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Blumen für Gotthard Barth

von Redaktion am 9. Mai 2010

„Was haben Sie gegen Einstein?“, fragte Inspektor Polt. „Ich weise ihm elementare Rechenfehler nach. Das macht ihn mir mehr als verdächtig. Ob Genie oder nicht.“

So lernt Inspektor Polt, stiller Antiheld einer ganzen Reihe von Kriminalromanen des österreichischen Schriftstellers Alfred Komarek, den Privatgelehrten Dieter Wehdorn kennen. Im Roman nennen ihn die Bauern der Umgebung den „Professor“. In der weniger romantischen Realität ist er bestenfalls der geduldete Zuagraste (österreichisch für „der Zugewanderte“), der „Dichter Bradlei“.

Gotthard Barth

Gotthard Barth in seinem Refugium (im Haus Bradley)

Damit hat Alfred Komarek dem Privatgelehrten Gotthard Barth im Kriminalroman „Blumen für Polt“ und in der gleichnamigen Verfilmung ein Denkmal gesetzt. Für die letzten 20 Jahre seines Lebens war das ehemalige K. & K. Zollhaus zwischen Zwingendorf und Kellergasse für Gotthard Barth Refugium, Denk- und Arbeitsstätte zugleich. Nur gerade ein paar Kilometer entfernt in Obritz hatte sich Alfred Komarek einen alten Weinkeller als Ferienwohnsitz zum Ausgangspunkt für seine Streifzüge durch Niederösterreich gewählt. Dabei lernte Komarek schon in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts Gotthard Barth kennen.
Haus Bradley

Haus Bradley - das ehemalige K. & K. Zollhaus am Ortsrand von Zwingendorf

Der alte sympathische Mann faszinierte Komarek. Seine schrullige Aussenseiterrolle als unverdrossener Kämpfer gegen die arrogante etablierte Physik war etwas nicht Alltägliches. Vor Ende des Kalten Krieges 1989 und noch einige Zeit danach war das romantisch einsame nördliche Weinviertel nahe der tschechischen Grenze, der Stagnation durch die Isolation des Eisernen Vorhanges unterworfen. Ein verlorenes Land – und Gotthard Barth schien für Komarek das passende personifizierte Schicksal dafür zu sein.

So fand Gotthard Barth als Dieter Wehdorn seine Verewigung im Kriminalroman und dessen Verfilmung. Gotthard Barth hat Alfred Komarek aber nicht nur als Romanfigur interessiert. Im Buch „Weinviertel – Tauchgänge im grünen Meer“ 1998 und in einem Artikel des Diners Club Magazin 1988, „Vergessen wir Einstein“ oder in einem Artikel der Kulturnachrichten aus dem Weinviertel 1994, „Bienen hab’ ich auch“, wird der Aussenseiter Barth erwähnt. In den Tauchgängen schreibt er über Barth:

Über zwanzig Jahre gab er die Zeitschrift „Wissen im Werden“ heraus. Wichtigster Autor, Satz, Druck und Vertrieb: Gotthard Barth. Der erhoffte Erfolg, nämlich eine Revolution der Wissenschaft, blieb aus. Aber die verschworene Gemeinde der Fechter wider Einstein schätzt Barth noch heute als unermüdlichen Feuergeist. Und wer die Namen der Professoren liest, wird zumindest nicht mehr annehmen, es handle sich um einen Haufen Idioten. Auch macht sich ja nach und nach die Erkenntnis breit, dass die Propheten der herrschenden Lehrmeinungen ein wenig selbstherrlich agieren.

Hier irrt Komarek. Barth war die Erkenntnis der Physik versagt und die elementaren Rechenfehler wies er nicht Einstein nach. Es waren die eigenen elementaren Rechenfehler, die er verkündete. So schrieb Gotthard Barth im Mai 1994 an seine Freunde in einer Einladung zum „Gespräch im Garten – Wissen und Denken, Problem eines langes Lebens“:

Mit den betruegerischen Rechnungen von Lorentz komme ich nur muehsam klar.

Gemeint ist die mathematisch wenig anspruchsvolle Lorentztransformation, die Barth bis dahin schon viele Male in seiner Zeitschrift „Wissen im Werden“ z.B. als Dummheit und Betrug an den Pranger gestellt hatte. Aber 1994, zwei Jahre vor seinem Tod, kommt Barth mit ihrem Verständnis nur „muehsam klar“.

Grab von Gotthard Barth

Das schlichte Grab von Gotthard Barth auf dem Friedhof von Zwingendorf

Barths Freund der letzten Jahre, Adolf Haider, beschreibt Gotthard Barth als Freidenker, also als einen Menschen, der sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen, frei von jeder religiösen Bindung, orientiert und Barth selbst mag sich tatsächlich als solchen empfunden haben. Barth scheint sein Freidenkertum auch als Befreiung von historischer Verantwortung verstanden zu haben. Zeit seines Lebens erfüllte Barth eine wichtige Brückenfunktion zwischen der „Arischen Physik“ des Dritten Reiches und der neuzeitlichen „Rationalen Physik“. Er versammelte, nicht ohne Stolz, selbst antisemitisch motivierte Kritiker aus der Bewegung der „Arischen Physik“. Der unermüdliche Feuergeist Barth mag ob seines hoch gesteckten Zieles darüber unbeachtet hinweggesehen haben. Der düstere Schatten eines zerstörerischen und menschenverachtenden Regimes ist das bleibende Erbe des Wirkens von Gotthard Barth. Naturwissenschaftlich hat der gescheiterte Aussenseiter nichts zu bieten. Übrig bleibt die komische Burleske, die uns Alfred Komarek in seiner Romanfigur präsentiert.

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4 Kommentare | Kommentar schreiben
 
  1. […] endet eine Linie, die nach der Wiederbelebung der „Deutschen Physik“ durch den Österreicher Gotthard Barth begonnen wurde und sich über die Zusammenkünfte belasteter und illustrer Gestalten in der […]

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  2. #2 | Dr. Erich Wanek verstorben | RelativKritisch | 12. Dezember 2010, 21:27

    […] in den späten 50er Jahren publizierte er mehrfach in der Zeitschrift „Wissen im Werden“ von „Gotthard Barth“ (Lichtgeschwindigkeit und Bezugssystem und Eine Hypothese über die Teilchenwelle) und kam damit […]

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  3. […] wie z. B. mit dem Kroaten Stjepan Mohorovičić, der auch noch in der Nachkriegszeit über Gotthard Barth den organisierten Einstein-Gegnern erhalten geblieben […]

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  4. […] Kapitel in seinem Buch „Tauchgänge im grünen Meer“ und eine Rolle in seinem Kriminalroman „Blumen für Polt“. Im Juli 1996, posthum drei Monate nach Barths Tod im März, reihte ihn die Zeitschrift WIENER auf […]

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