Einstein ist nun (aus Poincares Sicht wohl etwas voreilig) draufgekommen, dass die beiden Prinzipien alleine völlig ausreichend sind und man auf den Äther verzichten konnte und statt "Ortszeit" oder "scheinbarer Zeit" kann man Zeit schlechthin sagen. Das ist vom philosophischen und methodologischen Standpunkt sicher höchst interessant und lehrreich. Und damit kein Missverständnis versteht: Gerade diese philosophischen Unterschiede sind es, welche uns klar zeigen, dass Poincares Relativitätstheorie und Einsteins Relativitätstheorie nicht ein und dieselben Theorien sind.

Ja eben. Und Einsteins Theorie ist nun mal die Relativitätstheorie, Poincarés nicht. Also war Einsteins Beitrag zur Relativitätstheorie auch größer als Poincarés, weil dieser sie aufgestellt hat, jener nicht. Was gibt's denn da zu reden, wenn wir uns in dem Punkt schon einig sind?
Zitat:
Trotzdem ist letztere Theorie doch "nur" eine Interpretation ohne messbaren physikalischen Unterschied zu Lorentz/Poincares Vorgängertheorie - und deswegen sollte man den Beitrag Einsteins noch mal gründlich überdenken (vor allem angesichts so ziemlich aller Darstellungen, wo Einstein als großer Schöpfer einer "völlig neuen" Theorie auftritt.).

Das ist doch Unsinn. Hier muss man die Frage stellen, warum die beiden Theorien heute nicht als gleichwertig (was das Wort "Interpretation" suggeriert) angesehen werden. Warum die eine die Basis der heutigen Physik darstellt, die andere (außer von einigen wenigen) vergessen ist.
Der Punkt ist, dass das Experiment nicht der alleinige Richter über Theorien ist. Occam gibt's auch noch, und der ist wichtig. Beispiel:
Theorie 1: Die Sterne leuchten, weil da Wasserstoff zu Helium fusioniert.
Theorie 2: Die Sterne leuchten, weil da unsichtbare Feen und Elfen kleine Laternchen hochhalten, die genau dasselbe Spektrum ergeben.
Beide sind Interpretationen des Sachverhalts, und experimentell ununterscheidbar.
In Theorie 2 sind einfach zu viele Feen, Elfen und Laternchen.
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Ich



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BeitragVerfasst am: 14.02.2008, 15:49    Titel: Antworten mit Zitat

pauli hat Folgendes geschrieben:
Das finde ich interessant, gibt es denn (bei wikipedia) Regeln, vlt. auch ungeschriebene, die eine Herausstellung von Einsteins Priorität zur SRT einfordern?

Da geht's nicht um den Prioritätsstreit, sondern um:
Wiki hat Folgendes geschrieben:
Die Symmetrie der Beobachtungen und damit die offensichtliche Gültigkeit eines phänomenologischen Relativitätsprinzips wird als Folge einer eher zufälligen Symmetrie der zugrunde liegenden dynamischen Prozesse interpretiert. Sie verhindert jedoch die Möglichkeit, die eigene Geschwindigkeit relativ zum Äther zu bestimmen, und macht ihn damit zu einer prinzipiell unzugänglichen Größe in der Theorie. Solche Größen sollten laut dem Ockhamschen Rasiermesser wenn möglich vermieden werden, was der Grund ist, warum diese Theorie als überholt gilt und kaum noch vertreten wird.

In der speziellen Relativitätstheorie sind Längenkontraktion und Zeitdilatation dagegen eine Folge der Eigenschaften von Raum und Zeit und nicht von materiellen Maßstäben und Uhren. Die Symmetrie dieser Effekte ist eine Folge der Gleichwertigkeit der Beobachter, die als Relativitätsprinzip der Theorie zugrunde liegt. Alle Größen der Theorie sind experimentell zugänglich.

Das ist eine neutral ausgedrückte Tatsache. Es gibt einen Grund, warum die LET abgelöst wurde, und der wird erläutert. Das ist auch keine Ansichtssache:
Fakt1: Der Äther in der LET ist nicht detektierbar. (Wenn doch einmal einer gefunden würde, wäre die LET auch falsch).
Fakt2: Nicht detektierbare Größen sind zu vermeiden (entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem). Das ist eine der Grundregeln, die die moderne Wissenschaft ausmachen. Man muss sie natürlich nicht befolgen, aber dann handelt man nicht wissenschaftlich. Unsichtbare rosa Einhörner z.B. sind ein bekanntes Problem, das bei Nichtbefolgung auftritt.

Damit ist erläutert, warum die SRT und nicht die LET in der Wissenschaft eine Rolle spielt. Mehr nicht. Dass einzelne die Theorien anders bewerten ändert nichts daran.
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dhainz



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BeitragVerfasst am: 14.02.2008, 17:31    Titel: Antworten mit Zitat

pauli hat Folgendes geschrieben:
dhainz hat Folgendes geschrieben:

...
Selbstverständlich musste der Artikel so gestaltet werden, dass die Überlegenheit der Einsteinschen Theorie zum Vorschein kommt - was nicht meiner persönlichen Meinung entspricht, aber was soll man machen, so sind die Regeln. Smile

Das finde ich interessant, gibt es denn (bei wikipedia) Regeln, vlt. auch ungeschriebene, die eine Herausstellung von Einsteins Priorität zur SRT einfordern?
In den Diskussionen im Wikipediaartikel kann ich keine Kontroversen dazu finden, habe ich etwas übersehen? (bin kein Wikipedianer)


Ich muss mich wirklich genauer ausdrücken, sonst unterstellt mir noch jemand, ich würde eine Art "Einstein-Propaganda" in Wiki betreiben: In Wikipedia darf (oder sollte) nur das reingestellt werden, was sich auf anerkannte wissenschaftliche Quellen stützen lässt. Die derzeit gültige Lehrmeinung ist, dass Einsteins Theorie aus den im Artikel genannten Gründen der LET überlegen ist, obwohl beide beobachtungsäquivalent sind. Das spiegelt die momentane, quellenbasierte Meinung wieder, welche ich persönlich allerdings nicht teile. Andere Meinungen werden von der Mehrheit der scientific community nun mal nicht getragen. Aber das heißt nicht, dass sie in Wiki nicht erwähnt werden dürfen, siehe z.b. den Abschnitt "Lorentziansche Modelle", wo z.b. das Modell von Günther, Sine-Gordong-Gleichung etc. erwähnt werden.

mfg
Dietmar
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dhainz



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Beiträge: 87

BeitragVerfasst am: 14.02.2008, 18:44    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Ich,

Zitat:
Hier kann ich dir überhaupt nicht folgen. Die Diskussion fing damit an, dass du Einsteins Beitrag zur Relativitätstheorie als gering erachtest. Ich sage, sein Beitrag war, eine beobachtete Symmtrie zu erkennen, entsprechend zu würdigen und die dann zwingenden Schlüsse zu ziehen, daraus also eine Theorie zu machen. Und hier sagst du, er hätte das gar nicht dürfen, weil die Postulate zu der Zeit kein fest verankertes Allgemeingut gewesen seien. Na, dann hat er seinen Beitrag eben illegal geleistet. Und die anderen haben völlig legal gehandelt und diesen Beitrag eben nicht geleistet.
Das ist mal wirklich eine komische Sichtweise von dir.
...
Das Aufstellen einer Theorie bevor sie "bewiesen" (d.h. erfolgreich vielfach experimentell überprüft) wurde ist also "vorschnell"?? Theorien dürfen also erst veröffentlicht werden, nachdem sie experimentell bewiesen sind?
Shocked


Was die SRT betrifft, haben die anderen (allerdings sehr viel vorsichtiger) "den Beitrag" sehr wohl geleistet. Bei Einstein kann man zwar auf vielen Gebieten wie z.b. der ART von substantiellen Beiträgen sprechen, jedoch m.E. nicht von der SRT. Einstein hat salopp formuliert die Lorentz/Poincare Theorie umgedreht - und ich hinterfrage, ob das wirklich die geniale Leistung sein soll, die man seit 100 Jahren feiert

Und wo habe ich geschrieben, dass Einstein seine Schlüsse nicht hätte ziehen "dürfen"? Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass Poincares Zurückhaltung durchaus gerechtfertigt war - aber ich habe nirgends geschrieben, dass Einsteins Handlungen deswegen "illegal" seien. Einstein konnte schreiben was er wollte - ich wollte nur klarstellen, dass man dies nicht als Vorwurf gegen andere Autoren benutzen darf. Aber offenbar ist die Klarstellung danebengegangen. Sad

Zitat:
Außerdem habe ich nicht Poincaré dafür kritisiert, dass er die Theorie nicht aufgestellt hat, sondern lieber legal bei den asymmetrischen Gesetzen geblieben ist, weil das Symmetrieprinzip noch wacklig war.


Da gibt’s m.E. eben nichts zu kritiseren.

Zitat:
Ja eben. Und Einsteins Theorie ist nun mal die Relativitätstheorie, Poincarés nicht. Also war Einsteins Beitrag zur Relativitätstheorie auch größer als Poincarés, weil dieser sie aufgestellt hat, jener nicht. Was gibt's denn da zu reden, wenn wir uns in dem Punkt schon einig sind?


Schön wär’s. Wie ich im Beitrag an Galileo schon geschrieben habe, kommt’s auf die Definition an: Poincares Theorie kann dann als eine Relativitätstheorie betrachtet werden, wenn die SRT als eine Theorie definiert wird, in welcher das RP und die Lorentz-Invarianz erfüllt ist. (Im Gegensatz übrigens zu Lorentz, für den die Ortszeit vor 1905 nur eine Hilfsvariable war.) Aber da du wohl auf die "Raumzeit"-Interpretation stehst, müssen wir Poincares Theorie wohl Relativitätsäthertheorie nennen. Übrigens schwirrt im englischen neben dem Ausdruck LET auch LR (Lorentzian relativity) durch das Internet....

Zitat:
Zitat:
Trotzdem ist letztere Theorie doch "nur" eine Interpretation ohne messbaren physikalischen Unterschied zu Lorentz/Poincares Vorgängertheorie - und deswegen sollte man den Beitrag Einsteins noch mal gründlich überdenken (vor allem angesichts so ziemlich aller Darstellungen, wo Einstein als großer Schöpfer einer "völlig neuen" Theorie auftritt.).

Das ist doch Unsinn. Hier muss man die Frage stellen, warum die beiden Theorien heute nicht als gleichwertig (was das Wort "Interpretation" suggeriert) angesehen werden. Warum die eine die Basis der heutigen Physik darstellt, die andere (außer von einigen wenigen) vergessen ist.
Der Punkt ist, dass das Experiment nicht der alleinige Richter über Theorien ist. Occam gibt's auch noch, und der ist wichtig. Beispiel:
Theorie 1: Die Sterne leuchten, weil da Wasserstoff zu Helium fusioniert.
Theorie 2: Die Sterne leuchten, weil da unsichtbare Feen und Elfen kleine Laternchen hochhalten, die genau dasselbe Spektrum ergeben.
Beide sind Interpretationen des Sachverhalts, und experimentell ununterscheidbar.
In Theorie 2 sind einfach zu viele Feen, Elfen und Laternchen.


So kann man auch vom Thema abkommen. Ich schrieb oben, dass es keinen messbaren physikalischen Unterschied zu Lorentz/Poincare gibt und stelle die Frage, ob die zeitlich vorhergehende Aufstellung einer solchen Theorie eine größere Leistung ist als die nachträgliche Neuinterpretation durch Einstein. Und ich finde, dass die vorhergehende Leistung größer war. Und ich würde die Idee eines Äthers, welcher sich lange als heuristische nützliches Konzept bewährt hatte, nicht unbedingt mit Feen, Elfen und Laternchen vergleichen.

Und der mögliche Einwand, dass ja auch Kopernikus ein Fortschritt gegenüber Ptolemäus darstellt, ist hier nicht relevant, da das heliozentrische Modell sich tatsächlich als einfacher erwies als das geozentrische. (Ich denke, die Keplerschen Gesetze sehen in einem geozentrischen Modell etwas umständlicher aus Very Happy). Aber zwischen Lorentz/Poincare und Einstein gibt’s hier überhaupt keinen Unterschied: Die Gleichungen haben alle die selben Form, egal welches System man benutzt.

Zitat:
Ich habe vielmehr als Einsteins Beitrag hervorgehoben, dass er im Gegensatz zu Poincaré die Theorie eben schon aufgestellt hat. Wenn das natürlich nicht legal war: ein offener Brief an Frau Schavan, sie wird ihn sicher posthum einsperren lassen.


"Offene" Briefe zu versenden ist nicht mein Stil. Shocked

mfg
Dietmar
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zeitgenosse



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BeitragVerfasst am: 15.02.2008, 00:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hat Folgendes geschrieben:
Außerdem habe ich nicht Poincaré dafür kritisiert, dass er die Theorie nicht aufgestellt hat, sondern lieber legal bei den asymmetrischen Gesetzen geblieben ist, weil das Symmetrieprinzip noch wacklig war.


Die in Physikerkreisen gelegentlich mit Erhabenheit behauptete Symmetrie, welche das Spezielle Relativitätsprinzip angeblich auszeichnet, ist durch nichts erhärtet. Vielmehr sehen wir an vielen Stellen, dass die Natur asymmetrisch aufgebaut ist. Der Higgsmechanismus bspw. beruht geradezu auf dem Prinzip des Symmetriebruchs. Aber auch beim CPT-Theorem stellen wir bei diskreten Transformationen eine offensichtliche Verletzung der Spiegelsymmetrie fest. Die schwache Wechselwirkung ist nicht invariant unter Paritätsinversion (Lee und Yang, 1956; Wu, 1957). Die CP-Verletzung bei der schwachen Wechselwirkung ist empirisch abgesichert. Auch dass im heutigen Universum nur wenig Antimaterie vorhanden ist, belegt deutlich, dass es einen die Symmertie verletzenden Mechanismus geben muss. Ungeachtet dessen gibt es natürlich viele Symmetrien, das sei unbestritten.

In Bezug auf das Relativitätsprinzip zu behaupten, dass dieses nur bei Bejahung der Symmetrie erfüllt werde, betrachte ich deshalb als äusserst fragwürdig, weil physikalisch durch nichts gerechtfertigt. Dazu eine mathematische Begründung anzuführen ist letztlich auch nicht relevant, weil die Eleganz einer Theorie nichts über deren Wahrheitsgehalt aussagt. Den vielfach missbrauchten Ockham ins Spiel zu bringen, ist ebenfalls verfänglich, richtet sich die Physik doch in den wenigsten Dingen nach den Vorgaben der Philosophen aus. Ferner unter Verweis auf Elfen und Feen die LET in den Bereich des Lächerlichen zu ziehen, ist lediglich ein Griff in die (unterste) Schublade der Rethorik und somit ohne Bedeutung.

Im Einklang mit der Lorentz-Poincaréschen Konzeption (sowie den lesenswerten Beiträgen einer Reihe weiterer namhafter Physiker wie Selleri, Brandes, Günther und Smoot) verbleibe ich deshalb bei einem Relativitätsprinzip, das die Auszeichnung eines Fundamentalsystems zulässt (wie dies ja auch in der physikalischen Praxis tagtäglich der Fall ist). Die relativistischen Effekte erfahren nämlich bei Auszeichnung eines fundamentalen Bezugssystems geradezu ihre innere Glaubwürdigkeit (was jeder selbst bei Günther nachlesen mag).

Gr. zg
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