Hubble Space Teleskop – Zum Geburtstag ein Popstar
Wissenschaft ist in der Regel eine knochentrockene Angelegenheit. Ein Job wie jeder andere, wenn auch auf hohem Niveau. Begeisterung über die Ergebnisse von Grundlagenforschung ist eine Seuche, die sich normalerweise auf das Segment derjenigen begrenzen lässt, die in diesem Bereich arbeiten. Eine Ansteckungsgefahr anderer gesellschaftlicher Gruppen, gar im epidemischen Ausmass einer popular culture, findet eher selten statt.
Am 24. April 1990 wurde das Hubble Space Telescope (HST) aus dem Frachtraum des Space Shuttle „Discovery“ in den Weltraum ausgesetzt. Zum zwanzigsten Geburtstag des Weltraumteleskops ruft jetzt die europäische Weltraumorganisation ESA, die zusammen mit der NASA das HST betreibt, zu einem internationalen Wettbewerb auf, der klären soll, in welchem Umfang das öffentliche Bewusstsein durch das Weltraumteleskop geprägt und kulturell verändert wurde. Der „Hubble Pop Culture Contest“ sammelt bis zum 1. Juni 2010 Beispiele dafür, wie Hubble zum Popstar wurde und wird diese nach verschiedenen Kategorien prämieren.In der Wissenschaftsgeschichte war Albert Einstein Anlass und Opfer der Stilisierung zu einer Popikone. Der Einstein-Gegner Ernst Gehrcke fühlte sich durch die gesamt- gesellschaftliche Begeisterung für Einsteins Theorien herausgefordert und gab mit seiner Publikation „Massensuggestion der Relativitätstheorie“ den Takt vor, nach dessen Rhythmus rückständige Physiker und Ideologen Einstein in den 1920er und 1930er Jahren ins Exil zwangen und die „Volkskultur“ restaurieren wollten.
Als letzter Popstar der Physik wird gerne Stephen Hawking bezeichnet. Kultstatus geniessen nicht nur seine populärwissenschaftlichen Bücher. Wo Hawking auftritt, füllt er die Säle mit tausenden Zuhörern. Jenseits seines körperlichen Leidens, sind ihm die Qualen organisierter ideologischer Verfolgung erspart geblieben. Auch wenn im Widerstand gegen den Large Hadron Collider versucht wurde, die nach ihm bezeichnete „Hawking Strahlung“ im direkten Vergleich mit der körperlichen Verfassung des Wissenschaftlers als „lebensuntauglich“ zu denunzieren. Legendär ist Hawkings Auftritt in der Serie Star Trek, als er in der Episode „Descent“ mit Lt. Commander Data und den Hologrammen von Newton und Einstein auf dem Holodeck der Enterprise-D eine Partie Poker spielte. Und gewann.
Auch das Hubble Space Telescope war ein Darsteller im Hollywood-Kino. Im Weltuntergangsklassiker „Armageddon“ liefert das „Hubble“ die ersten detaillierten Bilder des Asteroiden, der die Erde zu zerstören droht. Wissenschaftliche Einrichtungen sind als Nebenrollen in Unterhaltungsfilmen allerdings keine Seltenheit. Das Arecibo-Radioteleskop lieferte die dramatische Szenerie für den James Bond Film „GoldenEye“ (1995). Und das CERN ist seit der Verfilmung von Dan Browns „Illuminati“ (1995) ein Filmstar.
Wenn nun ein kaltes Instrument in die kulturell einflussreiche Reihe der Vollblutphysiker Einstein und Hawking gestellt wird, ist das mehr als eine berechtigte Traditionsbildung. Das „Hubble“ hat nicht nur die klassische Astronomie revolutioniert, sondern auch unübersehbaren Einfluss in der Kosmologie und theoretischen Physik ausgelöst. Mit dem HST wurde die nach dem gemeinsamen Namensgeber Edwin Powell Hubble benannte „Hubble-Konstante“ präzise bestimmt. Die Ausdehnung des Universums wurde über die präzise Messung der Standardentfernungskerzen Cepheiden und Supernovae vom Typ Ia nicht nur bestätigt, sondern vollkommen umgekrempelt. Mit den Beobachtungen des HST wurde klar, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt, die gravitative Materie, ergänzt um eine sonst nicht wechselwirkende „Dunkle Materie“, mit einer noch weitgehend unbekannten „Dunklen Energie“ um die Dominanz im Universum konkurriert. Für die Kosmologen auf den Schultern von Einstein und Hawking ist das Weltraumteleskop ein mächtiges und unverzichtbares Instrument geworden.
Wie sehr das Hubble Space Telescope auch bei den Menschen angekommen ist, zeigte sich zuletzt in den vehementen Protesten, die sich nach der Absage der letzten Servicemission in der Folge des Absturz des Space Shuttle „Columbia“ erhoben. Die Mission wurde trotz erheblicher Sicherheitsbedenken im Mai 2009 schliesslich doch noch ermöglicht. Das HST bleibt damit mindestens bis 2014 als Grenzgänger und Botschafter zwischen den „two cultures“ (Charles Percy Snow) erhalten. Das ESA-Projekt wird auch zeigen, wie weit das „Hubble“ in die Wüste vorgedrungen ist, die von den klassischen Sinngebern hinterlassen wurde. Unabhängig davon hat das Weltraumteleskop jetzt schon Wissenschaftsgeschichte geschrieben.
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Die Deadline für den „Hubble Pop Culture Contest“ wurde bis zum 31. Juli 2010 verlängert.
Grüsse galileo2609