Karl-Theodor zu Guttenberg – „Copygate“ und die „Gute Wissenschaftliche Praxis“
Die Ereignisse um Karl-Theodor zu Guttenberg, noch deutscher Bundesminister für Verteidigung, nehmen ihren unvermeidlichen Lauf. Nachdem die doch eher dem Regierungslager nahestehenden Zeitungen „Financial Times Deutschland“ und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ihr Scherbengericht über den CSU-Politiker veranstaltet hatten, verzichtete Guttenberg diesmal dauerhaft auf die Würde seines Doktortitels. Es wird noch einige Tage dauern, bis der deutsche Verteidigungsminister, seine Chefin Angela Merkel, die konservativen Parteiführungen, aber auch die ihm noch zugeneigte Öffentlichkeit begreifen werden, dass der bayerische Freiherr im Amt nicht mehr zu halten ist.
Im medialen Rausch des „Guttenberg Bashing“ gerät allerdings der eigentliche Skandal um die Doktorarbeit des fränkischen Blaublütigen, dessen barock inszenierter Aufstieg in die Spitzenpolitik an wilhelminische und „Weimarer Verhältnisse“ erinnert, in ungute Vergessenheit.
Guttenbergs Absturz wurde in allen politischen Lagern längst herbeigeredet, herbeigezeichnet und herbeigeneidet. Die „Kunduz Affäre“, der „Skandal um die Gorch Fock“, zuletzt das „Kerner Wüstencamp“. Der Minister hatte immer mehr Soll als Haben auf dem Konto. Dennoch war er, auch in der öffentlichen Meinung, immer kreditwürdig. „Copygate“ begann zunächst als langweilig banale Routinerecherche eines wissenschaftlichen Kollegen. Andreas Fischer-Lescano, der eine Rezension zu Guttenbergs Dissertation schreiben wollte, brachte die Lawine ins Rollen. Was danach geschah ist hinreichend bekannt. Nicht nur senile arabische Despoten unterschätzen systematisch das Mobilisierungspotenzial des Web. Auch die politische Klasse in Berlin und München war überhaupt nicht darauf vorbereitet, dass die Doktorarbeit des Bundesverteidigungsministers eine qualifizierte öffentliche Überprüfung durchlaufen könnte. Das Internetprojekt GuttenPlag Wiki hat, sofern es selbst wissenschaftlichen Standards genügt, der Plagiatprüfung durch die Universität Bayreuth auf beachtliche Weise vorgelegt. An diesem Scheidepunkt bewegen sich noch die meisten wissenschaftsorientierten Blogs. ScienceBlogger Christian Reinboth hat auf „Frischer Wind“ nachgefragt, wie sich die Blogosphäre in dieser Angelegenheit verhält. Nun, sie ist repräsentativ für die öfffentliche Meinung. Noch geht es meist um die Person Guttenberg, zur Zeit primus inter pares anderer kreativer „Designer“ in Kabinetten und Parlamenten. Guttenberg ist nicht der erste und sicherlich nicht der letzte, der auch in prominenter Position versucht, wissenschaftliche Standards zu unterlaufen. Allerdings ist Wissenschaftsbetrug nicht auf Politiker beschränkt. Er ist eine durchaus normale Erscheinung, dem die akademischen Institutionen mit Selbstverpflichtungen und Regelwerken entgegen wirken wollen.
Der eigentliche Skandal um Guttenberg & Co. ist, dass diese Mechanismen an der Universität Bayreuth offensichtlich versagt haben. Wenn die Kommission um Peter Häberle die „mehr als schmeichelhaft“ (Fischer-Lescano) bewertete Doktorarbeit und deren Verteidigung durch Guttenberg, einfach und blind mit Prädikatsnote durchgewinkt hat, stellt das die tatsächliche vorhandene Qualitätssicherung und akademische Befähigung in der juristischen Fakultät in Bayreuth rigoros in Frage. Bayreuth steht damit nicht allein. Aber das ist kein Trost. Auch die Universitäten in Tübingen und Linz haben immer noch Hemmungen, sich von pensionierten „scientific“ cranks zu distanzieren.
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