Sabine Paul und PaläoPower fragwürdig rezensiert bei spektrum.de
„Die Kraft der Urzeit“ überschreibt Venessa Schuh ihre Rezension des im März 2012 erschienen Buches „PaläoPower“ von Dr. Sabine Paul auf der Online-Seite des Spektrum-Verlags. Eine unkritische Empfehlung für das Buch der höchst umstrittenen Autorin und Pseudowissenschaftlerin Sabine Paul. Nach der Buchbesprechung von Unzickers „Vom Urknall zum Durchknall“ durch den pseudowissenschaftlichen Kritiker Egbert Scheunemann im August 2010, hat mit „Die Kraft der Urzeit“ eine weitere unprofessionelle Rezension ihren Weg in den sonst so auf Ansehen bedachten Spektrum-Verlag gefunden.
Die Hypothese von Sabine Paul geht auf die Idee der Steinzeitdiät zurück. Eingeführt wurde dieser Begriff von Walter Voegtlin im gleichnamigen Buch 1975. Schon vor knapp 40 Jahren war die Theorie mehr als umstritten. Sie geht von der Annahme aus, dass sich die Menschen seit Beginn des Neolithikums vor 20.000 bis 10.000 Jahren genetisch nicht verändert haben. Allerdings sind der Wissenschaft zumindest 700 Mutationen in den letzten 10.000 Jahren bekannt. Neu bei Sabine Paul ist, dass sie behauptet, dass diese Steinzeit- bzw. Paläo-Diät bei der Behandlung gegen „Zivilisationskrankheiten“ wie Allergien und ADHS angewendet werden kann. Ohne wissenschaftliche Grundlage. Aber die Mikrobiologin Sabine Paul versteht es ausgezeichnet, die Binsenweisheit, dass gesunde Ernährung und viel Bewegung hilft Zivilisationskrankheiten zu vermeiden, als ihre pseudowissenschaftliche PaläoPower effizient und lukrativ zu vermarkten. Teure Bluttests werden den Kunden angeboten, mit denen sie angeblich feststellen können, ob sie Kandidaten für die PaläoPower sind. Über die geschäftlichen Ent- und Verwicklungen berichtet Psiram/Esowatch seit April 2012.
Das hätte auch der Rezensentin Vanessa Schuh bei ihren Recherchen auffallen sollen. Auffallen müssen hätte es jedoch dem verantwortlichen Redakteur bei spektrum.de, der mehr Erfahrung aufzuweisen hat, als die im November 2011 an der Universität Potsdam frisch gebackenen „Master of Science“ für Ernährungswissenschaft Vanessa Schuh. Dessen ungeachtet wurde die unkritische Rezension vom Spektrum-Verlag am 16. Juli 2012 veröffentlicht. Das wirft die Frage nach der Qualitätssicherung bei spektrum.de erneut auf. Worauf soll sich der interessierte Leser verlassen dürfen, wenn nicht auf die Empfehlungen eines renommierten Verlages? Zählt auch für diesen Quantität vor Qualität und somit nur der Umsatz (eine rhetorische Frage womöglich)?
Wie sich die Geschäfte von Sabine Paul weiter entwickeln wird die Zukunft zeigen. Aber die Blogger-Gemeinde wird auch weiterhin kritisch informieren, gerade weil auf etablierte Medien wie den Spektrum-Verlag kein unbedingter Verlass mehr ist.
Nachtrag 16. Aug. 2012
Spektrum ist nicht gleich Spektrum. Die Rezension „Die Kraft der Urzeit“ wurde von der „Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft“ nur übernommen. Sie erschien ursprünglich im Band 3/2012 des BIOspektrums. Dieses ist jedoch ein periodisches Magazin des „Spektrum Akademischer Verlag“, der nicht zur „Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft“ gehört, sondern zur „Springer Verlagsgruppe“. Der „Spektrum Akademischer Verlag“ wurde zwar von der „Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft“ als Spin-off gegründet aber bereits 1991 verkauft. Der Vorwurf der mangelnden Qualitätssicherung trifft daher die „Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft“ nur am Rande und muss hauptsächlich an die Redaktion des „Spektrum Akademischer Verlag“ gerichtet werden. Allerdings hat es die Redaktion der „Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft“ verabsäumt, die von BIOspektrum übernommene Rezension klar als Fremdwerk mit entsprechend deutlicher Quellenangabe auszuzeichnen. RelativKritisch entschuldigt sich für diesen Irrtum und hofft mit dem Nachtrag für die notwendige Klarheit gesorgt zu haben.
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Zum Nachtrag: die Rezension ist schon durchaus auf spektrum.de erschienen, auch wenn sie dort aus einer ursprünglich anderen Quelle übernommen worden war. Insofern fällt der Inhalt natürlich schon auch unter die Verantwortung von spektrum.de. Aber immerhin ist es ja schon erfreulich, dass man den Beitrag dort wenigstens nicht mehr inhaltlich verteidigt 🙂
In Science war übrigens vor kurzem ein Artikel http://www.sciencemag.org/content/336/6080/466 demzufolge das genetische Profil der in Nordeuropa lebenden Jäger und Sammler wahrscheinlich NICHT überlebt hat, sondern es die landwirtschafttreibenden Suedeuropäer waren, die teilweise nach Nordeuropa gezogen sind und damit auch zu den Vorfahren der heutigen Nordeuropäer wurden. (In Anbetracht der dünnen Datenlage natürlich alles mit Vorsicht zu geniessende Thesen.) Wenn das so zutrifft spricht also auch der evolutionäre Erfolg GEGEN die Jäger und Sammler 🙂
Bloß von wem stammen dann die Leute auf den Trödelmärkten und Schlußverkäufen ab?
Eine Kurzrezension findet sich übrgens auch im aktuellen „Spektrum der Wissenschaft“ – Heft.
Übrigens auch nicht gerade sonderlich kritisch, die Renzension im Heft.
Nicht kritisch, aber chick, „Wilderness Bodypainting“
http://www.palaeo-power.de/home/
Im Septemberheft des Spektrums der Wissenschaft erschien eine weiter Rezension von Sabine Pauls „PaläoPower“.
Die Redakteurin Dr. Adelheid Stahnke ist mit ihrer Rezension deutlich kritischer als Vanessa Schuh. Aber auch diesmal fehlt ein Hinweis auf die teilweise unwissenschaftlichen und umstrittenen Thesen von Sabine Paul. Und deren geschäftlichen Interessen. Aber von einer Kurzrezension ist das wohl zuviel verlangt.
Also auf diesseits.de ist man sehr angetan von dem Buch: http://www.diesseits.de/panorama/rezensionen/1350943200/achtet-eure-steinzeitgene
Ist es jetzt gut oder schlecht? Egal, ich lese es sowieso nicht 🙂